Ärzteschaft

Hausärztinnen- und Hausärzteverband will Entbudgetierung und EBM-Reform

  • Freitag, 22. September 2023
Der Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bei der Abstimmung. /Marco Urban
Der Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bei der Abstimmung. /Marco Urban

Berlin – Die im Koalitionsvertrag zugesagte Entbudgetierung für den hausärztlichen Bereich sowie eine grundlegende EBM-Reform forderten heute die Delegierten des 44. Hausärztinnen- und Hausärztetages ein.

Zudem müsse bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen sichergestellt sein, dass die Technik störungsfrei funktioniert und eine Performanz bietet, die die Prozesse in den hausärztlichen Praxen beschleunigt und unterstützt, anstatt sie zu stören.

„Die Situation in den Praxen ist nicht nur angespannt, sondern teilweise dramatisch. Politik und Selbstver­waltung müssen jetzt sofort handeln, ansonsten wird die hausärztliche Versorgung vielerorts unter die Räder kommen“, warnten die beiden Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.

Das politische Versprechen, die hausärztlichen Leistungen zeitnah entbudgetieren zu wollen, müsse endlich umgesetzt werden, so die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Und zwar nach dem Bei­spiel der Kinder- und Jugendärzte, da nur so bestehende regionale Differenzen in der Vergütung angemessen ausgeglichen werden könnten.

Dies sei wichtig, um die hausärztliche Versorgung zu fördern und auch für den Nachwuchs weiterhin attraktiv zu gestalten. Nur so könne auch zukünftig eine hochwertige und individuelle Gesundheitsversorgung auf­recht­erhalten werden.

Zusätzlich sei eine Reform des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) notwendig. In der aktuellen Vergü­tungssystematik stelle sich die Leistung der Hausarztpraxen – die ganzheitliche Betrachtung der Gesund­heitsprobleme – als unterfinanziert dar und müsse dringend besser honoriert werden.

Bei einer solchen Reform müssten die hausärztliche Versorgung konkretisiert und der hausärztliche Versor­gungsauftrag klarer formuliert werden. Insbesondere müsse die Kontinuität der patientenzugewandten Ver­sorgung im Vordergrund stehen und nicht das Dokumentieren ärztlicher Tätigkeit auf Basis von Einzelleis­tungen.

Auch solle die Steuerung von multimorbiden Menschen im EBM „angemessen abgebildet und gefördert“ werden. Das wichtige Versorgungselement der Hausbesuche müsse mindestens angemessen finanziert oder „sogar aktiv gefördert“ werden. Grundsätzlich müssten die Lohnkosten für Praxismitarbeitende eins zu eins an die Entwicklung im stationären Sektor gekoppelt werden. Nur so könnten die Praxen weiterhin qualifiziertes Personal halten und anziehen.

Um moderne Strukturen in den Praxen zu fördern, sei laut einem weiteren Beschluss der Delegierten, eine zusätzliche Stärkung der Praxisteams im EBM notwendig – etwa in Form eines „längst überfälligen fairen Teampraxis-Zuschlages“. Eine „Zersplitterung der Versorgung mit immer neuen Schnittstellen“, verwiesen wurde beispielhaft auf Gesundheitskioske, sei abzulehnen.

Ende des Quartalsbezugs gefordert

Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordern vom Gesetzgeber und der Selbstver­waltung auch die Abschaffung der „starren Quartalslogik“ im ambulanten Bereich. Diese setze in ihrer ak­tuellen Form Fehlanreize in der Versorgung.

Die Fokussierung auf eine patientenzentrierte Versorgung mache quartalsübergreifende Struktur- oder Vor­haltepauschalen – analog zum Krankenhausbereich – notwendig. So könne der Mechanismus überwunden werden, die Finanzierung der Hausarztpraxen ausschließlich über möglichst viele Patientenkontakte sichern zu müssen.

Ein kritisch diskutiertes Thema stellte die Digitalisierung dar. Beier sprach von „naiven Digitalisierungsver­sprechen“ – man sei für die Digita­lisierung, diese müsse dann aber auch funktionieren.

Die Delegierten des Verbandes forderten vom Gesetzgeber, vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) sowie von der gemeinsamen Selbstverwaltung, eine flächendeckende Testung von TI-Anwendungen und deren Kom­ponenten. Es müsse sichergestellt werden, dass diese vor einem Roll-Out fehlerlos funktionieren. Die hausärztlichen Praktikerinnen und Praktiker seien eng in alle technischen Entwicklungen und Konzeptionen einzubeziehen.

Zudem dürfe die Digitalisierung „nicht per Zwangsmaßnahmen eingeführt und erzwungen werden“. Im Gegen­teil müssten Mechanismen erarbeitet werden, die die Betreiber der TI sowie die Anbieter von TI-Anwendun­gen und TI-Komponenten sowie PVS-Hersteller in die Haftung nehmen. Praxen sollten im Falle von Fehlern und Ausfällen entschädigt werden.

In weiteren Beschlüssen wurde konkret eine Verbesserung der Funktionalität des elektronisches Rezeptes (E-Rezept) innerhalb der Praxisabläufe sowie eine intuitiv in den Versorgungsalltag integrierbare elektronische Patientenakte (ePA) gefordert.

Auf Basis der zahlreichen Einzelbeschlüsse leitete die Delegiertenversammlung einen hausärztlichen Forde­rungskatalog ab. Dieser enthält auch Vorschläge zur Förderung der Verträge zur Hausarztzentrierten Versor­gung (HZV) und zur Reform der Approbationsordnung.

Die Allgemeinmedizin müsse entsprechend dem Konsens zum Masterplan Medizinstudium 2020 endlich in der Approbationsordnung gestärkt werden. Da die universitären Ausbildungsstrukturen weiter daran scheitern würden, ausreichend hausärztlichen Nachwuchs auszubilden, dürfe die Einrichtung zusätzlicher Studienplätze der Humanmedizin erst nach Umsetzung der neuen Approbationsordnung für Ärzte erfolgen. Die Ausbildung müsse darüber hinaus viel stärker ambulant erfolgen, um dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung gerecht zu werden.

aha

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