Politik

Hecken: Notwendige Qualitätssicherung darf nicht reduziert werden

  • Mittwoch, 30. April 2025
/Dilok, stock.adobe.com
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Berlin – Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, hat die Selbstverwaltung dazu aufgerufen, die Qualitätssicherung (QS) effizienter zu machen – und für den Erhalt notwendiger Qualitätssicherungsmaßnahmen zu kämpfen.

„Ich nehme wahr, dass diejenigen in Deutschland im Augenblick die Oberhand haben, die unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus die Qualitätssicherung reduzieren wollen“, sagte Hecken gestern auf einem Symposium anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Qualitätssicherheit und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) in Berlin. Dies habe durch den Koalitionsvertrag neues Feuer bekommen.

Er lese dort von überbordender Bürokratie, die allerdings nicht weiter differenziert werde, sagte Hecken. So stehe dort nichts von Qualitätssicherungsmaßnahmen, die unabdingbar notwendig seien.

Er lese auch, dass man darüber diskutieren solle, ob es bei den Sicherstellungskrankenhäusern Ausnahmen für die Qualitätsvorgaben der Krankenhausreform geben solle. „Ich frage mich, ob das mit dem Recht der Patienten auf eine einigermaßen gleichwertige Versorgung in der Fläche vereinbar ist“, so Hecken.

Patienten besser steuern

Hecken warnte auch davor, die Mindestmengenregelung aufzuweichen, über die der G-BA Mindestmengen für bestimmte Leistungen festlegen kann. Er berichtete von einer Verfassungsklage gegen die Mindestmengenregelung, die derzeit von fünf Bundesländern vorbereitet werde.

Darin werde dem G-BA vorgeworfen, durch die Mindestmengenregelung in die Krankenhausplanung der Länder einzugreifen. Vordergründig gehe es dabei um die Krankenhausplanung, so Hecken. Eigentlich gehe es jedoch um den Kern der Qualitätssicherung. „Und bei den Mindestmengen haben wir einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Menge und dem Outcome“, betonte Hecken.

Dies bestätigte der Versorgungsforscher Jochen Schmitt vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. In der WiZen-Studie habe im Jahr 2022 gezeigt werden können, dass Krebspatientinnen und -patienten höhere Überlebenschancen hätten, wenn sie in Zentren erstbehandelt würden, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert worden seien.

Dennoch würden nach wie vor viele Krebspatienten in Krankenhäusern versorgt, die keine Zertifizierung hätten. Bei den Darmkrebspatienten liege diese Zahl bei über 50 Prozent. „Dabei gibt es knapp 300 Krankenhäuser, die eine Zertifizierung erhalten haben“, so Schmitt. „Es ist also ein Problem der Steuerung der Patientinnen und Patienten in die richtigen Häuser.“

Bei anderen Krebserkrankungen gebe es mittlerweile eine ganz gute Konzentration der Leistungen, so Schmitt weiter. So würden 81 Prozent der Patienten mit einem Prostatakarzinom in zertifizierten Kliniken operiert. Würden alle Krebspatienten in zertifizierten Kliniken versorgt werden, könnten pro Kalenderjahr etwa 20.000 Lebensjahre gerettet werden, meinte Schmitt.

Hecken forderte mehr Transparenz und eine bessere Kommunikation im Bereich der Qualitätssicherung. „Die Bürger müssen verstehen, dass jemand, der sich schützend vor ein 30-Betten-Haus wirft, eine Gesundheitsgefährdung der Patienten in Kauf nimmt“, betonte er.

„Wir müssen die Menschen darüber aufklären, dass Qualitätssicherung kein Selbstzweck ist. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben.“ Zudem bedürfe es eines Paradigmenwechsels, um die QS-Verfahren schlanker zu machen. Und es müsse das Ziel der Qualitätssicherung sein, Ergebnisqualität wissenschaftlich sauber darzustellen.

Bürokratie abbauen

Der Leiter des IQTIG, Claus-Dieter Heidecke, zeigte sich zuversichtlich, dass der Dokumentationsaufwand im Bereich der Qualitätssicherung mithilfe neuer Daten reduziert werden kann. „Mit der Kombination aus verschiedenen Datenquellen stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Zeit, aus der sich ein völlig neues Qualitätsbild entwickeln kann, das sowohl die Ergebnisse von Outcome-, Prozess-, und Registerdaten zusammenführt“, sagte Heidecke.

Die Tatsache, dass zum Beispiel Routinedaten einfach da seien, stelle eine riesige Chance für die QS dar, aber auch eine Herausforderung angesichts der gigantischen Datenmengen. Vor diesem Hintergrund forderte er, das System nicht mit immer neuen und komplexeren Pseudonymisierungen und Datenschutzansprüchen weiter zu verkomplizieren. „Hier sind der Gesetzgeber und die untergesetzlichen Normengeber gefordert, Bürokratie abzubauen“, so Heidecke.

Ein weiteres Aufgabenfeld des IQTIG sei der Bundesklinikatlas, der den Patienten beim Finden des richtigen Krankenhauses helfen soll. Der Start des Atlasses sei holprig gewesen, so Heidecke. Bis heute seien die Inhalte auch keineswegs so vollständig, wie sie sein könnten. Dennoch habe der Atlas das Potenzial, seine Rolle künftig noch zu erfüllen.

Nach einer Satzungsänderung des IQTIG sei der Bundesklinikatlas nun zu einer Aufgabe des Instituts geworden. „Die Qualitätsdaten könnten sehr zeitnah auf dem Atlas abgebildet werden“, meinte Heidecke. „Die Datengrundlage hierzu ist fertig.“ Dafür bedürfe es aber Haushaltsmittel aus dem Bundeshaushalt.

Das IQTIG wurde im Jahr 2015 als zentrales Institut für die gesetzlich verankerte Qualitätssicherung im Gesundheitswesen gegründet. Das Institut entwickelt hauptsächlich im Auftrag des G-BA Indikatoren, mit denen die Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland gemessen werden kann.

fos

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