Politik

Gesundheitsminister sieht Ärzteschaft bei Digitalisierung in der Pflicht

  • Mittwoch, 9. August 2023
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Kardiologe Benny Levenson stellten sich den Fragen der zahlreichen Journalisten. /picture alliance, EPA, Joerg Carstensen / POOL
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Kardiologe Benny Levenson stellten sich den Fragen der zahlreichen Journalisten. /picture alliance, EPA, Joerg Carstensen / POOL

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht die Ärzteschaft in der Pflicht, die Digitali­sierung des Gesundheitswesens voranzutreiben. Er habe für deren Klagen bezüglich der Einführung neuer Anwendungen kein Verständnis mehr, erklärte er heute in Berlin. Anbieter von Praxis-IT, die notwendige Funktionalität nicht sicherstellen könnten, wolle er künftig „einbestellen“.

Lauterbach will nach eigenen Angaben Druck bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens machen. Die beiden jüngst vorgelegten Gesetzentwürfe dazu – das Digitalgesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennut­zungsgesetz (GDNG) – sollen leicht verspätet, aber dennoch wie geplant gemeinsam am 30. August vom Bundeskabinett beschlossen werden.

Umbau der Gematik in eigenem Gesetz

Dabei kündigte Lauterbach auch an, den Umbau der Gematik zu einer nationalen Digitalisierungsagentur in ein eigenes Gesetz auszulagern. Ziel sei, das bisher mehrheitlich bundeseigene Unternehmen zu moderni­sie­ren. „Und diese Modernisierung wird in einem eigenen Gesetz abgebildet werden.“

Einen konkreten Zeitplan für das Vorhaben könne er noch nicht nennen, „aber auch hier wird mit Tempo ge­arbeitet“. Die entsprechenden Vorarbeiten für das Gesetz würden bereits seit Monaten stattfinden.

Um für seine Vorhaben zu werben, hatte sich Lauterbach heute in Berlin bei einem PR-Termin die Erstellung eines elektronischen Rezeptes (E-Rezeptes) in einer Arztpraxis und dessen Einlösung in einer Apotheke vor­führen lassen. 2,4 Millionen E-Rezepte seien seines Wissens nach bereits erstellt und eingelöst worden, laut dem Dahboard der Gematik sind es knapp 2,7 Millionen.

Der beteiligte Arzt, Benny Levenson aus einer kardiologischen Gemeinschaftspraxis, zeigte sich zufrieden mit der Funktionsweise des E-Rezepts. Er widersprach Lauterbach aber bei der Frage nach der Verantwortung für den Rückstand bei der Digitalisierung.

„Wir haben die Hoffnung, dass nach Jahren des Stillstands in der Telematikinfrastruktur, verursacht durch Schlamperei, mit der Einführung des E-Rezepts der erste wichtige Schritt getan wird“, erklärte er. Nicht funk­tionierende Konnektoren oder elektromagnetisch aufgeladene eGK, die die Kartenlesegeräte zum Absturz brachten waren nur zwei Beispiele, die er nannte.

Es sei allerdings auch nur der erste Schritt, betonte er: Es handele sich beim E-Rezept immer noch um ein teildigitales Verfahren. Wenn neue Patienten auf Papier ausgedruckten Medikamentenplänen in die Praxis kämen, müssten diese nach wie vor händisch von den medizinischen Fachangestellten in den Computer eingegeben und dann von dem Arzt aus der Medikamentendatei zusammengesucht werden, was der Patient verordnet bekommen soll.

Deshalb brauche es eine Weiterentwicklung durch die elektronische Patientenakte (ePA) – nur mit ihr ge­mein­sam ergebe die Umstellung auf das E-Rezept wirklich Sinn. „Das ist wirklich überfällig und extrem drin­gend, gerade in dieser schwierigen Personalsituation, die wir in allen Praxen in Deutschland haben“, erklärte Levenson. „Nicht nur die Pflegekräfte in den Krankenhäusern fehlen, sondern auch die Mitarbeiterinnen in den Arztpraxen.“

Minister kritisiert Ärzteschaft

Auch Lauterbach verwies auf den langen Verzug, den es nun aufzuholen gelte. Die ersten Gesetze zur Digitali­sie­rung seien vor 20 Jahren gekommen. „Ich habe daher kein Verständnis dafür, dass ich aus der Ärzteschaft immer wieder höre, es sei noch zu früh“, erklärte er. „Natürlich gibt es am Anfang immer etwas Ruckelei, aber wir können jetzt nicht so weitermachen wie bisher. Die Bedenkenträgerei muss enden.“ Das elektronische Re­zept funktioniere, die ePA werde es auch.

Er verstehe ja die Wünsche der Ärzte, dass alles von Anfang an hundertprozentig funktioniert, versicherte Lauterbach. „Das klappt aber bei keiner Software, auch außerhalb des Gesundheitssystems nicht. Nach 20 Jahren Zeitverzug müssen wir jetzt den Spaten drehen und das alles scharf stellen.“

Es sei falsch, dass die Ärzteschaft Vorbehalte gegen diese Neuerungen hätte, widersprach ihm Levenson kurz darauf: „Wenn Sie sich das Gesundheitswesen und die Geschichte der Medizin anschauen, sind die Ärzte die Treiber der Innovation. Die Blockierer sitzen an ganz anderen Stellen.“

Vielmehr sei es den Ärzten stets darum gegangen, dass das System sicher sei und die Arbeit in den Praxen nicht durch Ausfälle, Abstürze oder ähnliche Probleme beeinträchtigt würde – „wo alles ohne großen Zeit­aufwand vernünftig funktioniert“, sagte er. „Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.“

Lauterbach ließ dabei von seinem Kurs nicht ab, sondern legte nach: Er erwarte von der Ärzte- und der Apo­thekerschaft, „dass sie diese wichtige Innovation, die Medikamente sicherer macht, die den Patienten hilft und darüber hinaus die Arbeitsabläufe vereinfacht, nicht blockiert, sondern dass sie mitzieht“, sagte er. „Das ist eine Art der Modernisierung, die die Ärzteschaft und die Apothekerschaft schuldet. Dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen.“

IT-Anbieter einbestellen

Sanktionen gegen Ärzte seien außerdem nur vorgesehen, wenn sie selbst die Verantwortung für Verzögerun­gen trügen – nicht, wenn die Technik nicht funktioniere. Diese Fälle gebe es durchaus, die Vielfalt der IT-Anbieter in den Arztpraxen und Apotheken habe in der Vergangenheit aber immer gut funktioniert.

„Sollte es mit einzelnen IT-Anbietern Probleme geben, dann werden wir diese Hersteller einbestellen. Denn es kann nicht sein, dass das System nicht funktioniert, weil einzelne Anbieter hier einfach die Modernisierung nicht schaffen“, erklärte Lauterbach. Er glaube aber, dass die derzeitige Anbietervielfalt bestehen werde.

lau

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