FDP sorgt für Diskussion um Todesdefinition der Organspende

Berlin – Die FDP-Fraktion im Bundestag hat mit einem Positionspapier zur Organspende, das heute nicht abschließend beschlossen wurde, für Aufregung gesorgt. In einem Entwurf der FDP hieß es, die Partei wolle sich für eine Ausweitung der Todesdefinition als Voraussetzung für die Organspende aussprechen.
Demnach sollte zur bisherigen Regelung des Hirntods künftig auch freiwillig der Herz-Kreislauf-Stillstand eine mögliche Option für eine Organentnahme sein. Bisher muss in jedem Fall der Hirntod nachgewiesen werden.
Die FDP-Fraktion hat heute darüber aber nicht abschließend beraten. Man müsse das Thema noch ausführlicher besprechen und abwägen, als heute in der Fraktionssitzung möglich gewesen sei, hieß es. Aufgrund der zum Teil missverständlichen medialen Berichterstattung weise man darauf hin, dass das Papier nicht das Anliegen verfolge, das Todeskriterium prinzipiell zu verändern, hieß es.
Es gehe vielmehr um die Frage, Spendern über ein weiteres Feld im Organspendeausweis und -register zusätzlich die Möglichkeit zu eröffnen, nicht nur bei einer Hirntod-, sondern auch bei einer Herz-Kreislauf-Tod-Feststellung eine Organspende zu ermöglichen, wenn der Spender das ausdrücklich wünsche.
Über den Entwurf, der auch dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, hatten heute verschiedene Medien berichtet. Ziel der erweiterten Definition sei es, die in Deutschland weiterhin geringe Zahl der Organspenden zu erhöhen.
„Im Positionspapier geht es uns darum, die bereits bestehende Möglichkeit einer Organspende nach einem Hirntod durch eine zusätzliche Option zu ergänzen. Wir wollen eine selbstbestimmten Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Tod ermöglichen“, sagte FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr dem Deutschen Ärzteblatt.
Auf dem Organspendeausweis und im Register könnte ein entsprechendes zusätzliches Feld eingefügt werden, um einen Spendewunsch auch nach Herztod zu dokumentieren. „Denn für uns steht fest: Wir als FDP-Fraktion werden jeden Ansatz diskutieren, um weitere Organspender zu gewinnen. Noch immer warten zu viele Menschen vergeblich auf ein Spenderorgan“, betonte sie.
Nur wenige Patienten erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, also den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen. In Ländern wie Großbritannien, Spanien, Niederlande, Belgien, Schweiz und USA sind Organspenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand bereits erlaubt und führten zum Teil zu einem Anstieg der Organspenden.
In Deutschland dagegen gaben Mediziner oft zu bedenken, die Feststellung des Herz-Kreislauf-Todes berge ein höheres Risiko für Fehldiagnosen. Diese Einschätzung gelte bei vielen Wissenschaftlern mittlerweile als überholt, meinte heute Andrew Ullmann, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei medizinisch mit dem Hirntod gleichzusetzen.
Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) begrüßte den Vorschlag der FDP im Bundestag. „Rund 8.500 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan“, sagte Utz Settmacher, DTG-Präsident und Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Jena. In kaum einem anderen europäischen Land sei das Missverhältnis zwischen Spenderorganen und Patienten, die dringend ein neues Organ benötigten, so groß wie in Deutschland.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält von dem FDP-Vorschlag hingegen wenig. „Als Arzt und klarer Befürworter einer Widerspruchslösung halte ich doch den Hirntod für das sichere Verfahren für das Feststellen des Todes. Mit dem Hirntod sind Fehler ausgeschlossen. In Kombination mit der Widerspruchslösung würden wir viele Leben retten“, schrieb er auf X. Bei der Widerspruchslösung gilt eine Zustimmung zu einer Entscheidung als getroffen, wenn der Betroffene nicht explizit widerspricht.
In Deutschland hatte die Bundesärztekammer, die für die Frage, welche Kriterien anzulegen sind, zuständig ist, zuletzt im März 2022 die Richtlinie zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms erneuert. Diese entspricht dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zum damaligen Zeitpunkt.
Der Moraltheologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl, warnte vor übereilten Änderungen. „Ob ein Herz-Kreislauf-Tod als Kriterium für den endgültigen Tod eines Menschen ausreicht, ist durchaus umstritten“, sagte er. Wenn überhaupt, dann sei der Herz-Kreislauf-Tod als ausreichendes Todeskriterium nur unter drei Voraussetzungen legitim.
Erstens müssten etwaig ergriffene Reanimationsmaßnahmen erfolglos geblieben sein. Oder die betroffene Person müsse zweitens auf jegliche Reanimationsversuche verzichtet oder diese über eine Notfall-Patientenverfügung kategorisch verboten haben. Und drittens müsse die betroffene Person einer Organspende nach erfolgtem Herz-Kreislauftod ausdrücklich zugestimmt haben.
Damit müssten aber alle derzeit wieder aufflammenden Überlegungen zu einer Widerspruchslösung vom Tisch genommen werden, so Lob-Hüdepohl. Er befürchte, dass durch einen gewissen Graubereich des Herz-Kreislauftodes in der Öffentlichkeit eine Verunsicherung entstehe, die die Bereitschaft zur Organspende sinken lasse.
Dem könne man nur begegnen, wenn man offensiv aufkläre und an einer proaktiven Entscheidung für eine Organspende festhalte. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, man ginge leichtfertig mit dem Todeskriterien um, nur um eine prekäre Marktlage an Organe zu beheben.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf der FDP vor, mit dem Thema Hirntod auf Stimmenfang zu gehen. Dafür sei das Thema aber viel zu differenziert zu betrachten, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Der Hirntod und der Herztod nach einem nicht behandelten Herzstillstand sind nicht das Gleiche. Doch genau das suggeriert der FDP-Vorstoß.“
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