Politik

Bundestag: Emotionale Debatte um Schwanger­schaftsabbruch

  • Donnerstag, 5. Dezember 2024
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Markus Schreiber
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Berlin – Eine „historische Stunde für die Frauen“ oder ein „Aufbruch eines befriedeten gesellschaftlichen Konfliktes“: Bei der Debatte um einen Antrag zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs haben die Abgeordneten des Bundestages um ihre Positionen gerungen.

Die Konfliktlinien waren dabei schon im Vorfeld klar: 328 Abgeordneten hatten die Gesetzesvorlage unterzeichnet, die aus den Reihen der SPD, Grünen und der Gruppe die Linke kommen. Auch der fraktionslose Abgeordnete der Südschlesischen Wählerverbundes steht auf der Liste. Die Abgeordneten der Gruppe BSW wollen den Antrag unterstützten, waren aber im Vorfeld nicht einbezogen. Komplette Ablehnung einer Neuregelung kommt von der Unionsfraktion und der AfD.

Letztere will die bisherige Regelung noch verschärfen, die Union will es so lassen, wie es ist. Rednerinnen der FDP fordern „noch mehr Zeit und Ruhe“, um über eine Neuregelung nachzudenken und wollen dies in der nächsten Legislatur angehen. „Ist dieses 'später' eine höfliche Umschreibung von einem nie?“, fragte SPD-Abgeordnete Tina Rudolph am Ende der Debatte.

Denn gerade das Argument der Zeit ließen viele Rednerinnen unter den Befürworterinnen nicht gelten: „Wenn Sie immer noch keine Meinung über diese Thema haben, dann ist Politik vielleicht keine richtige Aufgabe für sie“, rief Heidi Reichinnek von der Gruppe die Linke den FDP-Frauen gegen Ende der ersten Lesung des Gesetzes zu.

Zu Beginn der Debatte zählten die Befürworterinnen – insgesamt sprachen 18 Frauen und zwei Männer – den jahrzehntelangen Kampf der Frauen gegen das Gesetz auf und verwiesen auf die sich deutlich verschlechternde Versorgungslage bei Abbrüchen. Aktuelle Studien, besonders die ELSA-Studie, zeigten auf, dass sich die Zahl der Ärztinnen in den vergangenen Jahren halbiert habe, die einen Abbruch durchführen.

„Es muss sich das Strafgesetzbuch ändern, wenn wir die Versorgungslage von Frauen verbessern wollen“, sagte Carmen Wegge (SPD), Initiatorin des Gruppenantrages. Darin werde, so Wegge, eine Entkriminalisierung von Frauen und von Ärztinnen vorgeschlagen, sogar der Paragraf an sich bleibe erhalten, die Strafbarkeit nach der 12. Schwangerschaftswoche auch. Das es sei kein „Ich-wünsch-mir-was-Gesetzesentwurf“, so Wegge in die Richtung ihrer Kritikerinnen.

Die sehen vor allem den fehlenden Schutz für das ungeborene Leben in dem Entwurf vernachlässigt. Es habe dazu viele „falsche Narrative in den letzten Tagen gegeben“, so Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die auch Vorsitzende des Rechtsausschuss ist, in dem der Entwurf demnächst beraten werden wird. Die Union stehe zur bisherigen Regelung, mit der es „einen freien Zugang für Frauen zum Abbruch“ gebe. „Auch der Schutz des Ungeborenen Lebens ist darin enthalten“, betonte Winkelmeier-Becker. Die Verschärfung, wie es die AfD vorschlage, trage die Union nicht mit, stellte sie klar.

In der Debatte erklärte Beatrix von Storch von der AfD, den gefundenen gesellschaftlichen Kompromiss, „den wollen sie abfackeln aus rein ideologischen Gründen, praktische Gründe gibt es nicht“. Die AfD „trägt den gesellschaftlichen Kompromiss mit und nicht schreddern“, so die Abgeordnete weiter.

In der weiteren Debatte standen sich die Rednerinnen mit scharfen Worten gegenüber: So verlangte Ulle Schauws, dass „mit den Schuldgefühlen für Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden, endlich Schluss sein muss“. Die verschlechterte Versorgungslage dränge zum Handeln. „Wir haben vor Monaten begonnen, diesen moderaten Entwurf, der vielen Unterzeichnerinnen hat, zu bearbeiten. Alle Rechte eines Gruppenverfahrens soll es in diesem Haus geben. Bis zum Ende der Legislatur sind wir als freie Abgeordnete voll arbeitsfähig. lassen sie uns gemeinsam Geschichte schreiben.“

Damit spielte sie vor allem auf die möglichen Verfahrensregelungen an, den Antrag in den Beratungen im Ausschuss zu verzögern. Denn es bleiben noch zwei reguläre Parlamentswochen bis zur vorgezogenen Bundestagswahl.

Diese Zeit will Gyde Jensen von der FDP allerdings nicht mehr nutzen. Ein Abbruch sei „in der Komplexität mit Worten kaum zu beschreiben“, sagte sie. Für sie sei „die Dauer der Diskussion“ ein Indikator, dass man diese auch fortsetzen müsse. „Diese Debatte muss zeitnah, aber nicht in Eile geführt werden. Es bräuchte Zeiträume des Nachdenkens, des individuellen und öffentlichen Abwägens.“ Daher biete sie an, wenn sie mit der FDP wieder in den nächsten Bundestag komme, sich aktiv an einem neuen Gruppenantrag zu beteiligen. „Für mich persönlich ist es eine urliberale Haltung und eine persönliche Überzeugung“ der Straffreiheit zuzustimmen. Auch Kerstin Lüdke aus der Fraktion befürwortete mehr Zeit für die Debatte.

Die Antwort aus dem Kreise der Unterstützerinnen kam prompt: „Das Thema ist rauf und runter diskutiert. Wir brauchen keine Zeit mehr. Was soll sich bis denn bis zur Nächsten Legislatur in der Sachlage ändern? Ich glaube fest an eine parlamentarische Mehrheit. Lassen wir das uns früh abstimmen. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem“, so Leni Breymaier von der SPD-Fraktion.

Eine „völlig falsche Tonalität und falsche Kampfansage“ unterstellte Dorothee Bär (CSU) den Initiatorinnen. So sei schon die zum Thema eingesetzte Kommission bei der Besetzung einseitig gewesen, es sei von der SPD zum Wahlkampfthema gemacht worden. Man werde sich mit der ganzen Fraktion dagegen stellen. „Mit uns ist Lebensschutz nicht verhandelbar.“

Susanne Hierl, ebenfalls CSU, sorgte sich, was nach der Straffreiheit komme. Im Kommissionsbericht sei auch von der Legalisierung der Eizellspende die Rede – „was kommt da noch auf uns zu“, fragte sie im Plenum. Falsche Mythen sah auch Nina Warken von der CDU in der Debatte. Es müsse mit viel mehr Ernsthaftigkeit diskutiert werden.

Diesen Kulturkampf aus der Reihe der Unterstützerinnen und Unterstützer sieht Helge Limburg von den Grüne nicht auf ihrer Seite: „Den Kulturkampf führen die, die Ärztinnen und Ärzte diskreditieren. Und auch die, die im Jahr 2024 glauben, Frauen im Strafgesetzbuch etwas über ihren Körper vorzuschreiben.“ Er betonte auch die Rolle der Männer, die sich solidarisch an die Seite der Frauen stellen sollten.

„Lassen Sie uns Frauen vertrauen“, dafür warb auch Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen. „Die Kontrolle über den eigenen Körper ist kein Verbrechen. Der Vorschlag, der hier vorliegt, hilft ungewollten Schwangeren.“

bee

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