KBV-Vertreterversammlung plädiert für weniger Aktionismus der Politik

Berlin – Weniger Aktionismus seitens der Politik und mehr vertragsärztliche Expertise bei der Bekämpfung der Coronapandemie: Die Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben für mehr Sachlichkeit bei der Bekämpfung der Pandemie geworben.
„Die Pandemie ist kein Spielball für politische Ambitionen“, erklärte heute die Vorsitzende der Vertreterversammlung (VV), Petra Reis-Berkowicz, zum Auftakt der September-Sitzung. „Wir brauchen mehr Gelassenheit und keinen ungezielter Aktionismus.“ Dazu gehöre auch, dass das ungezielte Testen beendet werden müsse. „Die Labore leisten Großartiges, die Praxen auch. Was fehlt ist das Material für die Tests“, so die Allgemeinmedizinerin.
Viele VV-Mitglieder forderten in der Debatte, dass wenn es tatsächlich zu einem Pandemierat käme, auch die Vertragsärzte einen Sitz darin haben müssen. „Wir als KV-System brauchen einen Sitz, denn nur wir können den organisatorischen Rat geben“, erklärte beispielsweise Jörg Berling, stellvertretender Vorsitzender der KV Niedersachsen. Im Land habe man seit März 45 Testzentren aufgebaut, im Juni wieder geschlossen und durch die Verordnung zu den erweiterten Tests für Reiserückkehrer diese Zentren zum Teil wieder geöffnet.
Dieses Hin und Her dürfe es nicht noch einmal geben, so die einhellige Meinung. Andere setzten sich dafür ein, dass es unbedingt bundesweit ähnliche Vorgehensweisen beim Testen geben müsse und nicht jedes Land eigene Szenarien entwickle. Auch die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) müssten hier viel stärker auf die Machbarkeit in Arztpraxen überprüft werden, hieß es.
Auch Werner Baumgärtner schilderte in der VV seine Erfahrungen in seiner Praxis in Baden-Württemberg, die seit März „eine Corona-Praxis“ sei. „Ich mache da seitdem täglich Abstriche, das war zu Beginn ohne Schutzausrüstung nicht lustig.“ Er setzte sich vehement dafür ein, auch weiterhin intensiv zu testen, bei den Hygieneregeln nicht nachzulassen und den „Lockdown“ nicht zu kritisieren. „Ich habe da eine klare Position, ich bin aktiv in der Patientenversorgung tätig.“
Aus der KV Hessen kam die Forderung, möglichst zügig bis zum Ende der Grippesaison die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wieder einzuführen. „Damit können wir den normalen Schnupfen aus der Praxis halten“, so Eckhard Starke, stellvertretender Vorsitzender der KV Hessen.
Viel Kritik erntete auch der Vorschlag der Bundesländer, künftig Vorgaben zur Organisation und zur Ausbildung des Personals für Fieber- und Abstichzentren sowie Praxen machen zu wollen. Dies ging aus einem Papier der Amtschefs der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hervor. Die Vorschläge sollen am 24. September auf einer regulären Sitzung der Ländergesundheitsminister diskutiert werden.
Viele Mitglieder der VV mahnten, dass sich alle noch einmal bei ihren Landesgesundheitsministern einsetzen müssen, damit diese Regelung keinen Eingang in einen Beschluss der Länder findet. „Es darf nicht in die Organisation unserer Praxis eingegriffen werden“, erklärt Johannes Fechner aus Baden-Württemberg.
Des weiteren warnten die Vertreter der Psychotherapeuten vor einer Aufweichung des Datenschutzes und mahnten Sorgfältigkeit bei der Verordnung von digitalen Versorgungsangeboten wie die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) an.
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