Bundesregierung sieht bei Cannabisprävention Länder in der Pflicht

Berlin – Die Bundesregierung weist Kritik der Länder an der geplanten Ausgestaltung der kontrollierten Freigabe von Cannabis als Genussmittel zurück. Insbesondere die Kosten für neue Präventions- und Suchthilfeangebote könnten durch Ersparnisse in anderen Bereichen finanziert werden.
Ende September hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Cannabisgesetzes (CanG) kritisiert, dass die geplante Legalisierung hohe finanzielle Folgebelastungen der Länder durch Präventions- und Interventionsaufgaben mit sich bringen werde.
„Es erscheint dem Bundesrat vollkommen unrealistisch, diese Kosten über Gebühren und Auslagen vollständig auf die Erlaubnisnehmer abwälzen zu können“, hieß es in der Stellungnahme.
Dabei stelle die Länderkammer fest, dass die Finanzmittel für die Suchtprävention dem Gesetzentwurf zufolge langfristig auch über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erfolgen können. Dieser Verweis auf eine mögliche – gegebenenfalls sogar alleinige – Finanzierung über GKV-Gelder sei für den Bundesrat jedoch „nicht tragfähig“.
Dem widerspricht die Bundesregierung nun in ihrer Gegenäußerung: Eine alleinige Finanzierung über die GKV sei laut Gesetzesbegründung überhaupt nicht vorgesehen. „Dort ist lediglich festgehalten, dass eine Finanzierung von Präventionsmaßnahmen, die in den sogenannten Lebenswelten wirken, auch über die gesetzliche Krankenversicherung (…) erfolgen kann“, schreibt sie in der heute veröffentlichten Unterrichtung.
Dabei hätten die für die Daseinsvorsorge zuständigen Länder und Kommunen zusätzliche Präventionsangebote zu schaffen. Auch Maßnahmen zur Suchtprävention würden überwiegend im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge durch Länder und Kommunen finanziert.
„Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht kann der Bund keine Finanzierung der Suchtpräventionsaktivitäten auf Länder- oder kommunaler Ebene übernehmen“, betont die Bundesregierung. Dabei sei aber zu beachten, dass den Ländern aufgrund der Entkriminalisierung des Besitzes und des Eigenanbaus ein verringerter Erfüllungsaufwand für zu verfassende Strafanzeigen durch Polizei- und Ordnungsbehörden entstehen würde. Diese Einsparung würde rund acht Millionen Euro betragen.
Hinzu kämen Einsparungen bei den Gerichten in Höhe von 225 Millionen Euro durch weniger Strafverfahren wegen konsumnaher Cannabisdelikte. „Die eingesparten Mittel können in den Ländern für die behördliche Überwachung der Anbauvereinigungen sowie für die Suchtprävention eingesetzt werden“, schreibt die Bundesregierung.
Außerdem würde der Bund bundesweit zentral Präventionsmaßnahmen über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) anbieten. Ein Ausbau dieser Maßnahmen sei ebenfalls im Gesetzentwurf vorgesehen. Selbst ohne das Gesetz müssten Länder und Kommunen allerdings künftig mehr Geld in die Hand nehmen: Angesichts steigender Konsumzahlen sei es nämlich ohnehin nötig, die Angebote zur Suchtprävention in den Ländern auszubauen.
Frühintervention bei Minderjährigen
Mit Blick auf Minderjährige, die Cannabis konsumieren, sieht das Cannabisgesetz zudem eine Regelung zu Frühinterventionsprogrammen vor. Der Bundesrat befürchtet, dass damit neue Pflichtaufgaben auf die Jugendämter zukommen. Diese sollen nämlich laut Gesetzentwurf darauf hinwirken, dass Kinder und Jugendliche geeignete Frühinterventionsprogramme oder vergleichbare Maßnahmen auch anderer Leistungsträger in Anspruch nehmen.
Anders als vom Bundesrat befürchtet führe diese Regelung allerdings gerade nicht dazu, dass die Jugendämter eine neue Pflichtaufgabe bekommen, erwiderte nun die Bundesregierung. Stattdessen füge sich die Regelung in das bestehende Jugendhilfesystem ein: „Dass Jugendämter darauf hinwirken sollen, dass Kinder und Jugendliche etwa Frühinterventionsprogramme wahrnehmen, ist Teil des bereits verankerten Schutzauftrages der Jugendämter bei Kindeswohlgefährdung.“
Darüber hinaus hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch mehr verbindliche Instrumente zur effektiven Aufklärung, Prävention und Intervention in das Gesetz aufzunehmen, inklusive verpflichtender Maßnahmen.
Auch das weist die Bundesregierung zurück. Nach ihrer Auffassung sehe der Gesetzentwurf umfangreiche und umsetzbare Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche vor. So könne unter anderem das Ziel der Verbesserung des Gesundheits- und Jugendschutzes durch das Gesetz erreicht werden, da es bereits strenge Mengen-, Qualitäts- sowie Kinder- und Jugendschutzvorgaben enthalte, die durch behördliche Kontrolle gesichert werden.
Aufklärung und Prävention würden gestärkt durch einen Ausbau der Präventionsmaßnahmen bei der BZgA sowie durch die gesetzlichen Vorgaben für die Anbauvereinigungen, die zu einem umfassenden Gesundheits- und Jugendschutz beitragen würden.
Dazu zähle auch, dass die Anbauvereinigungen verpflichtet werden sollen, ihre Mitglieder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis anzuhalten und zu diesem Zweck jeweils ein Mitglied als Präventionsbeauftragten zu benennen.
Dieser solle den Mitgliedern dann als Ansprechperson für Fragen der Suchtprävention zur Verfügung stehen und sicherstellen, dass durch die Anbauvereinigung geeignete Maßnahmen eines umfassenden Jugend- und Gesundheitsschutzes sowie zur Suchtprävention getroffen werden.
Präventionsbeauftragte sollen nicht zentral geschult werden
Insbesondere soll der Präventionsbeauftragte seine Kenntnisse bei der Erstellung des Gesundheits- und Jugendschutzkonzeptes einbringen und dessen Umsetzung sicherstellen. Er hat laut Gesetzentwurf gegenüber der Anbauvereinigung nachzuweisen, dass er über spezifische Beratungs- und Präventionskenntnisse verfügt, die er durch Suchtpräventionsschulungen bei Landes- oder Fachstellen für Suchtprävention oder bei vergleichbar qualifizierten Einrichtungen erworben hat.
Hier hatte der Bundesrat vorgeschlagen, eine Regelung in das Gesetz aufzunehmen, wonach der Präventionsbeauftragte seine spezifischen Beratungs- und Präventionskenntnisse durch Suchtpräventionsschulungen ausschließlich bei der BZgA zu erwerben hat. Auch diesen Vorschlag lehnt die Bundesregierung ab.
Nicht nur würden diese Maßnahmen der Gesundheitsprävention in die Zuständigkeit der Länder fallen. Vielmehr sei es gerade bei den Präventionsbeauftragten der Anbauvereinigungen von besonderer Bedeutung, dass sie eine gute Anbindung und Vernetzung zur regionalen Suchthilfe haben.
„Dieser Kontakt wird von Beginn an automatisch aufgebaut, wenn die Schulungen auf kommunaler Ebene durch Landes- oder Fachstellen für Suchtprävention oder bei vergleichbar qualifizierten Einrichtungen erfolgen“, schreibt die Bundesregierung.
Dennoch werde sie den Vorschlag prüfen, als Orientierungshilfe oder Empfehlung ein Mustercurriculum für die genannten Suchtpräventionsschulungen von Präventionsbeauftragten zu entwickeln, das den Fachstellen für Suchtprävention oder vergleichbar qualifizierten Einrichtungen für die Umsetzung der Schulungen zur Verfügung gestellt wird. Das könne dazu beitragen, dass Präventionsbeauftragte mit den neuesten Erkenntnissen und bewährten Verfahren geschult werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: