Bundesrechnungshof spricht sich gegen Entbudgetierung der Hausärzte aus

Berlin – Die Ärzteschaft drängt seit Jahren darauf, die Budgetierung ärztlicher Leistungen aufzuheben. Bei den Fachärzten lehnt der Gesetzgeber diese weiterhin ab, bei den Hausärzten ist sie hingegen geplant. Der Bundesrechnungshof (BRH) spricht sich gegen eine Entubdugetierung aus, wie ein aktueller Bericht deutlich macht.
In ihrer Analyse zur „Extrabudgetären Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen in der ambulanten Versorgung“ betonte der BRH, er sehe „keine konkreten Anhaltspunkte“ dafür, dass mit der Entbudgetierung der Hausärzte „insgesamt die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung von Versicherten maßgeblich verbessert würden“.
Der medizinisch notwendige Behandlungsbedarf der Versicherten als ausgabensteuerndes Kriterium würde im hausärztlichen Bereich vollständig abgeschafft, schreiben die Prüfer. Zuvor sollten deshalb bestehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgungsqualität genutzt werden.
Zudem wäre eine Entbudgetierung auf Regionen mit erheblichen Versorgungsproblemen zu beschränken und der Erfolg der Maßnahme fortwährend zu überprüfen. Anderenfalls wäre es gerade auch mit Blick auf die angespannte finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung aus Sicht des BRH „nicht zu rechtfertigen, bewährte ausgabensteuernde Instrumente abzuschaffen“.
Regeln aus TSVG aufheben
In ihrer Analyse regen die obersten Rechnungsprüfer darüber hinaus an, alle bestehenden Vergütungsregeln des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) aufzuheben. Weder die Notwendigkeit noch die angestrebte Verbesserung der Versorgungsqualität seien „belegt“, schreibt der BRH.
Das TSVG hatte laut BRH 2019 fünf Fallgruppen eingeführt: die Terminservicestelle-Terminfälle (TSS-Terminfall), Terminservicestelle-Akutfälle (TSS-Akutfall), Hausarzt-zu-Facharzt-Vermittlung, offene Sprechstunde und Neupatientenregelung. Letztere war zum Jahresende 2022 wieder abgeschafft worden.
Bis zum Jahresende 2022 hätten die Krankenkassen jährlich 11,8 Milliarden Euro für die Vergütung der TSVG-Konstellationen bezahlt, heißt es in dem Bericht. Ihre Mehraufwendungen im Vergleich zu den zuvor geltenden Vergütungsregelungen hätten sich zum Jahr 2021 auf mehr als eine Milliarde Euro belaufen, darunter fast 750 Millionen Euro wegen Doppelfinanzierungen, schreibt der BRH.
Der BRH kritisiert unter anderem gestiegene Fallzahlen und die zu hohe gesetzlich festgelegte Mindesthöhe der extrabudgetär zu zahlenden Zuschläge für eine Terminvermittlung beim Facharzt. Diese störe die gesetzliche Festlegung der Pauschalen sowie das Gefüge des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und führe zu Fehlanreizen in der Versorgung. Der Gesetzgeber sollte die Bewertung vertragsärztlicher Leistungen dem Bewertungsausschuss überlassen, so die Schlussfolgerung.
Kein Erfolg durch offene Sprechstunden
Bei den offenen Sprechstunden gibt darüber hinaus aus Sicht des BRH keine belastbaren Nachweise, dass die extrabudgetäre Vergütung die Versorgung durch geringere Terminwartezeiten verbessert habe. Die Prüfer merken an, dass die Leistung auch Niedergelassene erhalten, die „lediglich ihre Arbeitszeit umverteilen“.
Der BRH moniert, mit den Vergütungsanreizen hätten insbesondere die Wartezeiten gesetzlich Versicherter auf einen Behandlungstermin verkürzt werden sollen. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) hätte um die gezahlten Vergütungen bereinigt werden sollen, was aber dem BRH zufolge nicht passiert ist.
„Die Bereinigungsregeln waren manipulationsanfällig durch strategische Honorarabrechnungen von Leistungserbringenden und führten aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung zu Doppelfinanzierungen bestimmter erbrachter Leistungen einerseits aus dem Budget und zusätzlich außerhalb des Budgets“, erläuterten die Prüfer. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe diese Kritik zwar nachvollziehen können, sei aber nicht umfassend gegen strategische Kennzeichnungsmöglichkeiten und Doppelfinanzierungen vorgegangen.
Die Prüfer lassen an der extrabudgetären Vergütung insgesamt in dem Report kein gutes Haar. Sie führen aus, dass die jährlichen Ausgaben für die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) und die extrabudgetäre Vergütung in den Jahren 2009 bis 2022 bundesweit von 30,8 auf 44,2 Milliarden Euro angewachsen sei. Dabei sei die MGV absolut mit rund 25 Milliarden Euro weitgehend stabil geblieben.
Der Anteil der extrabudgetären Vergütung habe sich hingegen von 22 Prozent auf fast 43 Prozent erhöht. „Der Bundesrechnungshof kritisiert diese Entwicklung. Nur die MGV unterliegt einer Mengen- und Ausgabensteuerung, da sie auf die notwendigen Ausgaben für den zuvor vereinbarten notwendigen Behandlungsbedarf beschränkt ist“, schreiben die Prüfer.
Da die extrabudgetäre Vergütung keine solche Begrenzung kenne, erhöhe sich die Gefahr „unwirtschaftlicher, insbesondere medizinisch nicht erforderlicher Leistungserbringung“. Das könne „Fehlversorgungen und Ausgabenanstiege nach sich ziehen“.
Für die Prüfer ist klar: Die MGV sollte der Regelfall der vertragsärztlichen Vergütung sein. Der extrabudgetäre Anteil an der gesamten Vergütung sollte sich deutlich verringern.
Die extrabudgetäre Vergütung von Leistungen sollte im Wesentlichen daran ausgerichtet werden, dass sie die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung nachweislich signifikant erhöht.
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