Krankenhausreform: Länder drohen mit Vermittlungsausschuss

Berlin – Wenn die Hauptforderungen der Länder zur Krankenhausreform im parlamentarischen Verfahren nicht berücksichtigt werden, werde der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen. Das kündigte heute die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) nach einer Bund-Länder-Runde an.
Sie hofft nun auf das parlamentarische Verfahren. „Es ist noch zu früh, den Kopf in den Sand zu stecken“, erklärte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) heute.
Die Länder hätten fristgerecht und geeint ihre Stellungnahme mit Änderungsforderungen zum Gesetzentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) Ende April eingereicht. „Und zu unserer großen Enttäuschung ist keine einzige dieser Änderungsforderung in den Gesetzentwurf aufgenommen worden“, beklagte von der Decken.
Die Krankenhausreform sieht eine Einführung von 65 Leistungsgruppen vor. Diese sollen die Qualität der Versorgung durch bundeseinheitliche Kriterien zur Sach- und Personalausstattung verbessern. Die Kliniken müssen die Kriterien erfüllen, um Leistungen einer bestimmten Leistungsgruppe erbringen und abrechnen zu können.
Darüber hinaus soll es eine Vorhaltefinanzierung geben, die die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) zu 60 Prozent ablösen. Die Finanzierung und Leistungsgruppen sollen voneinander abhängig sein. Als dritte Änderung sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (vormals Level-1i-Kliniken) geplant, die als kleine Krankenhäuser eine Schnittstelle der ambulanten und stationären Versorgung bilden sollen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe den Ländern heute dargelegt, welche ihrer Forderungen akzeptabel seien und welche abgelehnt würden, erklärte von der Decken. „Was wir heute gehört haben, ist aus Ländersicht relativ enttäuschend“, sagte die Ministerin weiter. Unter den abgelehnten Forderungen befänden sich die Hauptforderungen der Länder, etwa mehr flexible Möglichkeiten zur Planung von Leistungsgruppen. Dazu gehörten auch mehr Möglichkeiten zur Kooperation von Kliniken.
Grund- und Notfallversorgung in ländlichen Regionen sicherstellen
Von der Decken sorgt sich um die Grund- und Notfallversorgung im ländlichen Raum. Dort gebe es teils bereits heute schon zu wenig Fachpersonal. Zu hohe Qualitätsanforderungen im Rahmen der Leistungsgruppen, die nicht erfüllt werden könnten, würden die Versorgung nicht verbessern, sagte sie auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes. Ausnahmemöglichkeiten bei den Leistungsgruppen würden die Länder nicht ausnutzen wollen, sondern zum Wohle der Bevölkerung einsetzen, betonte sie.
Zudem habe Lauterbach die von den Ländern geforderte Anpassung der geplanten Änderungen der Vergütungssystematik abgelehnt. Die Länder fordern hinsichtlich der Finanzierungsreform eine stärkere Berücksichtigung der kleineren Krankenhäuser.
Zustimmung habe Lauterbach bei Kleinigkeiten gegeben, so von der Decken. Fristen für Prüfungen des medizinischen Dienstes sollten etwa erweitert werden, das könnte zum Bürokratieabbau beitragen. Zudem habe er sich auch damit einverstanden gezeigt, die Länder im Ausschuss zur Vorbereitung der geplanten Rechtsverordnungen zu beteiligen. Diese sollen kommendes Jahr nach dem Gesetz in Kraft treten und die geplanten Leistungsgruppen weiterentwickeln.
Bundesländer stehen „16:0“ zusammen
Von der Decken zeigte sich optimistisch, dass möglichst viele der Länderforderungen über Änderungsanträge im parlamentarischen Verfahren in das KHVVG einfließen werden. Vor der Sommerpause soll noch eine erste Lesung im Bundestag stattfinden.
Wenn keine Einarbeitung der Hauptforderungen der Länder erfolge, werde es im Bundesrat zum Vermittlungsverfahren kommen, sagte sie. „Das kann schnell gehen, wenn man sich einigt. Es kann aber auch länger dauern.“ Bei dieser Frage stünden die Bundesländer „16:0“ zusammen. Dies sei bemerkenswert. Die Ministerin hofft aber, dass dies nicht nötig sein werde. Sie bekräftigte, dass die Länder die Krankenhausreform wollen und brauchen.
Auch das Thema Auswirkungsanalyse der Reform stand heute auf der Agenda. Lauterbach habe zugesichert, dass im September alle Voraussetzungen vorliegen würden, um diese durchzuführen. Der Minister hatte bereits angekündigt, dass der Grouper zur Verknüpfung der geplanten Leistungsgruppen mit den DRG im September fertiggestellt sein werde.
Von der Decken betonte, es sei unverantwortlich, ein solch großes Reformgesetz ohne eine Prüfung der Auswirkung auf die Krankenhauslandschaft durchzuführen. Sie hoffe auf schnelle Erkenntnisse. Diese sollten sich auch auf den Gesetzestext auswirken, so von der Decken. Lauterbach selbst äußerte sich heute nicht nach der Bund-Länder-Runde.
SPD-Fraktion gegen Ausnahmen bei Qualitätskriterien
Gegenwind zu den geforderten Ausnahmekriterien der Länder kam heute bereits aus dem Bundestag. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis betonte, es brauche die bundeseinheitlichen Qualitätskriterien in der medizinischen Versorgung „trotz wohlwollender Prüfung möglicher Ausnahmen bei Mindeststrukturvorgaben“. Die Qualitätskriterien blieben elementarer Bestandteil der Reform, denn sie seien für die Sicherheit der Gesundheit von Patientinnen und Patienten von zentraler Bedeutung.
„Insbesondere der revolutionäre Kern dieser tiefgreifenden Krankenhausreform in Form von sektorenverbindenden Versorgungseinrichtungen bietet die Chance, eine qualitativ hochwertige Versorgung in Flächenländern sicherzustellen“, sagte Pantazis. Die Einsicht dieser Notwendigkeit müssten Bund und Länder erkennen, um konstruktiv zusammenzuarbeiten und die Reform voranzutreiben.
Zur konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern rief die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, auf. Es brauche keine Reform um jeden Preis mit hohen Mehrausgaben, die nach dem Gießkannen-Prinzip auf eine nicht mehr zeitgemäße Krankenhausstruktur verteilt würden.
„Stattdessen müssen jetzt die richtigen Weichenstellungen für die Weiterentwicklung der deutschen Krankenhäuser erfolgen. Sie sollten zudem schneller und konsequenter umgesetzt werden als bisher im KHVVG vorgesehen. Dazu sollten auch die notwendigen Konkretisierungen in den dafür vorgesehenen Verordnungen zeitnah getroffen werden“, sagte Reimann.
Planungssicherheit gefordert
Sie sprach sich für Planungssicherheit und eine solide Finanzierung mittels Vorhaltepauschalen für die Kliniken aus. Diese sollten unabhängig von der Zahl der behandelten Fälle bezahlt werden und sich am Bedarf der Bevölkerung ausrichten, so Reimann. Auch sie betonte: „Die Qualität der Behandlung darf in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern nicht auf der Strecke bleiben, indem jetzt fragwürdige Kompromisse geschlossen werden.“
Auch der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, bemängelte: „Die Debatte kreist derzeit nur noch darum, Krankenhäuser unabhängig vom tatsächlichen Versorgungsbedarf zu erhalten und die finanzielle Belastung der Länder zu minimieren.“ Die notwendigen Strukturveränderungen für mehr Spezialisierung und damit einhergehend einer Qualitätsverbesserung für die Patientinnen und Patienten seien im politischen Kompetenzgerangel aus dem Blick geraten.
„Für eine bessere Qualität in der Krankenhausversorgung brauchen wir dringend eine bessere Arbeitsteilung zwischen den Häusern und eine stärkere Spezialisierung bei komplexen Eingriffen“, so Baas. Die ursprünglich anvisierten Qualitätsziele seien in der Diskussion in den Hintergrund gerückt. Dabei sollte im Fokus der Reform die bestmögliche Versorgung der Menschen stehen. Der Bund dürfe sich die Zustimmung der Länder nicht durch Abstriche bei den einheitlichen Qualitätsvorgaben erkaufen.
Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands, hofft nun auch auf die Regierungsfraktionen. Diese sollten Lauterbach zum Einlenken bringen. Das politische „Geschacher“ des Ministers halte die Kliniken in absoluter Unsicherheit, was die Zukunft bringen werde. „Die Regierungsfraktionen im Bundestag dürfen das Gesetz in der vom Kabinett beschlossenen Form nicht einfach durchwinken“, fordert Rümmelin.
Die Krankenhäuser bräuchten endlich Planungssicherheit und eine Perspektive. „Dazu gehört neben einem wirksamen Inflationsausgleich die Aussicht auf eine Finanzierungsreform, die den bedarfsnotwendigen Standorten die tatsächlichen Vorhaltekosten refinanziert. Ein ‚Fallpauschalen-System light‘, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, wird die Kliniken vom ökonomischen Druck jedenfalls nicht entlasten“, so Rümmelin.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) stellte sich erneut hinter die Bundesländer und betonte, die Kritikpunkte der Länder entsprächen auch denen der Praktiker aus den Kliniken. „Das reformierte Vergütungssystem muss so gestaltet sein, dass wir von einer echten fallzahlunabhängigen Vorhaltevergütung reden können“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.
Die geplante Vorhaltefinanzierung sichere nicht die Existenz der bedarfsnotwendigen kleinen Krankenhausstandorte, und sie fördere nicht die Konzentration hochkomplexer Behandlungen an Zentren, so Gaß. Er wies zudem auf eine benötigte Entbürokratisierung in den Kliniken hin. Die Reformvorschläge würden die Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte aber noch weiter belasten und den Fachkräftemangel verschärfen, warnte Gaß.
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