Gesundheitsdaten: FHIR wird europaweiter Standard

Berlin – Der offene Standard Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR) soll künftig europaweiter Interoperabilitätsstandard für Gesundheitsdaten werden. Darauf hat sich das europäische eHealth Network gestern geeinigt.
„Europa spricht künftig FHIR“, hatte Sebastian Zilch, Leiter der Unterabteilung für Gematik, Telematikinfrastruktur und E-Health im Bundesgesundheitsministerium (BMG), gestern Nachmittag auf der Onlineplattform „LinkedIn“ verkündet. „Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Interoperabilität im Gesundheitswesen in Deutschland und Europa.“
FHIR ist ein Datenstandard speziell für den Austausch von Daten zwischen unterschiedlichen Systemen und Organisationen im Gesundheitswesen. Er gilt als schnell und leicht implementierbar, da er mit Ressourcen arbeitet, die mit gängigen Internetsprachen und -protokollen wie HTTP/HTTPS oder XML übertragen werden.
Entwickelt wurde er von Health Level Seven (HL7), einem internationalen Normengremium mit Hauptsitz in den USA, die sich der Entwicklung solcher Standards, Datenformate und Protokolle verschrieben hat.
Das eHealth Network ist ein freiwilliges Netzwerk, das auf der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung basiert. Die Richtlinie – die hauptsächlich die Kostenerstattung von Behandlungen gesetzlich Krankenversicherter im EU-Ausland regelt – ist bereits 2011 auch auf den Regulierungsbedarf beim Austausch von Gesundheitsdaten eingegangen.
So unterstützt und erleichtert die EU gemäß Artikel 14 der Verordnung „die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen eines freiwilligen Netzwerks, mit dem die von den Mitgliedstaaten benannten, für elektronische Gesundheitsdienste zuständigen nationalen Behörden vernetzt werden“.
Gemeinsam sollen sie Leitlinien erarbeiten, die sich unter anderem mit den Inhalten elektronischer Patientenakten (ePA) und Verfahren zur Gesundheitsdatennutzung in Forschung und Versorgung befassen. Außerdem sollen sie die Mitgliedstaaten unterstützen, gemeinsame Identifizierungs- und Authentifizierungsmaßnahmen zu entwickeln, um die Übertragbarkeit von Daten in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung zu erleichtern.
Sylvia Thun, Professorin für Digitale Medizin und Interoperabilität am Berlin Institute of Health (BIH) der Charité, griff die Nachricht über die Einigung gestern beim Klinikkongress DRG-Forum in Berlin auf: „Wir haben es geschafft“, erklärte sie freudig. Seit mehr als fünf Jahren habe sie mit zahlreichen anderen Experten im Gesundheitswesen darauf hingearbeitet, dass FHIR zum allgemeinen Standard werde. Nun habe sich gezeigt, dass sie auf das richtige Pferd gesetzt hätten.
Die Entscheidung für FHIR bringe Deutschland in eine starke Position, erklärte sie: Bei den meisten wichtigen Projekten von Medizinischen Informationsobjekten (MIO) bis hin zu DEMIS kommt FHIR bereits zum Einsatz. Auch die Industrie habe sich schon darauf eingestellt.
Zuvor hatte Thomas Renner, Leiter der BMG-Unterabteilung Digitalisierung und Innovation, fehlende Interoperabilität und mangelnde Verknüpfbarkeit verschiedener Datenquellen als eine der größten Barrieren der Datenverfügbarkeit im Gesundheitswesen beschrieben.
„Wir sehen immer noch einen Mangel an Interoperabilität, manchmal sogar zwischen verschiedenen Abteilungen desselben Krankenhauses“, erklärte er. Unter anderem mit dem geplanten Digitalgesetz sollten hier Verbesserungen herbeigeführt werden, indem beispielsweise die Verbindlichkeit von Standards, Profilen und Leitfäden erhöht und für Versicherte ein Recht auf Interoperabilität eingeführt werden soll.
Ein Kompetenzzentrum für Interoperabilität solle deshalb künftig eine zentrale, übergeordnete Instanz bilden und die Etablierung standardisierter Prozesse sicherstellen. Benannte Stellen könnten dann beispielsweise IT-Systeme gemäß standardisierter Vorgaben zertifizieren. Auch beauftragte Spezifikationsakteure wie die Gematik könnten das gemäß standardisierter Vorgaben spezifizieren.
Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz wiederum soll die Datenfreigabe weiterentwickelt werden, speziell durch eine Konzentration auf automatisiert pseudonymisierbare und strukturierte Objekte. „Wir wollen Forschungspseudonyme etablieren, um Datensilos zusammenzuführen“, sagte Renner.
Weiter solle die dezentrale Gesundheitsdatennutzungsinfrastruktur ausgebaut werden, unter anderem mit einer zentralen Zugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten, und die Datenverfügbarkeit beschleunigt werden.
„Ein lernendes Gesundheitswesen ist auf umfassende, qualitativ hochwertige, vergleichbare und zeitnah verfügbare Daten angewiesen“, sagte Renner. „Mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz wollen wir diese Verfügbarkeit von Daten deutlich verbessern.“
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