Politik

Impfkommission offenbar vor personeller Neubesetzung

  • Donnerstag, 23. November 2023
Thomas Mertens, bisheriger Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) spricht während einer Pressekonferenz. /picture alliance, David Young
Thomas Mertens, bisheriger Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) spricht während einer Pressekonferenz. /picture alliance, David Young

Neu-Ulm – Bei der Ständigen Impfkommission (STIKO) stehen offenbar größere personelle Neubesetzungen an. Der bisherige Vorsitzende, der Ulmer Virologe Thomas Mertens, verwies auf Anfrage heute auf Auskünfte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu einer geplanten Änderung der Geschäftsordnung. Zuvor berichteten die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Augsburger Allgemeine und weitere Medien.

Mertens zufolge soll die Amtszeit der Mitglieder auf drei Amtszeiten begrenzt werden. Würde dies bereits für die nächste Kommission umgesetzt, würden nach Angaben der Internetseite der Ständigen Impfkommission elf Mitglieder ausscheiden. „Es wäre eine Über­legung wert, ob so ein abrupter Wechsel im Sinne der STIKO das Beste ist.“

Derzeit ist das Gremium mit 17 teils langjährigen Mitgliedern besetzt. Bereits drei Amtsperioden oder länger da­bei sind neben Mertens (seit 2004) Christian Bogdan (seit 2011), Ulrich Heininger (seit 2001), Eva Hummers (seit 2011), Thomas Ledig (seit 2011), Martina Littmann (seit 2014) und Martin Ter­hardt (seit 2011).

Das gilt auch für Marianne van der Sande (seit 2011), Rüdiger von Kries (seit 1998), die der­zeitige stellvertreten­de STIKO-Vorsitzende Sabine Wicker (seit 2011) und Fred Zepp (seit 1998). Sie könnten nach den neuen Plänen aus dem BMG nicht mehr in der STIKO vertreten sein.

Verbleiben könnten demnach dann theoretisch noch sechs der derzeitigen Mitglieder. Das wären Jörg Meerpohl (seit 2017), Marianne Röbl-Mathieu (seit 2017), Klaus Überla (seit 2017), Gudrun Widders (seit 2017), Ursula Wiedermann (seit 2020) sowie Gerd-Dieter Burchard (seit 2017). Burchard scheidet aber auf eigenen Wunsch aus.

Auch Mertens hatte – unabhängig von den Entwicklungen bereits im Herbst 2022 angekündigt, für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Seit 2017 hatte er den Vorsitz des Gremiums inne. Vor wenigen Tagen endete die aktuelle Arbeitsperiode des unabhängigen Beratungsgremiums. Neue Mitglie­der sind noch nicht vom BMG benannt worden.

Der Pädiater Martin Terhardt sorgt sich bei der Neubesetzung darum, dass keine ambulant tätigen, impfenden Ärzte und impfen­den Pädiater mehr in die STIKO berufen werden. „Das wäre ein großes Manko und ein großer Verlust für die STIKO“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, man bereite die Neuberufung der STIKO vor. Der jetzi­ge Berufungszeitraum laufe turnusmäßig im Februar 2024 aus. Die STIKO habe insbesondere im Rahmen der Coronapandemie Höchstleistungen vollbracht und arbeite national und international auf hohem Niveau.

Das Ministerium danke insbesondere Mertens stellvertretend für die gesamte STIKO für hervorragende Arbeit. Bei den Grundprinzipien wie der Anbindung an das Robert-Koch-Institut (RKI), der Unabhängigkeit von politi­scher Einflussnahme und der ehrenamtlichen Mitgliedschaft soll es bleiben. Eine Amtsperiode der ehrenamtlich tätigen STIKO-Mitglieder dauert üblicherweise drei Jahre. In der Coronapan­demie war sie zuletzt um ein Jahr verlängert worden.

Mertens sagte, dass er während der Pandemie mehrfach darüber nachgedacht habe, sein Amt niederzulegen –nach dem Motto „wie dumm muss man eigentlich sein, um so viel Ärger unbezahlt in Kauf zu nehmen“. Er habe Hunderte hässliche Mails erhalten und sei beim Einkaufen oder auf der Straße angepöbelt worden. „Ich war schon erschüttert, wie viel Unwissenheit, Dummheit und Bösartigkeit in dieser Zeit auf mich einge­prasselt sind.“

Dabei habe Deutschland die Pandemie trotz aller Unkenrufe recht erfolgreich gemeistert, sagte Mertens. Das habe auch an der vergleichsweise hohen Anzahl an Krankenhäusern und Intensivbetten gelegen. Als gesell­schaftlich problematisch wertete der Mediziner insbesondere die Kontaktsperren für Kinder und Senioren.

Das größte Problem war nach Mertens' Ansicht die Kommunikation während der Pandemie. Viele Politiker habe er als nicht gerade hilfreich empfunden. „Da wurde nicht auf Basis von wissenschaftlichen Daten argumentiert. Da ging es darum, politischen Handlungswillen zu demonstrieren, das eigene Profil zu schärfen oder politischen Druck zu entwickeln.“

Es seien teilweise schwer erträgliche Beschlüsse gefasst worden – „etwa, wenn anfangs schnelle Impfungen von Kindern gefordert wurden, aber gleichzeitig gesagt wurde, dass der Bund keine Haftung übernimmt“.

dpa/kna/may

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