Kritik am Kassenvorstoß zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin
Berlin – Scharfe Kritik am Vorstoß des GKV-Spitzenverbands bezüglich einer Neuordnung der Weiterbildung Allgemeinmedizin üben unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, bezeichnete jüngst strukturelle Veränderungen bei der Ausgestaltung der ärztlichen Weiterbildung und bei der Kapazitätsplanung als „dringend erforderlich“. Der Verband verwies dazu auf ein von ihm beim IGES Institut in Auftrag gegebenes Gutachten. Demnach sind Länder mit starken, langfristig ausgerichteten gesundheitspolitischen Steuerungsinstrumenten erfolgreicher bei der Aufgabe, die für die Versorgung der Bevölkerung erforderliche Zahl von Allgemeinärztinnen und -ärzten weiterzubilden.
Zu den denkbaren Instrumenten gehören laut Gutachten zum Beispiel die bereits im Studium viel stärkere Betonung der Allgemeinmedizin, die Verankerung der Weiterbildung an allgemeinmedizinischen Instituten wie in Belgien und den Niederlanden oder auch die auf langfristigen Prognosen basierende Festlegung der Anzahl von Weiterbildungsplätzen für die Allgemeinmedizin beziehungsweise die übrigen Fachrichtungen.
„Allein die Ärztekammern tragen auf Grundlage der Heilberufe- und Kammergesetze mit Ihrer Expertise aus allen Versorgungsbereichen Verantwortung für den Inhalt, die Durchführung und die Struktur der ärztlichen Weiterbildung, speziell auch in der Allgemeinmedizin“, betonte diesbezüglich Henrik Herrmann, Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der BÄK und Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein.
Dazu gehöre, dass sich BÄK und Landesärztekammern konzeptionell damit befassen, wie die Weiterbildung an neue gesellschaftliche und demografische Herausforderungen angepasst werden kann. In diesem Sinne werde man sich auch mit den Vorschlägen der Krankenkassen befassen. Allerdings sei schwer vorstellbar, dass sie die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft liefern. Die Vorschläge liefen auf eine Lenkung der Weiterbildung durch Staat und Kostenträger hinaus und beschränkten junge Ärztinnen und Ärzte in der Wahl ihrer Facharzt-Weiterbildung – dies widerspreche dem Gedanken der ärztlichen Weiterbildung in einem freien Beruf.
Rahmenbedingungen entscheidend
Zudem komme es nicht nur auf die Förderung der Weiterbildung an, sondern entscheidend auch auf die Attraktivität der Rahmenbedingungen für die hausärztliche Versorgung. „Die aktuellen Proteste niedergelassener Ärztinnen und Ärzte zeigen, wie groß die Probleme an dieser Stelle sind. Wenn sich hier nichts ändert, werden auch Quotierungen und Zwangsmaßnahmen, wie sie der GKV-Spitzenverband jetzt fordert, eher kontraproduktiv sein“, warnte Herrmann.
„Der GKV-Spitzenverband schwelgt offenbar in längst vergessen geglaubter zentraler staatlicher Planungsfantasie“, bewertete Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, den Vorstoß. Viele der Vergleichsländer litten trotz staatlicher Lenkung und Bewirtschaftung der Weiterbildung unter massiven Nachwuchsproblemen. „Was passiert, wenn der Staat nach Kassenlage das Gesundheitssystem finanziert und organisiert, zeigt sich ja besonders drastisch in Großbritannien.“
Das in Deutschland etablierte Förderprogramm Allgemeinmedizin habe sich nicht nur bewährt, sondern den Abwärtstrend aufgefangen und – gemessen an der reinen Kopfzahl – zu einer halbwegs stabilisierten aktuellen Lage im hausärztlichen Bereich geführt. „Und das soll nun abgewrackt werden“, kritisierte Hofmeister. Unter diesen Umständen stelle das Ansinnen des GKV-Spitzenverbandes „eine nicht nachvollziehbare Reaktion“ dar – zumal sich in den übrigen Fachgebieten ähnliche Herausforderungen abzeichneten.
Der GKV-Spitzenverband kündigte an, das IGES-Gutachten in die Lenkungsgruppe zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin einzubringen. Dort sind auch die Bundesärztekammer (BÄK), die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Verband der Privaten Krankenversicherung vertreten. Ziel sei es, gemeinsam einen umfassenden Vorschlag zu entwickeln, der sich mit konkreten Maßnahmen an den Gesetzgeber richtet.
Die Ergebnisse des IGES-Gutachtens zeigten zwar dringenden Handlungsbedarf, doch sei der Ansatz, den der GKV-Spitzenverband vorschlage, der falsche, warnte der Arbeitskreis IV (Weiterbildung) des Hartmannbundes. „Ärztliche Weiterbildung gehört ausschließlich in die Hände der Selbstverwaltung und nicht in Staatshände, sonst wird die Freiheit des ärztlichen Berufes weiter eingeschränkt“, erklärte Klaus-Peter Schaps, Vorsitzender des Arbeitskreises.
Statt einer verstärkten staatlichen Einschränkung der ärztlichen Berufswahl müsse die Allgemeinmedizin attraktiver gemacht werden, dann würde die Quote der allgemeinmedizinischen Weiterbildung auch wieder steigen. „Wenn die Vergütung der Allgemeinmedizin den Leistungen entsprechend entlohnt werden würde, wäre eine Karriere im hausärztlichen Bereich für viele junge Ärztinnen und Ärzte sicherlich deutlich attraktiver“, betonte Schaps. Für den Arbeitskreis sei deshalb klar, dass die Lenkungsgruppe zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin die Ergebnisse des Gutachtens dringend weitergehend interpretieren müsse, wolle man das Problem ernsthaft in Angriff nehmen.
Hausärzte rufen Kassen zu Investitionen auf
Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, erklärte, die IGES-Untersuchung zeige deutlich, dass durch das Förderprogramm Allgemeinmedizin die Zahl der Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin spürbar gesteigert werden konnte – ohne das Programm wäre die Situation noch viel angespannter. Gleichzeitig sei aber offensichtlich, dass die bisherigen Bemühungen noch nicht ausreichen, um den wachsenden Bedarf an hausärztlicher Versorgung zu decken.
„Das Gutachten sollte also für alle Akteure ein Anreiz sein, die bisherigen Bemühungen zu erweitern. Wir freuen uns, wenn die Krankenkassen durch die von ihnen selbst in Auftrag gegebene Studie auf Handlungsnotwendigkeiten aufmerksam gemacht werden und entsprechend investieren“, so Beier. Insbesondere die Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin bräuchten weitere Unterstützung, um ihre Arbeit auch in Zukunft leisten zu können.
Ausdrücklich werde in dem Gutachten die große Bedeutung der Struktur des Medizinstudiums für die hausärztliche Nachwuchsgewinnung betont. Vor diesem Hintergrund sei es „geradezu skandalös“, dass der Masterplan 2020, der eine Stärkung der Allgemeinmedizin als Ziel hat, bis heute nicht umgesetzt wurde, kritisierte Beier.
Neben der Aus- und Weiterbildung spiele die Attraktivität der hausärztlichen Tätigkeit eine entscheidende Rolle bei der Nachwuchsgewinnung – dies werde auch vom IGES ausdrücklich hervorgehoben. „Die Konzepte liegen also auf dem Tisch und wir hoffen, dass die Erkenntnis aus der Untersuchung des IGES-Instituts dazu führen, dass die Krankenkassen ihre teilweise vorhandene Blockadehaltung ablegen.“
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