Inventur für Coronavakzine zeigt Mangel zu Jahresbeginn auf

Berlin – Eine Impfstoffinventur auf das Vakzin gegen SARS-CoV-2 hat einen Mangel für das erste Quartal des kommenden Jahres ergeben. Das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mitgeteilt. Er betonte, das habe viele überrascht. „Mich auch“, sagte der SPD-Politiker in den ARD-„Tagesthemen“. Er arbeitet nach eigenen Worten bereits daran, den Mangel zu beseitigen.
„Ich hoffe, dass ich da in den nächsten Tagen eine positive Botschaft übermitteln kann.“ Bemühungen liefen über alle Kanäle, auch direkt zu Unternehmen, es müsse alles EU-konform sein. „Wir müssen hier Geschwindigkeit gewinnen“, sagte Lauterbach.
Auf die Frage im ZDF-„heute journal“, ob der Mangel auf ein Versäumnis des Lauterbach-Vorgängers Jens Spahn (CDU) zurückzuführen sei, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), es sei jetzt nicht die Frage, wo was bestellt worden sei. „Sondern die Frage ist, wie können wir noch mehr beschaffen.“
Lauterbach hatte schon am Nachmittag in einer Sitzung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern gesagt, dass von der Vorgängerregierung zu wenig Impfstoff beschafft worden sei. „Die Mengen reichen nicht, um die Boosterimpfkampagne zu fahren“, wurde der Minister zitiert. Dies gelte für das gesamte erste Quartal. Im Januar würden nur rund 1,2 Millionen Impfdosen von Biontech für Boosterimpfungen zur Verfügung stehen, hieß es. Dies sei etwa ein Sechstel der vorherigen Menge.
Doch wie viele Extra-Dosen werden wann und wofür gebraucht? Primär gehe es darum, die ersten Wochen im Januar vernünftig zu gestalten, erläuterte das Ministerium– dann aber auch das ganze erste Quartal.
Und in den Planungen zusammengebracht werden sollen mehrere, teils neue Aspekte: Weiterhin breit angelegte Auffrischimpfungen mit Blick auf die neue Omikron-Virusvariante, aber auch Nachschub für die schon beschlossene erste Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen sowie eine mögliche allgemeine Impfpflicht.
Die Regierung treibt in der Pandemiebekämpfung als zentralen Baustein eine große Impfkampagne voran. Dies liegt neben der massiven vierten Welle auch an der sich ausbreitenden, hochinfektiösen Omikron-Variante. Lauterbach hatte nach seinem Amtsantritt angekündigt, sich einen Überblick über die vorrätigen Impfstoffmengen zu verschaffen.
Die Union wehrt sich heute gegen die indirekten Vorwürfe, es sei nicht genügend Impfstoff vorhanden. „Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen – obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt“, schreibt Tino Sorge, neuer gesundheitspolitische Sprecher der Union im Bundestag, in einer aktuellen Information zur Boosterkampagne an die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. So hätten Bund und Länder eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Impfkampage zu beschleunigen.
Anfang Dezember hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) noch eine Aufstellung bis zum Jahresende gemacht. Demnach konnte nach Verhandlungen mit dem Hersteller Moderna eine Lieferung von zehn Millionen Dosen aus dem dritten Quartal 2022 auf Dezember vorgezogen werden.
Dies entspricht 20 Millionen „Booster“-Dosen, da bei Moderna dafür eine halbe Dosis gespritzt wird. Zudem sollten acht Millionen Moderna-Dosen zusätzlich im Dezember kommen – weil die Abgabe zugesagter Dosen an andere Länder über die internationale Initiative Covax langsamer läuft.
Nachjustiert werden sollten auch Lieferungen des Impfstoffes von Biontech. Nach einer Vereinbarung mit dem Hersteller könne ein Teil der wochenweise aufgeteilten Lieferungen für Dezember vorgezogen werden, erläuterte das Ministerium Anfang Dezember.
Nach 2,9 Millionen Dosen in der kommenden Woche könnten die Lieferungen an die Impfstellen in der Woche vom 13. Dezember dadurch auf fünf Millionen Dosen aufgestockt werden. Die Menge der Folgewochen sich dann aber entsprechend reduzieren, hieß es aus dem Ministerium. Wie genau diese Folgen für das kommende Jahr aussehen, hatte das BMG aber nicht ausführlicher beleuchtet.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sprach heute von einem „fatalen Signal“ an alle, die mit vollem Einsatz die Pandemie bekämpften. „Wir haben in Deutschland gerade Rekordtempo beim Impfen in den Praxen erreicht“, sagte Gassen. „Es darf doch nicht wahr sein, dass im Land der Impfstoffentwicklung zu wenig Impfstoff gekauft wurde.“
Gassen mahnte Transparenz und die schnelle Beschaffung von Impfstoffen an. „Es kann nicht sein, dass die wöchentliche Impfstoffauslieferung ein Glücksspiel ist, bei dem die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen nie wissen, ob sie das erhalten, was sie auch bestellt haben“, erklärte er.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, hat sich fassungslos gezeigt. „Wenn man das hört, bleibt einem der Mund offen stehen“, sagte Reinhardt im Deutschlandfunk. Es sei völlig unvorstellbar, dass die Logistik in einem Land wie Deutschland nicht funktioniere. „Ich bin etwas sprachlos angesichts der Nachricht.“
Reinhardt räumte ein, dass sich die Empfehlungen zu den Impfabständen zuletzt mehrfach verkürzt hätten, so dass mehr Impfstoff in kürzerer Zeit gebraucht werde. Trotzdem sei es völlig unverständlich, dass man nach so vielen Monaten der Pandemie nicht in der Lage gewesen sei, genügend Impfstoff auf Halde zu legen.
Bundesregierung kauft zusätzliche Dosen
Wie heute am späten Nachmittag bekannt wurde, will die Bundesregierung für rund 2,2 Milliarden Euro zusätzliche Corona-Impfstoffe kaufen. Davon sollen 80 Millionen Dosen von Biontech über EU-Verträge und weitere 12 Millionen Dosen durch direkten Kauf beschafft werden, wie das Gesundheitsministerium nach Bewilligung der Mittel durch den Haushaltsausschuss des Bundestags mitteilte.
Ressortchef Lauterbach sagte: „Für schnelle Booster-Impfungen und mögliche Omikron-Impfungen benötigen wir schnell mehr Impfstoff.“ Er sei Finanzminister Christian Lindner (FDP) und dem Ausschuss dankbar, dass sie dies möglich machten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: