Gesetzesgrundlage für Coronamaßnahmen soll präzisiert werden

Berlin – Der Bundestag will noch in dieser Woche über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beraten, mit der Coronamaßnahmen auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage gestellt werden sollen.
Es gehe darum, sehr allgemeine Formulierungen in dem geltenden Gesetz für die Pandemie zu konkretisieren, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich heute in Berlin vor einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. „Durch die jetzige Konkretisierung sind wir auch der Auffassung, dass es zu einer bundeseinheitlicheren Regelung kommt.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zufolge wird es neben der bisherigen Generalklausel eine Aufzählung konkreter Maßnahmen in der jetzigen Pandemie geben.
Nach Angaben von Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) geht es konkret um 14 Punkte – etwa die Anordnung von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum, von Abstandsgeboten und Maskenpflicht sowie Beschränkungen für Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
Auch soll es um Entschädigungsregelungen gehen, etwa wenn Kinder in Quarantäne müssen. Zudem geht es um die Fragen, wie man Testkapazitäten erweitere und wie man möglichst schnell möglichst viele Menschen impfen könne, sobald ein Impfstoff vorhanden sei.
Neuer Paragraf 28a
Der jetzige Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes, der nur sehr lokale und zeitlich beschränkte Maßnahmen bei Epidemien regele, solle um einen Paragrafen 28a erweitert werden, der ganz genau beschreibe, wieweit der Bundestag Bundesregierung und Länder ermächtige, erläuterte Nüßlein.
Für eine Präzisierung der Ermächtigungsgrundlagen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) hatten sich auch Heribert Hirte (CDU), stellvertretender und kommissarischer Vorsitzender des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, und Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, stark gemacht.
Die auf Basis der Bund-Länder-Beratungen ergriffenen Maßnahmen seien zwar auch aus ihrer Sicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, allerdings seien –insbesondere auch in ersten Gerichtsentscheidungen – in den vergangenen Tagen Zweifel an einer verfassungsrechtlich ausreichenden Legitimation dieser Schritte laut geworden.
Da inzwischen mehr Erkenntnisse über die SARS-CoV-2-Pandemie vorliegen, könne man zugleich auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz des Grundgesetzes noch deutlicher Rechnung tragen. Mögliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation sicherheitshalber zu beseitigen, sei dabei ein Handeln im Sinne des Gesundheitsschutzes.
Denn sich möglicherweise sogar einander widersprechende Gerichtsentscheidungen würden das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat gefährden, welches gerade jetzt besonders wichtig sei. Angesichts einer exponentiellen Steigerung der SARS-CoV-2-Neuinfektionen, des Ausbruchs lokaler Hotspots und der drohenden Überlastung einzelner Krankenhäuser sei es erforderlich, gezielt und unverzüglich zu handeln, um die Bevölkerung wirksam zu schützen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unterstrich, dass diese Änderungen explizit für die derzeitige Coronapandemie greifen sollen. Andere Pandemien bedürften möglicherweise anderer Maßnahmen – und keine Kontaktbeschränkungen für die Bürger, erläuterte Dobrindt.
Im Übrigen seien noch einige Details der jüngsten Beschlüsse von Bundesregierung und Ministerpräsidenten zu klären, etwa wie mit den Hilfen bei Gaststättenschließungen zu verfahren sei. So sollte bei Schließungen in der Gastronomie aber auch in anderen Bereichen die Erstattung von 75 Prozent des Novemberumsatzes von 2019 möglichst unbürokratisch und schnell erfolgen. Denkbar wären Abschlagszahlungen. Er erwarte, dass das Bundesfinanzministerium diese Regelungen umgehend der Öffentlichkeit erläutere, sagte Dobrindt.
Die Union hatte die jetzt geplante Gesetzesänderung zunächst nicht für nötig gehalten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich skeptisch geäußert. SPD- und Unionsfraktion haben sich dann aber doch auf eine Überarbeitung des Gesetzes geeinigt, um vor allem Grundrechtseinschränkungen besser abzusichern.
Bereits am kommenden Freitag solle die Gesetzesänderung im Bundestag in erster Lesung beraten werden. „Wir können dann ganz schnell in die Anhörung gehen und in der nächsten Sitzungswoche Mitte November auch die entsprechenden Entscheidungen treffen“, sagte Mützenich.
Richter hatten zuvor angezweifelt, dass das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Form die weitreichenden Eingriffe in Grundrechte bei der Bekämpfung der Pandemie rechtfertigt. Auch Rufe nach einer stärkeren Beteiligung des Bundestags und der Länderparlamente an den Beschlüssen zur Bekämpfung der Pandemie hatten zuletzt zugenommen.
Zustimmung kommt aus den Ländern. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, er habe seit Monaten dafür gekämpft, dass die gesetzliche Grundlage für Coronamaßnahmen präzisiert werden. Er hatte zuletzt unter anderem dafür geworben, die Parlamente bei Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie stärker mit einzubeziehen.
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