Politik

Cannabisprävention: Jugendliche werden in ihrer Lebenswelt Schule am effektivsten erreicht

  • Freitag, 8. November 2024
/goodluz, stock.adobe.com
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Berlin – Schulen können eine Schlüsselfunktion bei der Suchtprävention einnehmen und den Jugendlichen zu einem aufgeklärten und kritischen Umgang mit Alkohol, Cannabis und Nikotin verhelfen. Insbesondere zu dem Thema Cannabisprävention an Schulen hatte deshalb gestern der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert (SPD) in das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eingeladen. Die Veranstaltung wurde mit Mitteln der Nationalen Präventions-Initiative durchgeführt.

„Die Schule ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch der Begegnung. Wichtig ist, dass im verdichteten Schulalltag neben den klassischen Unterrichtsfächern noch Raum bleibt für die zentralen Lebenskompetenzen. Die Kompetenz, Nein zu sagen, muss erlernt werden“, sagte Blienert. Weil Schulen heute aber viel abverlangt werde, müssten sie auf diesem Weg bestmöglich zu unterstützt werden. Zusammen mit der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung (BZgA) und anderen Anbietern habe das BMG in den letzten Jahren viel getan, um den Schulen evidenzbasierte Angebote zur Verfügung zu stellen.

Nach Zahlen der BZgA haben 8,3 Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen 2023 schon einmal im Leben Cannabis konsumiert, unter den 18- bis 25- Jährigen waren es fast die Hälfte (47,2 Prozent). Auch Alkohol und Nikotin spielen demnach nach wie vor eine bedeutende Rolle.

„Mit kostenfreien Angeboten gibt die BzGA Lehrern und Fachkräften alle wichtigen Informationen und Angebote an die Hand, um Cannabisprävention direkt da zu machen, wo sie am meisten wirken kann: an den Schulen“, sagte Johannes Nießen, kommissarischer Leiter der BZgA.

Auf dem Portal www.infos-cannabis.de klärt die BzGA Bevölkerung und Konsumierende allgemein auf. Auf www.cannabispraevention.de für Jugendliche ohne Konsumerfahrung, Eltern und pädagogische Fachkräfte finden sich auch Materialien zum Download für den Einsatz im Unterricht. Über TikTok und Instagram spielt die BzGA zudem qualitätsgesicherte Fakten in die Timeline der Jugendlichen.

Evidenzbasierte schulische Suchtprävention sei nicht erst seit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes am 1. April notwendig, betonte der Drogenbeauftragte. Er verteidigte das Gesetz. Das vorherige Verbot habe Jugendliche nicht vom Cannabiskonsum abgehalten. Der Schwarzmarkt hielt aber das schlechteste Angebot bereit. Es sei für Konsumenten wichtig zu wissen, was in der Droge drin ist, deshalb sei mit dem Cannabisgesetz auch der THC-Gehalt geregelt worden. Beratungs- und Hilfsangebote würden seit der Entkriminalisierung des Konsums verstärkt wahrgenommen, berichtete Blienert.

Nießen betonte, dass die schulische Suchtprävention seit der Teillegalisierung von Cannabis im April mehr Aufmerksamkeit bekommen habe. Außerdem wurde mehr Geld zur Verfügung gestellt. In einem neuen Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit werde die Suchtprävention einen Schwerpunkt bekommen.

„Wir haben Bedarf an effektiven evaluierten Präventionsmaßnahmen, weil der Trend zum Cannabiskonsum eher ansteigt“, sagte Elena Gomes de Matos vom IFT Institut für Therapieforschung in München. Die Lebenszeitprävalenz in Deutschland liege bei 18- bis 19-Jährigen bei 37 Prozent; 9,3 Prozent konsumierten problematisch. Das Alter des Erstkonsums liege im Durchschnitt bei 14,6 Jahren.

Nach internationalem Forschungsstand sei universelle Prävention, also Lebenskompetenzprogramme und Selbstkontrolltrainings, bis zur 7. Klasse wirksam, danach nicht mehr, berichtete die Psychologin. Ab der 10. Klasse erweise sich selektive Prävention, wie Emotionsregulation sowie motivationelle Kurzzeitinterventionen, als wirksam. Multimodale Programme in 10 bis 15 Einheiten mit interaktiven Methoden, stark strukturierten Stunden, Gruppenarbeit und geschulten Kursleitern haben der IFT-Expertin zufolge die höchsten Effekte gezeigt.

Wirksam im Sinne von Verhältnisprävention seien Schulrichtlinien zum Substanzgebrauch mit sanktionierten Regeln für Schülerinnen und Schüler und einem klaren Rauchverbot. Lehrerinnen und Lehrer müssten Richtlinien für den Umgang mit konsumierenden Schülern haben und zudem wissen, wann eine Weitervermittlung in die kommunale Suchtprävention notwendig sei, betonte de Matos.

Der Vertreter des Landespräventionsrates Niedersachsen, Frederick Groeger-Roth, wies auf Schul-Workshops wie „Cannabis – Quo vadis“ oder den „Grünen Koffer“ als effektiv in der Cannabisprävention an Schulen hin. Diese Angebote unterstützten mit digitalen Fachkräften Fortbildungen und Elternabende. Das Suchtpräventionsprogramm „Rebound“ stärke die Lebenskompetenz von 14- bis 25-Jährigen substanzmittelübergreifend. Grundsätzlich biete die online-Datenbank „Grüne Liste Prävention“ vom Landespräventionsrat in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover einen Überblick über alle evaluierten Programme, berichtete der Experte.

PB

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