Krankenhausärzte verbringen täglich drei Stunden mit Bürokratie

Berlin – Deutschlands Krankenhausärzte sind pro Arbeitstag durchschnittlich mit knapp drei Stunden an Dokumentationstätigkeiten beschäftigt. Das ergab eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI).
Dieser Wert (2,9 Stunden) gilt für Ärztinnen und Ärzte, die in Allgemeinkrankenhäusern arbeiten. Für Mediziner, die in Psychiatrien tätig sind, ergeben sich ähnliche Zeiten.
Pflegekräfte sind demnach rund 2,7 Stunden pro Arbeitstag mit Bürokratie beschäftigt, in der Psychiatrie fällt dieser Wert für Pflegende geringer aus. An der Umfrage nahmen 98 Psychiatrien und 225 Allgemeinkrankenhäuser ab 50 Betten im Zeitraum vom 24. bis zum 29. Juli teil.
Bei einer Betrachtung von durchschnittlich etwa 40 Stunden Wochenstunden, wäre ein Krankenhausarzt demnach zu 36 Prozent seiner Arbeitszeit mit Bürokratie beschäftigt. Für die Ärzte in der Psychiatrie wären es umgerechnet 33 Prozent.
Gerechnet auf die gesamt tätigen Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern (165.000 im Jahr 2022), wären demnach mehr als 59.000 Ärzte nur mit Dokumentationsaufgaben ausgelastet, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß heute bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Bei den Pflegekräften (insgesamt knapp 343.000 im Jahr 2022) würden der Rechnung zufolge mehr als 116.000 Vollkräfte mit bürokratischen Aufgaben komplett geblockt sein.
Wenn die bürokratischen Aufgaben um eine Stunde täglich reduziert werden könnten, würden 21.600 ärztliche Vollkräfte freigesetzt werden, ergänzte Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).
Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Peter Bobbert, erklärte die Bürokratie, sei „eine Gefahr für uns alle“. Dies könne man sich nicht mehr leisten. „Sie kostet Geld und Freude an unserem ärztlichen Beruf und sie kostet Arbeitskraft“, so Bobbert.
Derzeit würden jeder Arzt und jede Ärztin benötigt und wenn man sie von einer Stunde Bürokratie täglich entlasten könne, schaffe man von heute auf morgen mehr als 21.000 Ärzte. „Wir suchen neue Ärztinnen und Ärzte und finden sie in der Entbürokratisierung“, sagte er im Hinblick auf den Fachkräftemangel.
Keine Qualitätsstandards absenken
„Bürokratie belastet nicht nur die Patientenversorgung, sondern ist auch extrem kostenintensiv“, erklärte dazu auch Gaß. Die Krankenhäuser seien in einer finanziell extrem schwierigen Lage, da müsse man die Kliniken und das Personal von überflüssigen Regulierungen befreien.
Diese Maßnahmen würden die Krankenkassen zudem kein Geld kosten, betonte Gaß. Es gehe ihm nicht darum, Qualitätsstandards abzusenken, sondern bürokratische Vorgaben zu reduzieren, die keinerlei Auswirkung auf die Patientenversorgung hätten oder diese sogar schädigen würden.
Die DKG habe entsprechende Vorschläge zum Bürokratieabbau erarbeitet und diese dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur Verfügung gestellt, erklärte Neumeyer. Es fehle nach wie vor ein Bürokratieentlastungsgesetz für den Gesundheitsbereich, bemängelte sie.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Anfang November vergangenen Jahres angekündigt, dass ein Entwurf für ein Entbürokratisierungsgesetz im Gesundheitswesen noch vor Weihnachten 2023 vorgelegt werden sollte. Bislang ist dies allerdings nicht geschehen, es liegen zudem noch keine Eckpunkte für ein solches Vorhaben vor.
Ein Beispiel zur Reduktion von Bürokratie sei etwa, Redundanzen von Prüfungen des Medizinischen Dienstes (MD) zu vermeiden, schlug Neumeyer vor. So müssten Krankenhäuser oftmals in verschiedenen Verfahren ähnliche Anforderungen dokumentieren. Hier könnte man Vorgaben reduzieren und Gültigkeiten von Prüfzyklen verlängern, um die Prüfverfahren zeitlich zu entzerren.
Sammelanträge und länger Abstände zwischen den Prüfungen
Zudem brauche es ein praktikableres Verfahren, um die Durchführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu beantragen, erklärte Neumeyer. Für 2024 hätten Krankenhäuser für 982 verschiedene Verfahren einzelne Anträge stellen müssen, um entsprechende Methoden anwenden zu dürfen.
Mehr als 120.000 Einzelanträge hätten die Kliniken gestellt. 2019 waren dies bei 709 Verfahren noch etwa 60.000 Anträge. Diese Entwicklung ist zwar auch positiv zu betrachten, da mehr neue Methoden zur Verfügung stehen, so Neumeyer.
Allerdings sorgten die Einzelanträge für eine deutliche Bürokratiebelastung. Stattdessen müsste es etwa Sammelverfahren geben, an denen sich die Krankenhäuser anschließen könnten, schlägt Neumeyer vor. Zudem sollten die Anträge nicht jährlich wiederholt werden müssen.
Auch Bobbert betonte, man brauche Strukturprüfungen des MD. Wichtig sei aber die Frage, wie man diese durchführe. Er kritisierte sich doppelnde Prüfungen, die Kliniken innerhalb kurzer Zeit stemmen müssten. Er forderte Lauterbach auf, Wort zu halten und die Strukturen im Gesundheitswesen mutig zu überprüfen. „Für jede neue Bürokratie muss alte weichen“, betonte Bobbert.
Zentrales Register benötigt
Sinnvoll wäre etwa eine Art zentrales Register, in dem Daten wie etwa Arztnummern gespeichert werden könnten. Krankenhäuser sollten künftig Veränderungen mitteilen, anstatt regelmäßig die gleichen Daten übermitteln zu müssen, schlug Bobbert zudem vor.
Die Krankenhausreform sieht eine Einführung einer Datenbank vor, die der Medizinische Dienst Bund betreiben solle. Darin sollen Prüfergebnisse und Mitteilungen gebündelt werden. Zudem sollen laut aktuellem Stand der Krankenhausreform künftig stichprobenartige Prüfungen statt Einzelfallprüfungen erfolgen.
Ganz ähnliche Ergebnisse wie die Umfrage des DKI habe auch eine Umfrage der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz aus dem vergangenen Jahr gezeigt, erklärte Andrea Bergsträßer, die Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz und Pflegedirektorin im Westpfalzklinikum.
Demnach sei der zweit häufigste genannte Grund der Arbeitsbelastung in der Pflege ein hoher Verwaltungsaufwand. 73 Prozent der Befragten hätten dies als besondere Belastung angegeben, so Bergsträßer. 39 Prozent der Befragten sehen demnach den Dokumentationsaufwand als Grund für einen Arbeitsplatzwechsel oder sogar den Berufsausstieg, so Bergsträßer. „Angesichts des jetzigen Pflegemangels ist das ein großes Problem für unsere Gesellschaft“, erklärte Bergsträßer.
Der Marburger Bund hatte seine Mitglieder 2022 ebenfalls zur Bürokratiebelastung befragt. Die Umfrage ergab damals, dass rund ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte täglich mit mehr als vier Stunden Bürokratie beschäftigt sind. 2013 waren es einer älteren MB-Umfrage zufolge acht Prozent, die erklärten, hierfür mehr als drei Stunden zu brauchen.
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