Ethikratsvorsitzende gegen Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen

Berlin – Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, hält eine Coronaimpfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Deutschland für unnötig. Im ZDF-„Morgenmagazin“ wies Buyx heute darauf hin, dass der Ethikrat zwar ganz vorsichtig erklärt habe, unter bestimmten Umständen könnte man über solche berufsbezogenen, sehr eng begrenzten Impfpflichten nachdenken. „Allerdings würde ich sagen, dass diese Umstände gar nicht zutreffen“, betonte sie.
Erstens gebe es für die meisten vulnerablen – also besonders gefährdeten – Gruppen andere Möglichkeiten zum Schutz. „Und: Wir haben viel bessere Impfraten bei den unterschiedlichen Berufsgruppen als beispielsweise in Frankreich. Beim Gesundheitspersonal und bei den Lehrerinnen und Lehrern haben wir wirklich super Impfraten. Deswegen glaube ich, brauchen wir das gar nicht.“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte gestern Abend eine Impfpflicht für Personal im Gesundheitsbereich verkündet. Bis Mitte September haben Angestellte in Krankenhäusern und Pflegeheimen nun Zeit, sich impfen zu lassen. Laut Gesundheitsminister Olivier Véran darf ungeimpftes Gesundheitspersonal danach nicht mehr arbeiten und wird nicht mehr bezahlt.
In Deutschland hatte der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat eine Coronaimpfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas gefordert. „Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung“, sagte er gestern der Rheinischen Post. „Wir brauchen eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen.“ Lehrkräfte, Erzieher und Erzieherinnen sollten vor allem Kinder unter zwölf Jahren schützen, die keine Impfung bekommen könnten.
Zwar hätten Kinder selbst ein geringes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, man müsse aber weiter damit rechnen, „dass sie das Virus in ihre Familien tragen und Menschen aus Risikogruppen infizieren“, sagte der Humangenetiker. Als Beispiel nannte er der Zeitung zufolge etwa Krebspatienten in Familien, die aufgrund akuter Therapien noch gar nicht geimpft werden konnten. Diese Gruppe gelte es jetzt durch eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen zu schützen. Eine allgemeine Impfpflicht lehnte Henn aber ab.
Buyx erklärte heute, der Kollege spreche für sich. „Ich glaube nicht, dass das kommt, weil wir das wirklich nicht brauchen werden.“ Allerdings mache auch ihr die Situation der jungen Generation Sorgen. Sie verwies darauf, dass es für die 12- bis 17-Jährigen derzeit keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt und für Kinder unter zwölf noch keinen in der EU zugelassenen Impfstoff.
„Man kann ja nicht sagen, wir lassen das Virus jetzt durch diese Gruppen krachen oder wir schauen zu, wie die Schulen wieder zumachen müssen, weil da einfach völlig ungeregelte Infektionen stattfinden“, sagte Buyx. „Da muss jetzt unbedingt was passieren, um diese Gruppen auch gut zu schützen.“
Als hochriskantes Experiment bezeichnete sie die Aufhebung fast aller Coronaauflagen in Großbritannien. Klar sei: Je mehr Menschen geimpft seien, umso weniger Aussagekraft habe die Inzidenz. Aber in Großbritannien steige – trotz guter Impfquoten – auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen.
„Wir sollten da ein Stückchen zurückhaltender sein und nicht den guten Sommer dazu nutzen, wieder eine große Welle aufzubauen“, mahnte Buyx. Bisher sei immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nicht doppelt geschützt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte heute klar, dass er an seiner ablehnenden Haltung gegenüber verpflichtenden Impfungen festhält. „Ich bin gegen eine Impfpflicht“, sagte er im Deutschlandfunk. Dies gelte auch etwa für Lehrer oder Schüler. Söder begründete seine Ablehnung damit, dass eine Impfpflicht ein „starker Grundrechtseingriff“ sei.
Der CSU-Chef hält aber auch Geldzahlungen als Anreiz nicht für sinnvoll. Nicht ein Hundert-Euro-Schein müsse der größte Gewinn sein, sondern „der größte Gewinn ist Freiheit“. Geimpfte müssten mehr Freiheitsrechte haben als Ungeimpfte. Söder sprach sich dafür aus, niederschwelligere Angebote für Coronaimpfungen zu machen, etwa durch ein „Impfen to go“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: