Kinderschutzbund fordert rasches Notprogramm für Kinderstationen

Berlin – Als Reaktion auf die akute Bettenknappheit in Kinderkliniken hat der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) ein „rasches finanzielles Notprogramm“ gefordert. Der Mangel in der Kindermedizin sei „sehr dramatisch“, sagte Verbandspräsident Heinz Hilgers dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorgestern. Er sei „wirklich entsetzt, dass man es so weit hat kommen lassen“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich für eine Verlegung von Personal auf die Kinderstationen aus.
Hilgers sprach von einem „Gefühl völliger Ohnmacht“ und einer „großen Krise“. Er führte die aktuelle Notlage auf eine „jahrzehntelange Vernachlässigung“ durch die Politik zurück. Aufgrund des akuten Fachkräftemangels könne diese Krise „kurzfristig nicht bewältigt werden“. Der Kinderschützer fordert deshalb ein „rasches finanzielles Notprogramm“ mit besseren Abrechnungsbedingungen für die Krankenhäuser.
Hilgers kritisierte, dass der Verband seit Jahren vor einer solchen Überlastungssituation in den Kinderkliniken und -arztpraxen eindringlich gewarnt und Verbesserungen angemahnt habe – ohne Erfolg.
Viele Kinderstationen können derzeit keine oder kaum mehr Patienten aufnehmen. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) legte dazu vergangene Woche Zahlen vor: Auf den Kinderintensivstationen gab es an diesem Tag aktuell insgesamt nur noch 83 freie Betten – das waren 0,75 pro Klinik.
Jede zweite Klinik habe berichtet, dass sie in den vergangenen 24 Stunden mindestens ein Kind nach Anfrage durch Rettungsdienst oder Notaufnahme nicht für die Kinderintensivmedizin habe annehmen können.
Lauterbach appellierte an die Kliniken, Personal auf die Kinderstationen zu verlegen. Zwar könne nicht jede Pflegekraft komplizierte Kinderpflege übernehmen. „Trotzdem können sie dort entlasten, das bestätigen die Kinderkliniken“, schrieb der Minister gestern im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Zugleich bekräftigte Lauterbach die bereits angekündigten Hilfen für die Kinderkliniken. Kinderkliniken am Existenzminimum „brauchen mehr Geld, um notwendiges Personal und Material zu bezahlen“, betonte er.
Für die Finanzierung der Kindermedizin sollen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in den Jahren 2023 und 2024 jeweils 270 Millionen Euro entnommen werden. Auch soll die Kindermedizin nach den Plänen des Gesundheitsministeriuns zum großen Teil aus dem Fallpauschalensystem herausgenommen werden.
Der aktuelle Notstand in der Kindermedizin infolge einer Welle an Atemwegsinfektionen hat nach Ansicht des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) gravierende Risiken für die jungen Patienten. „Es ist tatsächlich so, dass im Moment die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und auch das Leben ordentlich gefährdet sind“, sagte Bundessprecher Jakob Maske heute dem Deutschlandfunk.
Die Pläne Lauterbachs zur Stärkung der pädiatrischen Versorgung hält Maske erst einmal für in Ordnung. Insgesamt seien 300 Millionen Euro aber „nicht so wahnsinnig viel Geld“. In den Plänen werde aber auch nur die klinische Medizin bedacht und nicht die ambulante. Die ambulanten Kinder- und Jugendmediziner behandelten aber 85 bis 90 Prozent der Erkrankten.
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