Politik

Krankenhausreform: Länder fordern vor erster Lesung Erhalt gewachsener Strukturen

  • Mittwoch, 26. Juni 2024
/picture alliance, Lukas Barth
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Berlin – Die aktuelle Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Kerstin von der Decken, hat um­fassende Änderungen am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gefordert, um gewachsene Versorgungsstrukturen in den Bundesländern nicht zu zerstören.

Der Kabinettsentwurf des KHVVG enthalte starre Vorgaben für ganz Deutschland, die gute Versorgungsange­bote in den Ländern zunichtemachen würden, sagte die Gesundheitsministerin des Landes Schleswig-Hol­stein heute vor Journalisten in Berlin anlässlich der morgigen ersten Lesung des KHVVG im Bundestag.

Sie kritisierte, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) keine der Änderungswünsche, die alle 16 Bun­desländer gemeinsam formuliert hätten, in den Kabinettsentwurf aufgenommen habe. „Das ist sehr unüblich“, so von der Decken.

Zwischen Bund und Ländern gebe es keinen Dissens, dass eine Krankenhausreform notwendig sei. „Auch bei den Zielen sind wir uns alle einig“, sagte die Ministerin. „Wir brauchen eine Zentralisierung von planbaren Eingriffen an einzelnen Orten, bei gleichzeitig in der Fläche funktionierender Grund- und Notfallversorgung.“

Es sei allerdings unumgänglich, vor der Verabschiedung der Reform eine Auswirkungsanalyse zu erstellen, um zu verstehen, wie das KHVVG die Krankenhauslandschaft in Deutschland verändern werde.

Regelungen für Fachkliniken

Zudem bedürfe es praxisnaher Regelungen für die geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtun­gen, in denen sowohl stationäre als auch ambulante Leistungen erbracht werden sollen, sowie für Fachklini­ken.

Fachkliniken würden im KHVVG kaum erwähnt, so von der Decken. Nach dem aktuellen Entwurf des KHVVG müssten sie noch zusätzlich eine Abteilung für Innere Medizin, eine Abteilung für Chirurgie und eine Inten­sivmedizin vorhalten. „Das ist nicht umsetzbar“, betonte von der Decken. „In der Konsequenz müssten Fach­klini­ken also schließen.“

Darüber hinaus bedürfe es einer Übergangsfinanzierung, die insbesondere die infolge der Inflation gestiege­nen Kosten für die Krankenhäuser ausgleiche – damit keine bedarfsnotwendigen Krankenhäuser schließen müssten, bis die Reform überhaupt greife.

Kooperationen erhalten

Insbesondere kritisierte von der Decken, dass Kooperationen zwischen Krankenhäusern durch die Vorgaben im KHVVG unmöglich gemacht würden, da Leistungen an einem einzigen Standort erbracht werden müssten.

Der Geschäftsführer der Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide, Martin Blümke, nannte Beispiele. „Einmal in der Woche kommen Spezialisten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein zu uns an den Standort Heide, um herzchirurgische Leistungen zu erbringen“, sagte er. „Für unsere Patientinnen und Patienten ist das ein großer Gewinn.“ Mit dem KHVVG in seiner jetzigen Form wäre das nicht mehr möglich, weil Leistungen nur an einem Standort erbracht werden dürften.

„Wir unterstützen ein Krankenhaus in Nordfriesland im Bereich der pädiatrischen Versorgung, da es zwar eine große und wichtige Geburtshilfe hat, aber keine eigene Kinderklinik“, fuhr Blümke fort. „Die Kollegen aus Heide kommen dafür nach Nordfriesland und erbringen die entsprechenden Leistungen dort, damit Mutter und Kind nicht zu uns gebracht werden müssen.“ Auch diese Kooperation wäre gefährdet, weil die Abrech­nung dieser Leistungen am Standort in Nordfriesland nicht möglich wäre.

Effekte auf die Strukturen nicht vorhersehbar

Blümke kritisierte, dass die Auswirkungen der Krankenhausreform auf die Strukturen derzeit nur schwer abzu­sehen seien. „Die eigentliche Idee war ja eine Reform der Krankenhausvergütung“, so Blümke. Die im KHVVG enthaltenen entsprechenden Regelungen seien jedoch so formuliert, dass niemand mehr durchblicke.

„Keiner kann zurzeit sagen, wie die Vergütung am Ende ausgestaltet sein wird“, kritisierte Blümke. „Keiner kann die Effekte vorhersehen, die die Vorgaben auf die Strukturen haben werden. Kein Krankenhausge­schäftsführer kann deshalb planen, wie er künftig vergütet wird. Das ist ein echtes Problem.“

Und solange die Vorgaben des Bundes nicht festständen, könnten die Krankhäuser auch keine eigenen strukturellen Veränderungen vornehmen. Das Hauptproblem sei dabei ohnehin, dass man die Fachkräfte nicht wie auf einem Schachbrett von einem Standort in den anderen verschieben könne. „Wir machen uns Sorgen, dass wir gelebte und qualitativ hervorragende Kooperationen verlieren könnten, die in Schleswig-Holstein seit vielen Jahren laufen“, so Blümke.

Sorge um sektorenübergreifende Einrichtungen

Darüber hinaus kritisierte er, dass die im KHVVG vorgesehene Finanzierung sektorenübergreifender Versor­gungseinrichtungen nicht ausreiche, um entsprechende Einrichtungen zu finanzieren. „Wir haben unseren Standort in Brunsbüttel mit etwa 100 Betten in den letzten Jahren in eine sektorenübergreifende Einrichtung ausgebaut“, erklärte Blümke.

„An dem Standort haben wir neben einer stationärer Versorgung mit Notfallversorgung ein Medizinisches Versorgungszentrum, niedergelassene Ärzte und Gesundheitsberufe wie Ergotherapeuten. Ich habe die Sorge, dass sich eine solche Einrichtung mit dem KHVVG künftig nicht mehr finanzieren lässt.“

Blümke forderte für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen eine einheitliche Finanzierung, die auch die Vorhaltung einer Notaufnahme ermöglicht: „Es wäre schön, wenn wir uns von der kleinteiligen Finanzierung verabschieden könnten und hier eine Gesamtbudgetsystematik bekommen.“

„Es ist noch genug Zeit“

Von der Decken äußerte sich abschließend optimistisch, dass die Forderungen der Bundesländer im parla­men­tarischen Verfahren noch in das Gesetz aufgenommen werden. „Wir stehen jetzt ganz am Anfang des Ver­fahrens“, sagte sie. „Es gibt noch genug Zeit und Gelegenheit, unsere Forderungen aufzunehmen.“

Sollte sich im parlamentarischen Verfahren nichts am Gesetzentwurf ändern, würden die Länder den Ver­mittlungsausschuss anrufen. „Das ist aber erst der zweite Schritt“, so von der Decken. „Einfacher, schneller und effektiver ist es, die notwendigen Änderungen im Bundestag zu erreichen.“

fos

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