Politik

Bundestag verabschiedet Medizinforschungsgesetz

  • Donnerstag, 4. Juli 2024
Deutscher Bundestag, 181. Bundestagssitzung: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, hält eine Rede in der Debatte um das Medizinforschungsgesetz./picture alliance, dts-Agentur
Deutscher Bundestag, 181. Bundestagssitzung: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, hält eine Rede in der Debatte um das Medizinforschungsgesetz./picture alliance, dts-Agentur

Berlin – Der Bundestag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition das Medizinforschungsgesetz (MFG) verabschiedet. Bei der Aussprache dazu musste sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegen Vorwürfe der Kungelei mit dem Pharmakonzern Eli Lilly verteidigen.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung insbesondere dafür sorgen, dass Deutschland seinen Rückstand bei der klinischen Forschung wieder aufholt, indem unter anderem Genehmigung und Durchführung klinischer Prüfungen vereinfacht und beschleunigt werden.

Davon würden Patientinnen und Patienten direkt profitieren, erklärte Lauterbach heute im Plenum. „Wir ha­ben für viele schwere Erkrankungen derzeit keine Medizin. Daher brauchen wir mehr Forschung“, sagte er. Deutschland habe sich an dieser Forschung in den vergangenen Jahren in nicht ausreichendem Maße betei­ligt.

Für eine Frau mit austherapiertem Brustkrebs beispielsweise sei die Wahrscheinlichkeit, an einer klinischen Studie teilzunehmen, die für sie die letzte Hoffnung sei, in Dänemark zehnmal höher als in Deutschland. „Das kann so nicht bleiben“, betonte er.

Das Gesetz werde die Überlebenschance dieser Menschen verbessern und gleichzeitig etwas für die Forschung tun. So werde die Genehmigung von Studien künftig beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medzinprodukte (BfArM) „nur noch über einen Tisch laufen“, erklärte er. Das werde dazu führen, dass klinische Studien in Deutschland „deutlich besser, billiger und schneller“ werden. Deutschland werde „ein Gigant in der Medizinforschung werden“.

Auf Nachfrage des Linken Abgeordneten Ateş Gürpınar verteidigte sich Lauterbach gegen Vorwürfe, ange­sichts der breiten Kritik an der vorgesehenen Einführung vertraulicher Erstattungspreise für neu eingeführte Arzneimittel in Wirklichkeit Wünschen eines einzelnen Pharmakonzerns gefolgt zu sein.

„Das hat nichts mit dem Unternehmen Eli Lilly zu tun“, beteuerte er. Das Konzept der vertraulichen Erstatt­ungspreise sei bereits im Rahmen der Pharmastrategie der Bundesregierung entwickelt worden. Dabei seien keine Unternehmen beteiligt gewesen.

Das tatsächliche Problem sei nämlich, dass Deutschland das einzige Land in Europa sei, das bisher die volle Transparenz der Erstattungspreise gewährleiste. Das führe dazu, dass in Deutschland die höchsten Erstatt­ungs­preise abgerufen würden, da die Referenzwirkung des deutschen Marktes die Grundlage für Rabattver­handlungen in anderen Ländern bilde. „Transparenz zugunsten aller anderen und wir zahlen – das kann nicht richtig sein“, betonte er.

Das wollte Gürpınars Fraktionskollegin Kathrin Vogler nicht gelten lassen. Sie hielt Lauterbach auf Grundlage einer parlamentarischen Anfrage der Linken vor, dass sein Ministerium und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr bereits mehrfachen telefonischen oder persönlichen Kontakt zu Vertretern des Konzerns ge­habt hätten.

„Sie reden sich doch hier um Kopf und Kragen“, warf sie ihm vor. „Dass vertrauliche Erstattungspreise Arznei­mittel billiger machen, ist eine Lüge. Da glauben Sie doch selbst nicht dran, sonst hätten sie die Regelung doch nicht auf vier Jahre begrenzt.“

Beim MFG handele es sich in Wirklichkeit ausschließlich um ein Standortgesetz, wie sich an den vertrauli­chen Erstattungspreisen erkennen lasse. „Die Linke hat ja nichts gegen Wirtschaftsförderung – aber eben nicht auf Kosten der Beitragszahler“, sagte sie. „Sie wollen keine Transparenz über Medikamentenpreise und keine Transparenz über ihre Kungeleien bei der Entstehung dieses Gesetzes.“

Zufrieden zeigte sich hingegen Paula Piechotta von den Grünen, die sich bei der Entstehung des Gesetzes ebenfalls gegen die Erstattungspreisregelung eingesetzt hatte. „Wir haben im parlamentarischen Verfahren enorme Verbesserungen durchgesetzt“, erklärte sie.

Durch Nachbesserungen wie den automatischen Rabatt von neun Prozent bei Vertraulichkeit, das automa­tische Auslaufen der Regelung nach dem 30. Juni 2028 und die Beteiligung von Probandinnen und Probanden in klinischen Studien als Voraussetzung für die Option der Vertraulichkeit seien die Regelungen deutlich ziel­genauer. Sie würden nicht wie im ersten Entwurf über alle Arzneimittelhersteller ausgebreitet, sondern kämen nur denen zugute, die am deutschen Standort forschen.

In der Unionsfraktion sah man das anders. Die Nachbesserungen hätten die Maßnahme so kompliziert ge­macht, dass sie nicht praxistauglich seien, kritisierte Georg Kippels (CDU). „Das ist keine Lösung“, sagte er. „Wenn das so eine gute Lösung wäre, dann hätte man sie doch nicht auf drei Jahre begrenzen müssen.“

Auch über die Aufweichung der sogenannten Leitplanken im AMNOG-Verfahren zur Preisfestsetzung bei neu­en Arzneimitteln herrschte Uneinigkeit. Auch hier sollen Unternehmen, die in den betreffenden Zulassungs­studien Probanden in Deutschland behandelt haben, bevorzugt werden. Für sie sollen Ausnahmen von den Preissenkungsmechanismen der Leitplanken gelten.

Das schaffe Anreize für neue Innovationen im deutschen Arzneimittelmarkt und verbessere so die Versorgung von Patientinnen und Patienten, erklärte der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann. Er wies Kritik vonseiten der Krankenkassen zurück, wonach das zu erheblichen Kostensteigerungen führen werde. Die GKV verbreite Fantasiezahlen, die nicht nachzuvollziehen seien.

Der CSU-Abgeordneten Emmi Zeulner geht das nicht weit genug. „Die Leitplanken waren ganz grundlegend ein Systembruch“, kritisierte sie. Lauterbach hätte mutiger sein müssen und sie komplett abschaffen sollen. Statt Verlässlichkeit zu schaffen, habe er ein Bürokratiemonster auf den Weg gebracht. „Wenn wir in Regie­rungsverantwortung kommen, werden wir die Leitplanken abschaffen“, kündigte sie an.

Auch das Vorhaben, eine Bundesethikkommission – im Gesetz zur Spezialisierten Ethik­kommission für beson­dere Verfahren (SEKbV) umfirmiert – einzurichten, sei der falsche Weg. „Wir wollen die Landesethikkommis­sionen stärken“, betonte sie. Die Anbindung an das BfArM, das als oberste Bundesbehörde dem Bundesge­sundheitsministerium (BMG) nachgeordnet ist, untergrabe die Unabhängigkeit der Kommission. „Es kann ja nicht sein, dass der Bundesgesundheitsminister die Ethik von oben bestimmt“, kritisierte Zeulner.

Ihr Fraktionskollege Hubert Hüppe (CDU) verwies zudem darauf, dass sich das BMG bei der Berufung der Mitglieder der Kommission mit den Ländern lediglich ins Benehmen setzen müsse, was die Unabhängigkeit weiter untergrabe und nicht mit der Deklaration von Helsinki in Einklang zu bringen sei. „Die Folge wird ein Vertrauensverlust sein und damit auch weniger Teilnahme an klinischen Studien“, prognostizierte er.

Ein Entschließungsantrag der Unionsfraktion zum Gesetz, der unter anderem eine Weiterentwicklung der bisherigen Ethikkommissionen anstelle einer Bundesethikkommission vorsieht, erhielt daraufhin jedoch keine Mehrheit. Für ihn stimmten lediglich CDU/CSU und AfD.

lau

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