Politik

Krankenhausreform: finale Änderungen bekannt, Beschluss soll kommende Woche folgen

  • Dienstag, 8. Oktober 2024
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, Mitte), Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen (re.) und Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. /picture alliance, Fabian Sommer
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, Mitte), Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen (re.) und Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. /picture alliance, Fabian Sommer

Berlin – Die Bundestagsabgeordneten der Ampelfraktionen haben sich auf finale Änderungsanträge für die Krankenhausreform geeinigt. Große Änderungen am Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsge­setzes (KHVVG) soll es nicht mehr geben.

Stattdessen gibt es einige kleinere Veränderungen. Krankenhäuser sollen etwa an der fachärztlichen ambulan­ten Versorgung teilnehmen können. Das geht aus den Anträgen hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen. Diese sind noch nicht ressortabgestimmt. Erste Änderungsanträge hat es bereits Mitte September gegeben.

Die Vorhaltefinanzierung von 60 Prozent der gesamten stationären Betriebskosten und die 65 Leistungs­grupp­en sollen wie bisher geplant umgesetzt werden, erklärte heute Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor der Presse.

Auch die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zur wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung sollen wie geplant kommen. Die Beratungen zwischen Regierungsfraktionen und dem Bundesgesundheits­ministerium (BMG) haben „letzte Details“ klären können, erklärte er weiter.

Damit kann sich der Gesundheitsausschuss im Bundestag am 16. Oktober final mit dem Gesetzentwurf des KHVVG befassen und das Parlament kann das Gesetz beschließen. Kommenden Donnerstag oder Freitag soll der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschieden, kündigte Lauterbach heute an. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 22. November mit der Krankenhausreform beschäftigen.

Bis zum Bundestagsbeschluss dürfte die lange angekündigte Auswirkungsanalyse allerdings nicht vorliegen. Das Instrument für eine Folgeabschätzung der Reform sei in Vorbereitung, kündigte Lauterbach stattdessen zum wiederholten Male an. Das sorgte heute für erneute Kritik der Länder.

Die mehr als 50 Änderungsanträge seien keine Kritik an der geplanten Reform, sondern würden zeigen, dass eine „echte Weiterentwicklung im parlamentarischen Verfahren gelungen sei“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens.

Damit löse die Ampelregierung ihr Reformversprechen ein, das sie im Koalitionsvertrag von 2021 angekündigt habe, erklärte auch der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen. Andrew Ull­mann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, zeigte sich zuversichtlich, dass die Reform die jetzi­gen Fehlanreize reduzieren werde und dass die Versorgung durch das Gesetz verbessert werden könne.

Eine wichtige, neue Änderung sei, dass einige Krankenhäuser künftig auch an der fachärztlichen ambulanten Versorgung teilnehmen können, erklärte Lauterbach. Das betreffe unterversorgte Regionen. Dieses Angebot richte sich an sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, Sicherstellungshäuser sowie Bundeswehr­krankenhäuser, erklärte er weiter. Hintergrund sei, dass Krankenhäuser aushelfen müssten, wenn die fachärzt­liche Versorgung in unterversorgten Regionen nicht gewährleistet werden könne.

In den Änderungsanträgen heißt es dazu: „Der Zulassungsausschuss muss sektorenübergreifende Versorgungs­einrichtungen und Sicherstellungskrankenhäuser zur jeweiligen fachärztlichen Versorgung ermächtigen, wenn in der jeweiligen Arztgruppe keine Zulassungssperre besteht.“

Zuvor gelte eine neunmonatige Frist für die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), alle Zulassungsmöglich­keiten durch den Einsatz von Vertragsärztinnen und -ärzten auszuschöpfen und damit eine Zulassungssperre herbeizuführen, heißt es darin weiter.

Die Ermächtigung der Krankenhäuser können vom Zulassungsausschuss entzogen werden, wenn die Vertrags­ärzte alle Zulassungsmöglichkeiten selbst ausschöpften. Bundeswehrkrankenhäuser sollen zudem bedarfs­unabhängig zur ambulanten Versorgung ermächtigt werden.

Herausnahme bestimmter Kliniken aus dem DRG-System

Auch sollen Krankenhäuser künftig an der ambulanten Versorgung für Kinder teilnehmen dürfen. Instituts­am­bu­lanzen sollen damit dauerhaft für die vertragsärztliche Versorgung ermächtigt werden, erklärte Baehrens.

Diese Ermächtigung pädiatrischer Krankenhäuser zur ambulanten Versorgung soll sich aber nur auf Patientin­nen und Patienten beschränken, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung auf eine pädiatrische Spezialambulanz angewiesen sind.

Zudem werde das Selbstkostendeckungsprinzip für manche Kinderkliniken sowie für Kliniken, die Menschen mit Behinderungen betreuen, eingeführt, betonte Minister Lauterbach. Das hatte er bereits vor einigen Wochen angekündigt. Dafür soll es keine zeitliche Befristung geben, geht aus den Änderungsanträgen hervor.

Zur Sicherstellung der stationären somatischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird zudem die Möglichkeit geschaffen, dass Krankenhäuser, die quantitativ eine entsprechende besondere Bedeutung haben, auf Antrag des Krankenhauses als besondere Einrichtung aus dem Vergütungssystem ausgenommen werden können. Die Ermittlung, welche Krankenhäuser diese Möglichkeit in Anspruch nehmen können, soll jährlich durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) erfolgen.

Dafür sind den Anträgen zufolge insbesondere folgende Kriterien wichtig: „Ein Krankenhaus muss im Kalender­jahr in mindestens 75 Prozent seiner vollstationären somatischen Fälle Kinder und Jugendliche behandelt ha­ben und einen Mindestanteil von 0,5 Prozent an der vollstationären somatischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen bundesweit aufweisen.“

Für die Festlegung der relevanten Fälle werden Kinder und Jugendliche als Patienten mit einem Alter bei Aufnahme von mindestens 28 Tagen und unter 18 Jahren definiert. Neugeborene mit einem Alter unter 28 Tagen werden nicht berücksichtigt, da für die Geburtshilfe andere Förderungen vorgesehen seien.

Konzept zur ärztlichen Personalbemessung im Gesetz enthalten

Geplant ist zudem erstmals die Einführung eines ärztlichen Personalbemessungssystems. Die Selbstverwaltung wird in Abstimmung mit der Bundesärztekammer verpflichtet, bis zum 31. März 2025 ein Konzept zur Ermitt­lung einer bedarfsgerechten Ausstattung in Krankenhausabteilungen vorzulegen.

Dabei sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden: Tauglichkeit des Instrumentes für eine bundesweite Ein­führung in verschiedenen Typen von Krankenhäusern und in deren unterschiedlichen Abteilungen, Qualität der anhand des Instrumentes erhobenen Daten und ihre bundesweise Vergleichbarkeit, Eignung zur Einbeziehung als Qualitätskriterium, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Vergabe von Leistungsgruppen an Kran­kenhäuser, Einführungs- und Nutzungsaufwand für die Krankenhäuser, Möglichkeiten einer digitalisierten und automatisierten Datenerhebung, um den Aufwand zu reduzieren.

Das Bedarfsbemessungsinstrument soll in einer repräsentativen Auswahl an Kliniken getestet werden. Das BMG soll in einem weiteren Schritt dazu ermächtigt werden, eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der Vorga­ben zur Ermittlung des einzusetzenden ärztlichen Personals festgelegt werden sollen.

Zudem soll per Verordnung auch die Einhaltung einer bedarfsgerechten personellen Zusammensetzung fest­geschrieben werden können. Ziel des Vorgehens sind langfristig gute Arbeitsbedingungen für das ärztliche Personal, die Patientensicherheit zu fördern sowie das Niveau der Ausstattung mit ärztlichem Personal als Qualitätskriterium nutzen zu können, heißt es in den Änderungsanträgen.

Diese Regelung entspricht der Forderung der Bundesärztekammer ein ärztliches Personalbemessungsinstru­ment, wie die BÄK es bereits in den vergangenen Jahren entwickelt hat, im Rahmen der Krankenhausreform flächendeckend einzusetzen.

Keine flächendeckende Finanzierung der Weiterbildung geplant

Auch zur Finanzierung der Weiterbildung gibt es neue Regelungen. Lauterbach hatte Mitte September ange­kündigt, finanzielle Anreize für Kliniken, die Weiterbildung anbieten, mit der Krankenhausreform einführen zu wollen.

Nun sollen die Selbstverwaltungspartner bis zum 31. Dezember 2025 prüfen, ob „für eine sachgerechte Finan­zierung der mit der ärztlichen Weiterbildung an Krankenhäusern verbundenen Mehrkosten Zu- oder Abschläge zu den DRG-Fallpauschalen erforderlich sind“, heißt es in den Änderungsanträgen.

Sollten Zu- oder Abschläge erforderlich sein, sollen diese möglichst in Abhängigkeit von Qualitätsindikatoren für die Weiterbildung abgerechnet werden. Weiterbildungsinitiativen sollen über den Transformationsfonds gefördert werden können, erklärte Lauterbach heute.

Im Zuge der Weiterentwicklung der Leistungsgruppen im Frühjahr soll darüber hinaus eine „besondere Vergü­tung für die Häuser, die an der Weiterbildung intensiv teilnehmen“ kommen, erläuterte er weiter. Eine flächen­deckende Finanzierung der Weiterbildung ist damit allerdings zunächst nicht vorgesehen.

Neu ist auch, dass die ursprünglich geplante Regelung von Stichprobenprüfungen statt Einzelfallprüfungen hinsichtlich der Abrechnungen wieder gestrichen worden ist. Vor allem Krankenkassen hatten diese Änderung kritisiert und befürchteten steigenden Kosten.

Anstelle der bestehenden Einzelfallprüfung soll das Prüfquotensystem entbürokratisiert werden, heißt es nun im Änderungsantrag. „Dafür wird der bisher prozentual, in Abhängigkeit vom Anteil der beanstandeten Rech­nungen, zu ermittelnde Aufschlag in einen pauschalen Aufschlag umgewandelt.“

Weiter haben die Regierungsfraktionen in die Anträge einen erweiterten Evaluationsauftrag für die geplante Vorhaltefinanzierung aufgenommen. Das hatte heute auch der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen erklärt. So soll nach Inkrafttreten des Gesetzes geprüft werden, ob es sich bewährt hat, für alle Leistungsgruppen den gleichen Anteil der Vorhaltefinanzierung (60 Prozent) anzuwenden oder ob es eine Differenzierung bräuchte.

Nachhaltigkeit als Aspekt für Vergabe von Fördermitteln

Neu ist zudem, dass die Bundesländer künftig bei der Vergabe von Fördermitteln an Kliniken auch die Energie­effizienz und Aspekte der Klimaschonung zu beachten haben. Diese Ergänzung diene der Klarstellung, dass eine zukunftsgewandte wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser maßgeblich auch durch Energieeffizienz und Klimaresilienz zu erreichen sei, heißt es in der Begründung der neuen Regelung.

Für die erste Berechnung der Vorhaltepauschalen in den Jahren 2026 bis 2028 werden zudem das Betriebser­gebnis und die Fallzahlen als Durchschnitt der Jahre 2023 und 2024 ermittelt. Damit sind die Ampelfraktionen auf einen weiteren Kritikpunkt, der in der Anhörung der Sachverständigen im Gesundheitsausschuss betont worden ist, eingegangen.

Denn mit dieser Regelung werde verhindert, dass Krankenhäuser im Vorfeld der Einführung der Vorhaltever­gütung gezielt ihre Fallzahlen steigern, um eine höhere Vorhaltevergütung zu erzielen. Zugleich werde ein Absinken der Vorhaltevolumina gegenüber dem Durchschnitt dieser Referenzjahre vermieden.

Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben etwa in Versorgungsnetzwerken sollen den Änderungsanträgen künftig nicht nur wie ursprünglich geplant Universitätskliniken, sondern auch Maximalversorger übernehmen dürfen, ist eine weitere neue Regelung. Außerdem gibt es weitere kleinere Änderungen bei den Vorgaben zu personeller und technischer Ausstattung der 65 Leistungsgruppen.

cmk

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