Finanzhilfen für Krankenhäuser mit vielen COVID-19-Patienten geplant

Berlin – Die Bundesregierung will Krankenhäuser finanziell unterstützen, die in der aktuellen zweiten Coronapandemie viele COVID-19-Patienten versorgen und deshalb elektive Eingriffe verschieben müssen. Das geht aus Änderungsanträgen zum dritten Bevölkerungsschutzgesetz hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen.
Konkret sollen Krankenhäuser bis zum 31. Januar 2021 Ausgleichszahlungen erhalten können, die gemäß dem Notfallstufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine erweiterte (Stufe 2) oder eine umfassende Notfallversorgung (Stufe 3) erbringen und in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit einem hohen Infektionsgeschehen liegen. Welche Krankenhäuser genau die Mittel erhalten, sollen die Bundesländer bestimmen.
Krankenhäuser der Notfallstufen 2 und 3, die vom Land bestimmt wurden, erhalten demnach Ausgleichszahlungen für 90 Prozent der freien Kapazitäten im Vergleich zur Auslastung im Jahr 2019, wenn sie in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt liegen, in denen weniger als 20 Prozent freie betreibbare Intensivkapazitäten vorhanden sind und in denen die 7-Tage-Inzidenz bei über 100 liegt. Bei Bedarf können auch Krankenhäuser aus anderen Landkreisen und kreisfreien Städten bestimmt werden.
Vom Land bestimmte Krankenhäuser, die eine Basisnotfallversorgung der Stufe 1 vorhalten, können darüber hinaus Ausgleichszahlungen für 75 Prozent der freien Kapazitäten im Vergleich zur Auslastung im Jahr 2019 erhalten, wenn sie in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt liegen, in der weniger als 10 Prozent freie betreibbare Intensivkapazitäten vorhanden sind und die 7-Tage-Inzidenz bei über 100 liegt.
„Die anderen Krankenhäuser der Region können weiterhin uneingeschränkt für die stationäre Regelversorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen“, heißt es in den Änderungsanträgen. Der GKV-Spitzenverband will den Bundesländern einen Katalog zur Verfügung stellen, in dem die einzelnen Krankenhäuser einer der drei Notfallstufen zugeordnet sind.
Reaktivierung der Freihaltepauschalen
Die Höhe der Ausgleichszahlungen soll sich wie schon in der ersten Welle der Pandemie aus Freihaltepauschalen pro nicht belegtem Krankenhausbett ergeben. Je nach Höhe ihrer Vorhaltekosten wurden die Krankenhäuser in der COVID-19-Ausgleichszahlungs-Anpassungs-Verordnung einer der fünf Stufen 760 Euro, 660 Euro, 560 Euro, 460 Euro oder 360 Euro zugeordnet.
Krankenhäuser mit hohen Vorhaltekosten erhalten dabei eine Pauschale von 760 Euro, Krankenhäuser mit niedrigen Vorhaltekosten erhalten eine Pauschale von 360 Euro.
Geht in einer Region die Auslastung der intensivmedizinischen Versorgungskapazitäten zurück und lässt die Entwicklung der 7-Tages-Inzidenz darauf schließen, dass auch die Zahl der hospitalisierten COVID-19-Erkrankten zurückgehen wird, sollen die Krankenhäuser von den Bundesländern stufenweise wieder aus der Berechtigung zum Bezug von Ausgleichszahlungen herausgenommen werden.
Regierung folgt den Vorschlägen des Beirats
Mit diesen Vorgaben folgt die Bundesregierung Empfehlungen des Expertenbeirats, der schon nach der ersten Coronapandemie die Auswirkungen der veränderten Krankenhausfinanzierung in diesem Jahr bewertet hat. Nach einem gestrigen Treffen fasste der Beirat, dem vier Vertreter der Krankenhäuser, vier Vertreter der Krankenkassen und zwei Gesundheitsökonomen angehören, seine Empfehlungen auf vier Seiten zusammen.
Darin sind auch die Hintergründe zu den Vorschlägen erklärt: „Angesichts der weiterhin hohen Zahl von Neuinfektionen ist auch für die nächsten Wochen noch mit steigenden COVID-19-Fallzahlen in den Krankenhäusern zu rechnen. Dies stellt die Krankenhäuser in den betroffenen Regionen vor erhebliche organisatorische Herausforderungen“, heißt es darin.
Die Krankenhäuser müssten sich zum einen auf die schnell wachsende Anzahl von COVID-19-Patienten vorbereiten. Zum anderen müssten sie gleichzeitig die medizinische Versorgung von Patienten mit anderen akuten und lebensbedrohlichen Erkrankungen gewährleisten.
„Im Zusammenspiel dieser beiden Anforderungen ist es notwendig, in bestimmten Krankenhäusern medizinisch nicht zwingend notwendige Eingriffe aufgrund der individuellen ärztlichen Abwägung vor Ort zu verschieben und das Personal für die Versorgung der akuten Fälle einzusetzen“, heißt es weiter. Dies führe bei den betroffenen Krankenhäusern zu Erlösrückgängen aufgrund verschobener Operationen.
Umfassende Versorgung sichern
Im Krankenhauszukunftsgesetz ist geregelt, dass die Krankenkassen den Krankenhäusern bis zum Jahresende entstandene coronabedingte Erlösausfälle refinanzieren müssen. Da diese erst 2021 wirken könnten, müsse die Liquidität der betroffenen Krankenhäuser über erneute Ausgleichszahlungen gewährleistet werden, erklärt der Beirat.
Da man jetzt mehr über die Entwicklung des Pandemiegeschehens wisse, sei es allerdings nicht mehr notwendig, wie im Frühjahr allen Krankenhäusern Freihaltepauschalen für verschobene Eingriffe und freigehaltene Betten zu zahlen.
„Vielmehr besteht zur Sicherung einer umfassenden Versorgung aller Patienten die Notwendigkeit, die Versorgungskapazitäten regional anhand der jeweiligen Infektionsraten und der Auslastung vor Ort zu steuern“, heißt es in den Empfehlungen.
Vor diesem Hintergrund ruft der Beirat die Bundesländer dazu auf, ein länderspezifisches gestuftes Verfahren zur Steuerung der Versorgung zu entwickeln und bekanntzugeben. Entsprechende Pläne gibt es bereits aus Bayern und Hessen.
Liquidität der Krankenhäuser sichern
Die Experten haben zudem weitere Maßnahmen vorgeschlagen, um die Liquidität der Krankenhäuser zu stärken. Demnach sollen die Krankenkassen auch zwischen dem 31. Dezember 2020 und dem 30. Juni 2021 die Krankenhausrechnungen innerhalb von fünf Tagen begleichen.
Zudem soll der Pflegeentgeltwert für das Jahr 2021 auf 163,09 Euro angehoben werden. Der Pflegeentgeltwert dient zur Errechnung der Pflegepersonalkosten, solange Krankenhäuser und Krankenkassen noch kein krankenhausindividuelles Pflegebudget vereinbart haben. Um die Liquidität der Krankenhäuser in der ersten Pandemiewelle zu erhöhen, war der Wert von ursprünglich 146,55 Euro auf 185 Euro angehoben worden.
Bürokratische Lasten verringern
Um die Krankenhäuser, die viele COVID-19-Patienten behandeln, von bürokratischen Tätigkeiten zu entlasten, sollen zudem Ausnahmen von der Prüfung von Strukturmerkmalen vorgesehen werden, die der Medizinische Dienst ab dem Jahr 2021 durchführt.
Der Beirat empfiehlt schließlich, dass in den Krankenhäusern, die Ausgleichszahlungen erhalten, die Pflegepersonaluntergrenzen ausgesetzt werden – in allen anderen jedoch nicht. Auch diesen Empfehlungen ist die Bundesregierung in ihren Änderungsanträgen gefolgt.
Der Beirat hat angekündigt, zeitnah weitere Vorschläge zur Weiterentwicklung der Ausgleichszahlungen nach dem 31. Januar 2021 sowie zur anschließenden eventuellen Verrechnung der Ausgleichszahlungen mit anderen Mehr- oder Mindererlösen des Jahres 2021 vorzulegen.
Krankenhausgesellschaft fordert Planungssicherheit für 2021
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die Arbeit des Beirats grundsätzlich begrüßt. „Die im Coronabeirat entwickelten Vorschläge greifen wichtige Punkte auf, sind aber noch nicht final verhandelt und benötigen ergänzende Regelungen und Entscheidungen der Politik“, kommentierte DKG-Präsident Gerald Gaß.
Die Vertreter der Krankenhäuser im Beirat hätten grundsätzlich zugestimmt, die bereits aus dem ersten Rettungsschirm bekannten Freihaltepauschalen zukünftig zielgenauer einzusetzen.
„Die im Beirat entwickelten Kriterien für diese Freihaltepauschalen, die sich an der Inzidenz der Neuinfektionen und der Belegung der Intensivbetten in einer Region orientieren, müssen so ausgestaltet sein, dass sie den verantwortlichen Behörden in den Ländern eine Orientierung für die Auswahl der Kliniken geben“, sagte Gaß.
„Eine absolute Bindung bei den Entscheidungen der Länder vor Ort und in den Regionen darf es jedoch nicht geben, da uns ansonsten Versorgungslücken sowohl bei der Behandlung von COVID-19-Patienten wie auch in der Regelversorgung drohen.“ Die Länder bräuchten auf der Basis von Kriterien Öffnungsklauseln und müssten die letzte Entscheidung über die auszuwählenden Klinikstandorte haben.
Verabschiedung für Mittwoch geplant
Absolut unbefriedigend sei, dass es im Coronabeirat keine Entscheidungen für das Jahr 2021 gegeben habe, so Gaß weiter. Der Beirat müsse jetzt sehr schnell weiter verhandeln und auch Ergebnisse erzielen, oder die Politik müsse gegebenenfalls ohne eine Empfehlung aus dem Coronabeirat die Finanzierung im Jahr 2021 regeln.
„Die Krankenhäuser brauchen Planungssicherheit und Handlungsfreiheit, um ihre Ressourcen, wie von der Politik gefordert, auf die Pandemie konzentrieren zu können“, forderte der DKG-Präsident. Es ist vorgesehen, dass das dritte Bevölkerungsschutzgesetz am kommenden Mittwoch sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat verabschiedet wird.
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