Politik

Elsa-Studie: Mehrheit ungewollt Schwangerer fühlt sich stigmatisiert

  • Mittwoch, 13. August 2025
/Marijus, stock.adobe.com
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Berlin – Einer aktuellen Studie zur Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen zufolge fühlt sich ein Großteil der betroffenen Frauen stigmatisiert. Über diese Gefühle berichteten 83,5 Prozent der Befragten, wie aus der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geförderten Elsa-Studie hervorgeht.

Demnach sehen sich viele ungewollt Schwangere nicht nur mit gesellschaftlichen Vorurteilen, sondern auch mit Hürden bei der Umsetzung des Abbruchs konfrontiert – etwa mit hohen Kosten, wenig Informationen und einer schweren Erreichbarkeit von Angeboten.

Im Süden und im Westen Deutschlands, insbesondere in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern, sei die medizinische Versorgung außerdem lückenhafter als im Norden und Osten, schreibt das Forscherteam. Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen wollten, hätten es dort schwerer, ein entsprechendes Angebot zu finden.

Laut Studie leben insgesamt 4,5 Millionen Menschen in Deutschland in Gebieten, die mehr als 40 Minuten mit dem Auto von der nächsten Einrichtung für einen Schwangerschaftsabbruch entfernt sind. Das entspreche 5,4 Prozent der gesamten Bevölkerung, schreiben die Forscher. Von diesen 4,5 Millionen Menschen wohnten allein 2,5 Millionen in Bayern, was 19,2 Prozent der dortigen Bevölkerung entspreche.

Insgesamt stellten die Forscher für 85 von 400 Landkreisen eine nicht ausreichende Erreichbarkeit von Einrichtungen fest. Unter diesen 85 befänden sich 43 in Bayern sowie jeweils acht in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass in einigen Regionen Deutschlands für einen Teil der Bevölkerung keine ausreichende Erreichbarkeit von Angeboten zum Schwangerschaftsabbruch gegeben ist“, schreiben die Autoren, darunter Wissenschaftler der Hochschule Fulda und der Uni Leipzig.

Zu wenig Informationen und zu hohe Kosten für Betroffene

Auch beim Thema Kostenübernahme weisen die Forscher auf große Hürden hin. In Deutschland werden die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs nur in Ausnahmefällen – etwa nach einer Vergewaltigung oder bei medizinischer Indikation – von den Krankenkassen übernommen. Unter einer bestimmten Einkommensgrenze können die Kosten nach Antrag erstattet werden.

Bei Frauen, die den Abbruch selbst bezahlen müssen, variierten die Ausgaben dem Bericht zufolge erheblich: Knapp jede zehnte Befragte zahlte bis zu 200 Euro für den Eingriff. Etwas mehr als die Hälfte (53,1 Prozent) musste zwischen 201 und 399 Euro aufbringen. Etwa ein Drittel gab Kosten in Höhe von 400 bis 599 Euro an. Knapp acht Prozent der Befragten erklärte, mehr als 600 Euro gezahlt zu haben.

 Neuregelung zur Kostenübernahme noch ungewiss

Insgesamt seien knapp die Hälfte der befragten Frauen für die Kosten des Abbruchs selbst aufgekommen. „Obwohl die rechtliche Regelung eine Kostenübernahme für Frauen unter einer bestimmten Einkommensgrenze vorsieht, zeigen unsere Ergebnisse, dass finanzielle Barrieren nach wie vor ein erhebliches Hindernis darstellen“, bilanzieren die Forscher. Dies gelte insbesondere auch für Frauen, die längere Wege zu Einrichtungen in Kauf nehmen müssten.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Kostenübernahme bei Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenkassen auszuweiten. Wie genau dies umgesetzt werden soll, ist noch unklar.

Für das Forschungsprojekt mit dem Titel „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung (Elsa)“ wurden 4.589 Frauen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren repräsentativ befragt. Auch offiziell verfügbare Daten, etwa die des Statistischen Bundesamts und Daten aus früheren Erhebungen, sind in die Studie eingeflossen.

Die Befragungen von betroffenen Frauen zeigten, dass Stigmatisierung „erhebliche Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden und den Zugang zur Versorgung von Frauen“ habe, wie die Studienautoren festhalten.

Um diese zu reduzieren, könne dem Bericht zufolge eine „Liberalisierung und Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“ hilfreich sein. Die aktuelle Gesetzeslage wird als eine zentrale Ursache für die Stigmatisierungsgefühle Betroffener und die damit einhergehenden Probleme benannt.

Die Forscher stellen heraus, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland im Strafgesetzbuch im Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ und damit neben Mord und Totschlag angesiedelt sei. Diese rechtliche Verortung als Straftat habe „direkte Auswirkungen auf den Zugang zur medizinischen Versorgung“, weil sie Sonderregelungen unterliege und rechtlich ungenügend abgesichert sei, heißt es weiter.

Abschaffung von Paragraf 218 bisher politisch nicht umsetzbar

Die Regelungen des entsprechenden Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch brächten Ärztinnen und Ärzte „in eine unsichere Lage“. Eine Reform oder Abschaffung des Paragrafen könne „das Arbeitsumfeld für Medizinerinnen und Mediziner entscheidend verbessern und den Zugang für Frauen erleichtern“, schreiben die Autoren.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte es unter der Bundesregierung von Grünen, FDP und SPD eine Abgeordneteninitiative zur Abschaffung des Paragrafen gegeben. Allerdings hat es der entsprechende Gesetzentwurf nicht mehr durchs Parlament geschafft.

Die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung plant keine Liberalisierung des Abtreibungsrechts, strebt aber laut Koalitionsvertrag eine Verbesserung der Versorgungslage für betroffene Frauen an.

dpa

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