Energiekostenhilfe für Krankenhäuser: Beratungen am Dienstag

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht eine reale Gefahr, dass im Zuge der Energie- und Inflationskrise bald auch Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen. „Wenn wir da nicht schnell und auch wirklich drastisch reagieren, kommt es zu Schließungen“, sagte der SPD-Politiker gestern im ARD-„Bericht aus Berlin“.
Über mehr staatliche Hilfe verhandele er an diesem Dienstag mit Finanzminister Christian Lindner (FDP). Bis dahin könne er aber „keinerlei“ Größenordnung dazu nennen, sagte er. Angestrebt werde eine Regelung, „die zielgenau ist“. Das bedeute, dass der tatsächliche Strom- und Gasverbrauch der Einrichtungen eine Rolle spiele.
Skeptisch äußerte sich der Minister zu Forderungen nach einem Sondervermögen speziell für Krankenhäuser, analog zum 100-Milliarden-Topf für zusätzliche Militärausgaben. „Wir können nicht für jeden Bereich ein Sondervermögen einführen“, sagte er. Da müsse man vorsichtig sein. „Es muss ja auch alles abgezahlt werden.“
Staatliche Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip lehnte Lauterbach ab. Es könne nicht sein, dass Krankenhäuser mit besserer Bausubstanz und einer damit einhergehenden besseren Dämmung Ersatzzahlungen für Energiekosten erhielten, die ihnen nie entstanden seien. Auf der anderen Seite dürften die Kliniken, die von den Bundesländern keine Investitionsmittel bekommen hätten und daher schlecht isoliert seien, nicht benachteiligt werden. fügte der Minister hinzu.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte wiederholt ein schnelles Handeln der Politik gefordert. Ansonsten drohe die Schließung zahlreicher Krankenhäuser aufgrund der wirtschaftlichen Notlage. Ein allgemeiner Gaspreisdeckel erst im März sei keine adäquate Hilfe. Die Finanzierungslücke bei Sachkosten und Energie summiere sich auf rund 15 Milliarden Euro in den Jahren 2022 und 2023, hieß es.
Zu diesen Zahlen sagte Lauterbach, er kenne die Rechnung, könne sie aber nicht nachvollziehen. „Das würde ja bedeuten, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft in der Lage ist abzuschätzen: Wie teuer ist es denn nächstes Jahr das Gas, wie teuer ist der Strom.“ Das wisse doch jetzt ehrlicherweise niemand.
Sicher sagen könne man aber dennoch, „dass die Krankenhäuser in den nächsten Monaten in eine ganz drastische Liquiditätsproblematik kommen“. Das müsse gelöst werden. In Deutschland gibt es etwa 1.900 Krankenhäuser mit etwa 490.000 aufgestellten Betten.
Sorgen machen sich auch andere. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen warnte angesichts zunehmender Personal- und Liquiditätsprobleme von Kliniken vor Lücken in der Patientenversorgung und forderte rasche Entlastungen.
Grüne besorgt
„Die Einschränkung der Versorgungskapazitäten unserer Krankenhäuser ist ausgesprochen besorgniserregend“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Spiegel. Vielerorts seien insbesondere die Notaufnahmen und der Rettungsdienst völlig überlastet. „Sie können ihre Patienten im Notfall nur noch schwer einer geeigneten Klinik zuweisen oder auf weiterversorgende Stationen verlegen“, so Dahmen.
Die neuerliche Zunahme von Coronapatienten treffe auf einen ohnehin dramatischen Personalmangel – einerseits weil das Personal wieder vielfach selbst wegen Krankheit ausfalle, andererseits weil die Menschen im Gesundheitswesen im dritten Jahr der Pandemie einfach nicht mehr könnten.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, selbst Arzt, rief Bund und Länder zum Handeln auf. „Wir müssen die wirtschaftliche Lage der Klinken umgehend stabilisieren“, sagte er. Zudem müssten sich Krankenhäuser auf Kernaufgaben fokussieren. „Sämtliche Behandlungen, die sinnvollerweise auch außerhalb eines Krankenhauses beispielsweise in einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum erbracht werden können, müssen jetzt auch dorthin verlagert werden“, mahnte Dahmen.
Er forderte überdies eine Bündelung ärztlicher Kapazitäten. So würden immer weniger Fachkräfte im Gesundheitswesen auf eine gleichbleibende „viel zu große Anzahl“ von Krankenhausstandorten verteilt werden: „Darunter leiden bereits seit Jahren die Qualität und Quantität unserer Versorgung und mit ihr die Patienten und das Personal“, kritisierte er.
Dahmen pochte auf schnelle Reformen im Krankenhauswesen. „Es wäre töricht, wenn wir nicht kurzfristig anfangen, unsere Krankenhauslandschaft grundlegend neu aufzustellen – entlang des notwendigen Versorgungsbedarfs, der erforderlichen Qualität und den offensichtlich knappen zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen.“ Er gehe davon aus, so Dahmen, dass sich Bund und Länder in Kürze über weitreichende Vorschläge zu einer umfassenden Krankenhaus- und Notfallreform verständigten.
Vor der am Mittwoch anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte auch Bayern vom Bund mehr Geld und Hilfen für Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen sowie Reha- und Pflegeeinrichtungen.
„Es ist wichtig, dass wir in der neuen Woche einen großen Schritt vorankommen“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Die Ergebnisse der Bund-Länder Konferenz Anfang Oktober seien „nicht zufriedenstellend“ und würden dem Ernst der Lage nicht gerecht. Am Mittwoch findet in Hannover die Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit dem Kanzler statt.
„Viele Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie medizinische Einrichtungen stehen wegen der Energiekrise und hohen Inflation vor einem finanziellen Knockout. Bevor wir am Ende zahlreiche Kliniken bildlich gesprochen reanimieren müssen, sollten wir jetzt die sichtbaren Symptome und offensichtlichen Ursachen bekämpfen und die Einrichtungen finanziell stützen“, erklärte Holetschek.
Es brauche daher „jetzt dringend“ einen Rettungsschirm, unter dem sich Krankenhäuser, Vorsorge- und Reha- sowie Pflegeeinrichtungen und weitere medizinische Einrichtungen wie niedergelassene Arztpraxen gleichermaßen versammeln könnten.
Die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sind in den Gedankenspielen der Ampelregierung bisher nicht berücksichtigt worden. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, warnte vor einer Verschlechterung der ärztlichen Versorgung wegen Praxisschließungen infolge der Energiekrise.
Auch für Praxisräume stiegen die Heiz- und Stromkosten massiv, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Folge könne sein, „dass im Zuge dieser Krise Praxen schließen oder ihr Angebot massiv einschränken müssen“. Dies habe erhebliche Folgen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
„Wenn die Heizkosten für die Praxisräume massiv steigen, wenn sich Stromkosten etwa für Radiologen verfünffachen oder sogar verzehnfachen, dann stellt sich die Frage, ob zum Beispiel MRT-Untersuchungen noch wirtschaftlich durchführbar sind“, sagte Gassen. Er erwarte, dass diejenigen, die ohnehin am Ende ihrer Berufslaufbahn seien, jetzt früher als geplant ihre Mietverträge nicht mehr verlängerten und aufhörten. Bei den Hausärzten sei ein Drittel über 60 Jahre alt.
Krisenbedingte Praxisschließungen würden spätestens im nächsten oder übernächsten Jahr mit voller Wucht zu spüren sein, sagte Gassen. „Und das in einer Lage, wo wir jetzt schon viele Praxen nicht nachbesetzen können. Die wohnortnahe Versorgung ist dann noch stärker gefährdet.“
Kritik an den Klagen der KBV kam von den Krankenkassen. Die Unkenrufe verunsicherten Millionen von Patienten, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz. Er wies darauf hin, dass Praxisinhaber pro Jahr im Durchschnitt mehr als 200.000 Euro an Reinertrag erhielten.
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