Politik

Entbudgetierung für Hausärzte rückt doch noch in Reichweite

  • Montag, 20. Januar 2025
/pressmaster, stock.adobe.com
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Berlin – Die Entbudgetierung für Hausärzte soll doch noch vor der Bundestagswahl kommen. Darüber gibt es zwischen FDP, Grünen und SPD eine grundsätzliche Einigung. Das erfuhr das Deutsche Ärzteblatt heute aus allen Parteien.

Die Initiative dafür ergriffen haben soll Christine Aschenberg-Dugnus, Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, die nicht mehr für den neuen Bundestag kandidiert. Sie war nochmal auf SPD und Grüne zugegangen. Aus dem Umfeld der Grünen hieß es, man habe versucht, nach dem Ampel-Aus die Gesprächskanäle zur FDP nicht versiegen zu lassen.

Eingebunden gewesen war dem Vernehmen nach auch die FDP-Fraktionsspitze, die den Weg für Verhandlungen frei gemacht haben soll. Zuvor war eine weitere Zusammenarbeit von den Parteien weitgehend ausgeschlossen worden. Gespräche zwischen den ehemaligen Ampel-Koalitionspartnern am vergangenen Donnerstag und Freitag haben dann in diesem Fall zu einer Einigung geführt.

Einigung in vier Punkten

Neben der Entbudgetierung für Hausärzte soll es auch eine quartalsübergreifende Versorgungspauschale zur Be­handlung chronisch kranker Patienten geben, die keinen intensiven Betreuungsaufwand aufweisen. Beide Punkte waren bereits im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GSVG) enthalten.

Auch die FDP hatte im Dezember noch einen Antrag zur Entbudgetierung in den Bundestag eingebracht, der an sich die wesentlichen Punkte aus dem GVSG enthielt. Dieser Antrag wurde von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als „Ironie“ zurückgewiesen.

Darüber hinaus soll noch vor der Wahl die Hilfsmittelgenehmigung für Menschen mit Behinderung entbürokrati­siert werden. Bestandteil der Einigung ist auch eine wichtige Verbesserung für Frauen, die Opfer einer sexuellen Gewalttat geworden sind. Eine in diesem Zusammenhang notwendige Verordnung von Notallkontrazeptiva wird künftig ohne Altersbegrenzung von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet.

Geplant ist nun ein neuer Antrag für den Bundestag. Den Gesetzestext dafür soll das Bundesministerium für Ge­sundheit (BMG) erstellen. Der Zeitplan sieht dem Vernehmen nach vor, dass der Gesetzentwurf am kommenden Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags besprochen wer­den kann. Die 2./3. Lesung könnte dann am 30. oder 31. Januar erfolgen. Das ist möglich, weil die Aspekte inhaltlich bereits im Ausschuss behandelt worden waren.

Parlamentarier zeigen sich erfreut

Christine Aschenberg-Dugnus zeigte sich im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt zufrieden mit der Verständi­gung. „Ich bin persönlich sehr froh. Die Entbudgetierung ist ein lang gehegter Wunsch der FDP – und ich bin seit über 25 Jahren dabei“, sagte sie. Es wäre zum Ende ihrer politischen Karriere „noch ein Highlight zum Schluss“. „Aber danach sieht es ja aus“, erklärte die FDP-Politikerin.

Aschenberg-Dugnus betonte zugleich, das sei das gewesen, was „jetzt machbar ist“. Natürlich hätte man sich mehr vorstellen können. Aber man habe das Thema nicht auf die lange Bank schieben wollen. Das Thema einer neuen Regierung zu überlassen, hätte „sehr viel länger“ gedauert und wäre „nicht im Sinne der Patienten und Hausärzte“.

„Es freut mich sehr, dass wir trotz Wahlkampf noch eine parlamentarische Mehrheit für die wichtige Entbudgetie­rung der Hausärzte finden konnten“, betonte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens in einer Mitteilung. Es sei erneut ein starkes Zeichen dafür, dass demokratische Parteien trotz aller Meinungsver­schiedenheiten bündnisfähig sein könnten.

Letzte technische Details gelte es noch zu klären. Persönlich bedauerte es Baehrens, dass es nicht mehr gelungen ist, Regelung zur Stärkung der Patientenversorgung, etwa im Bereich Wundbehandlung, zu verabreden.

„Ich freue mich über die erzielte Verständigung zur Entbudgetierung der Hausärzte – ein entscheidender Schritt, der nun doch noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann“, sagte der stellvertretende gesundheits­politischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Christos Pantazis. Mit der Entbudgetierung setze man „ein gutes Signal und schaffe eine dringend notwendige Grundlage, um die unverzichtbare Arbeit von Hausärztinnen und Hausärzten zu stärken“.

„Auf den letzten Metern haben wir uns gemeinsam mit SPD und FDP auf wichtige Verbesserungen in der haus­ärztlichen Versorgung geeinigt“, erklärten heute Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Armin Grau, Mitglied im Gesundheitsausschuss, in einer weiteren Mitteilung.

„Für die Hausärztinnen und Hausärzte schaffen wir mehr Verlässlichkeit in der Vergütung und beseitigen Fehlan­reize, die gerade am Ende eines Abrechnungsquartals zu einer schlechteren Versorgung führen konnten“, betonten sie. Und auch für die Versicherten sei das angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels eine gute Nachricht.

Man bedauere allerdings, dass darüberhinausgehende Einigungen über eigentlich ausverhandelte Reformen zur Notfallversorgung, zur Entbürokratisierung und zur Digitalisierung nicht mehr möglich gewesen seien.

Kritik von Kassen, Lob von Ärzten

Bei den Krankenkassen kommt das Vorhaben nicht gut an. „Die Parteien wollen offenbar noch Wahlgeschenke verteilen“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandesvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Dass ausgerechnet die Entbud­getierung der hausärztlichen Leistungen noch in letzter Minute im Bundestag verabschiedet werden solle, sei ansonsten nicht zu erklären.

„Wir sind für die Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Aber vor dem Hintergrund knapper Ressourcen sollten die Beitragsgelder gezielt zur Verbesserung der Versorgung gerade in ländlichen Regionen eingesetzt werden“, so Elsner. Das seien keine guten Nachrichten für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber der gesetzlichen Krankenversicherung.

„Statt echte Strukturreformen in der ambulant-ärztlichen Versorgung anzustoßen, werden mit der vorgesehenen Entbudgetierung nun noch auf den letzten Metern Hunderte Millionen Euro zusätzlich verteilt“, monierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Jens Martin Hoyer. Die Beitragszahlenden habe man dabei komplett aus den Augen verloren.

„Wir sind froh, dass die Politik erkannt hat, wie kritisch die Lage in vielen Hausarztpraxen ist und wir mit unseren Argumenten durchdringen konnten“, sagte hingegen Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

„Wenn der Bundestag dem Maßnahmenpaket zustimmt, ist der erste Schritt zur Stärkung der hausärztlichen Ver­sorgung endlich getan. Klar ist aber auch, dass das nur der Anfang sein kann“, ergänzte die Bundesvorsitzende des Verbands, Nicola Buhlinger-Göpfarth. Ganz oben auf der To-Do-Liste stehe die Stärkung der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV).

Kritik übte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband an den Krankenkassen. „Wenn jetzt nicht in die hausärztliche Versorgung investiert wird, dann bricht die Versorgung Stück für Stück zusammen – und das wäre sowohl aus versorgungspolitischer als auch finanzieller Sicht katastrophal“, so Markus Beier.

„Es ist eine gute Nachricht, dass es den ehemaligen Koalitionspartnern auf den letzten Metern nun doch noch gelungen ist, sich auf eine Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen zu einigen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt.

Für die Sicherung einer stabilen, hochwertigen und auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichteten ambulanten Versorgung sei es „grundlegend, dass ärztlich erbrachte Leistungen auch vollständig vergütet werden“. Das gelte im Übrigen nicht nur für die hausärztliche, sondern auch die fachärztliche Versorgung. Vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung müsse „mindestens der Einstieg in die schrittweise Entbudgetierung fachärztlicher Leistungen sein“, so Reinhardt.

„Die hausärztliche Entbudgetierung ist richtig, nur bleibt dieser Gesetzesentwurf auf dem halben Weg stehen“, hieß es vom Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa). Dieser sprach sich erneut für die Ent­budgetierung aller Ärzte aus.

„Wenn jetzt die Entbudgetierung der Hausärzte kommt, so ist das ein Erfolg des Virchowbundes, auf den wir stolz sein können“, erklärt der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich. Der nächste Schritt müsse nun ein, auch die Fachärzte umgehend zu entbudgetieren.

Als einen „Sieg der Vernunft“ hat die stellvertretende Vorsitzende des Hartmannbundes, Anke Lesinski-Schiedat die Absicht bezeichnet, nun doch noch die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung durch den Bundestag zu bringen.

Das werde nicht nur dem enormen Druck in diesem Versorgungsbereich gerecht, sondern mache auch Hoffnung darauf, dass die Einsicht in das unbedingt Notwendige – über parteipolitische Interessen hinweg – immer noch eine Chance habe. „Unser Dank gilt deshalb all denjenigen, die pragmatisch diesen wichtigen Schritt auf den letzten Metern des alten Parlamentes noch möglich gemacht haben“, sagte Lesinski-Schiedat.

bee/may

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