Politik

Flutjahrestag: Dank an Helfer und gemeinsames Gedenken

  • Donnerstag, 14. Juli 2022
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betrachten in der Halle des Weinguts Meyer-Näkel Fotos, die die Zerstörungen nach der Flut zeigen. /picture alliance, Thomas Frey
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betrachten in der Halle des Weinguts Meyer-Näkel Fotos, die die Zerstörungen nach der Flut zeigen. /picture alliance, Thomas Frey

Bad Neuenahr-Ahrweiler – Die Menschen in Deutschland, vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-West­falen – haben heute am ersten Jahrestag der Hochwasserkatastrophe den mehr als 180 Flutopfern gedacht. Der Dank ging heute erneut an Helfer, Einsatzkräfte und auch an die Ärzte.

„Wir bedanken uns ausdrücklich bei all den Ärztinnen und Ärzten, die direkt nach der Flutkatastrophe uner­müdlich und mit enormen Kraftanstrengungen die Versorgung der Patientinnen und Patienten in den be­trof­fenen Regionen aufrechterhalten haben“, sagte Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rhein­land-Pfalz.

Auch viele Ärzte im Ahrtal und im Trierer Raum hätten durch die zerstörerische Kraft des Wassers ihre Praxen verloren oder ihr Zuhause – und manchmal auch beides. Sie hätten trotzdem mit viel Kreativität, Flexibilität und jeder Menge Pragmatismus weiter Sprechstunde angeboten.

Sie hätten in ihren Privatwohnungen, in Garagen, im Auto, unterm Dach oder im Container provisorische Behandlungsräume eingerichtet. Manchmal hätten sie auch Unterschlupf bei Unternehmern gefunden, die ihnen in Obergeschossen ein oder zwei Räume angeboten hätten, so Matheis.

Die meisten der Praxen sind nach Angaben der Ärztekammer derzeit entkernt und werden saniert. Einige der betroffenen Ärzte hätten vor kurzem in ihre fertig renovierten Praxen zurückkehren könnne. „Doch für manche Praxen ist kein Wiederaufbau möglich.“

Matheis wies darauf hin, dass die Ärztekammer den betroffenen Ärzte regelmäßig geholfen habe. „Sowohl mit unbürokratischen Geldauszahlungen von unserem eigens eingerichtetem Spendenkonto als auch mit der Vermittlung von Sachspenden“, sagte er.

In diesem Zusammenhang danke er auch den vielen Spendern, die aus dem ganzen Bundesgebiet geholfen hätten. Er geht aber auch davon aus, dass Unterstützung noch sehr lange nötig sein wird. Die Normalität sei in den Flut-Regionen noch lange nicht zurück.

Laumann zu Besuch im SAH

Betroffen waren von der Flut auch eine Reihe von Krankenhäusern in der Region. Schlimm getroffen hatte es damals auch das St.-Antonius-Hospital (SAH) in Eschweiler. Zwei Kellergeschosse mit teuren Geräten standen unter Wasser. Das 400-Betten-Krankenhaus musste evakuiert werden. Die Intensivpatienten wurden in einer dramatischen Rettungs­aktion auf Tragen durch sieben Stockwerke nach unten gebracht und teilweise ausgeflogen.

Heute – ein Jahr später meldet das Hospital wieder „fast Normalbetrieb“. An dem mitten in Eschweiler gele­genen Krankenhaus richtete das Hochwasser 2021 einen Schaden von 120 Millionen Euro an. Inzwischen seien alle medizinischen Untersuchungen wieder möglich, meldete das Lehr­krankenhaus der RWTH Aachen.

SAH-Geschäftsführer Elmar Wagenbach betonte heute, die Arbeiten gingen voran. „Im Hauptgebäude gehen wir nun von einer Sanierungszeit von weiteren 24 Monaten aus. Dann folgen Neubaumaßnahmen, die uns etwa bis ins Jahr 2027 hinein begleiten werden.“

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (links) beim Besuch im SAH Eschweiler mit dem Kaufmännischen Direktor Daniel Brenner (/SAH/Santosi).
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (links) beim Besuch im SAH Eschweiler mit dem Kaufmännischen Direktor Daniel Brenner (/SAH/Santosi).

Karl-Josef Lau­­mann, Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, machte sich heute, wie auch bereits vor einem Jahr, ein persönliches Bild von der Situation. Er betonte, er sei heute erneut vor Ort und freue sich über das Er­reich­te.

Dank der 110 Millionen Euro aus dem Wiederaufbaufonds „Aufbau­hilfe 2021“ und des großen Engagements aller Beteiligten hätte „Außerordentliches geleistet“ werden können. „Ich möchte allen für den unermüdlichen Einsatz danken.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete die Flutka­tas­trophe als „Einschnitt in der Geschichte unseres Landes“. Die Bilder hätten sich in die Erinnerung eingebrannt. „Wir müssen uns besser auf solche Groß­schadensereignisse vorbe­reiten“, forderte Wüst laut Mit­tei­lung. Es gelte, beim Klimaschutz voranzu­kommen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam heute zunächst in das im Juli 2021 schwer getroffene Ahrtal. In Begleitung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach er beim Besuch einer wie­deraufgebauten Weinstube im teilzerstörten Winzerdorf Altenahr mit Betroffenen, Helfern und Kommunal­po­litikern. Anschließend wollte Steinmeier in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen an einem Gedenkgottesdienst für die dortigen Flutopfer teilnehmen.

Anlässlich des ersten Jahrestages der Katastrophe mahnte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungs­schutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, an, Deutschland müsse krisenfester werden – mit einer besseren Organisation und Warnung sowie sensibilisierten Bürgerinnen und Bürgern. „Wir müssen uns besser vorbereiten“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Krisenvorsorge müsse auch bei jedem Einzelnen optimiert werden - alle Menschen müssten sich fragen: „Was können wir dazu tun?“

Wichtig sei eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und der Ausbau des Warnsystems, betonte Tiesler. „Wir haben ein Sirenen-Förderprogramm beispielsweise aufgelegt, wir wollen den Warnmix verschie­de­ner Warnmittel ausbauen (...), damit eben eine Warnung effektiver bei den Menschen ankommen kann.“

Nach Einschätzung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) – einer Behörde in Rheinland-Pfalz – wird der Wiederaufbau nach der Flut in dem Bundesland noch Jahre dauern. „Ich kann sehr gut nachempfin­den, dass vielen der Wiederaufbau nicht schnell genug geht. Wir tun unser Möglichstes, um die Prozesse in unserem Verantwortungsbereich so gut zu strukturieren, wie nur möglich“, sagte ADD-Präsident Thomas Linnertz einer Mitteilung zufolge. Als Mittelbehörde zwischen Land und Kommunen unterstützt die ADD beim Wiederaufbau der Infrastruktur.

Im Interview mit den ARD-„Tagesthemen“ sagte Ministerpräsidentin Dreyer gestern Abend, sie sehe keine Veranlassung, sich im Namen der Landesregierung zu entschuldigen. „Das Ausmaß dieser Katastrophe konnte so niemand voraussehen.“ Zudem sei der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz kommunal verortet. „Wir müssen der Frage nachgehen, warum der Katastrophenschutz nicht funktioniert hat, und was müssen wir vor allem tun für die Zukunft“, so Dreyer.

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung des Ahrtals in Bad Neuenahr-Ahrweiler am Abend (17.30 Uhr) wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Gast ohne Redebeitrag erwartet. Im Kurpark der stark flutgeschädigten Kreisstadt können sich bei dem öffentlichen Gedenken bis zu 2.000 Menschen versammeln. Die Erinnerung an die Opfer soll laut Landesregierung verbunden werden mit einem „sichtbaren Signal für den Zusammenhalt und den gemeinsamen Aufbruch“.

Das Programm wird vom SWR im Fernsehen und als Livestream im Internet übertragen. Geplant sind Anspra­chen von Ministerpräsidentin Dreyer, der parteilosen Ahrweiler-Landrätin Cornelia Weigand und dem Bürger­meister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen (CDU). Auch Worte von vier Flutopfern stehen auf dem Programm.

Bei dem Hochwasser nach extremem Starkregen am 14. und 15. Juli 2021 waren mindestens 135 Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz getötet worden – 134 im Ahrtal und ein Mann in der Eifel. Zwei Menschen wer­den noch vermisst. In Rheinland-Pfalz war neben Ahrtal und vielen Gebieten der Eifel etwa auch der Ortskern von Trier-Ehrang betroffen; das Hochwasser der Kyll schädigte viele Häuser. In Nordrhein-Westfalen starben bei der Flut 49 Menschen.

Auch Deutschlands westlicher Nachbar Belgien erinnerte an die Flut. König Philippe und Königin Mathilde trafen am Donnerstag in der wallonischen Stadt Limburg auf geschädigte Geschäftsleute, Vertreter der Rettungsdienste und der Behörden, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. In der Stadt war Belga zufolge vor einem Jahr jedes dritte Haus überschwemmt. Insgesamt starben bei den Unwettern im Juli 2021 in Belgien 39 Menschen.

dpa/may

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