Politik

Lauterbach bietet Ländern Jour fixe zur Krankenhausreform an

  • Freitag, 5. Juli 2024
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte im Bundesrat erneut die Pläne für eine Krankenhausreform. /picture alliance, Carsten Koall
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte im Bundesrat erneut die Pläne für eine Krankenhausreform. /picture alliance, Carsten Koall

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bietet den Ländern einen Jour fixe zur Bespre­chung der Krankenhausreform an. Das erklärte er heute vor dem Bundesrat.

Alle Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sowie Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder könnten sich im Abstand von zwei Wochen ohne Anmeldung im Rahmen dieses Termins direkt an ihn wenden, erklärte Lauterbach. Er wolle nicht, dass es weitere Missverständnisse bei der Diskussion um die Kranken­haus­reform gebe. Mit dem Vorschlag versucht Lauterbach den Ländern offenbar etwas entgegenzukommen.

Denn diese hatten heute vor der Länderkammer erneut klargestellt, dass der aktuell vorliegende Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) aus ihrer Sicht nicht die vereinbarten Ziele der Reform erreichen werde. Sie drohten erneut, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieses Vorgehen würde den Zeitplan der Reform deutlich verzögern.

Die Krankenhausreform sieht die Einführung von 65 Leistungsgruppen vor, die bundesweit einheitliche Quali­täts- und Ausstattungskriterien festlegen sollen. Die Bundesländer sollen im Rahmen ihrer Krankenhauspla­nung den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen können.

Vorgesehen ist, Gelegenheitsversorgung auszuschließen und die Qualität der Patientenversorgung zu verbes­sern. Zudem soll an die Leistungsgruppen eine Vorhaltefinanzierung von 60 Prozent der gesamten Betriebs­kosten geknüpft werden. Der Rest soll weiterhin über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert wer­den.

Weiter sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen geplant, die die Grundversorgung insbesondere in ländlichen Regionen sicherstellen sollen. Das KHVVG liegt derzeit zur Beratung im Bundestag. Voraussicht­lich am 25. September findet eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss dazu statt. Vorgesehen ist ein Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2025.

Die aktuelle Fassung des KHVVG sei abzulehnen, erklärte die Gesundheitsministerin aus Brandenburg, Ursula Nonnemacher (Grüne). Bundeseinheitliche Vorgaben seien nicht geeignet, um regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, kritisierte sie im Hinblick auf die geplanten Leistungsgruppen. Nonnemacher forderte prak­tikable Möglichkeiten zur Kooperation und verbindliche sowie dauerhafte Ausnahmeregelungen von den Leistungsgruppen in dünn besiedelten Gebieten.

Völlig überzogene Personalvorgaben

Der Entwurf des KHVVG zeige „gravierende Schwachstellen“, betonte auch die bayerische Gesundheitsminis­terin Judith Gerlach (CSU). Der Reformprozess sei aus Ländersicht „ernüchternd“ gelaufen. Für sie sei eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung wichtig. Deshalb müsse es verstärkt Ausnahmemöglichkeiten bei den Kriterien der Leistungsgruppen geben, forderte auch sie.

Die aktuellen Regelungen im KHVVG würden die aufgebaute Struktur an Kooperationen und Verbünden der vergangenen Jahre bedrohen, kritisierte Gerlach. Weiter bemängelte sie die „völlig überzogenen personellen Anforderungen“ für manche Leistungsgruppen, insbesondere im Bereich der Pädiatrie. Hier seien Strukturvor­gaben vorgesehen, die manche Kliniken aufgrund des Fachkräftemangels schlicht nicht erfüllen könnten. Als Konsequenz würden Klinikstandorte wegfallen, befürchtet Gerlach.

Lauterbach entgegnete Nonnemacher, dass kein Bundesland, gemessen an der Bevölkerungszahl, so stark von den geplanten zehn neuen Zuschlägen etwa für die Pädiatrie, Notfallversorgung oder Geburtshilfe profitieren würde wie Brandenburg.

Krankenhäuser, die Sicherstellungszuschläge erhielten, müssten künftig nicht die Qualitätskriterien der Leis­tungsgruppen erfüllen und bekämen trotzdem die geplanten Vorhaltebudgets aus­gezahlt, erklärte Lauter­bach. Dies geschehe dauerhaft, „weil wir die Häuser unbedingt erhalten müssen“, betonte er. Bei der Durch­setzung dieser Regelung hätten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund der Abkehr von der Qualität geweint, so Lauterbach.

Sollte diese Regelung immer noch nicht ausreichen, um die Kliniken in ländlichen Regionen finanziell zu stützen, könnten sie in Level-1i-Kliniken (sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen) umgewandelt werden, schlug Lauterbach vor. Diese sollen nach dem Selbstkostendeckungsprinzip bezahlt werden und würden demnach mit Krankenkassen verhandeln, welche Kosten sie pro Tag haben. Diese würden dann als Tagespauschale erstattet, so Lauterbach.

Auf den Kritikpunkte der zu hohen personellen Anforderungen in den Leistungsgruppen, entgegnete Lauter­bach, dass die in den meisten Leistungsgruppen vorgesehen drei Fachärztinnen und -ärzte für drei verschie­dene Leistungsgruppen gezählt werden könnten. „Das ist das absolute Minium. Wenn wir davon absehen, könnten wir uns den Facharztstandard sparen“, betonte Lauterbach.

Kommunen unterstützen Krankenhäuser mit Millionen

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erwähnte die aktuell unerträgliche Situation der Krankenhäuser. In Niedersachsen hätten Kommunen ihre Krankenhäuser in den vergangenen beiden Jahren mit mehr als einer halben Milliarde Euro unterstützen müssen. Dies zeige die Notwendigkeit der Reform.

Für eine zeitnahe Reform sei aber die Berücksichtigung der ernsthaften und seriösen Hinweise der Länder nötig, betonte Weil. Er erneuerte die Forderung der Länder nach einer Auswirkungsanalyse der Reform. „Man kann von den Ländern nicht verlangen, dass sie die Katze im Sack kaufen“, sagte Weil. Das Bundesgesund­heitsministerium (BMG) müsse bereit sein, sein Wissen mit den Ländern zu teilen.

Eine solche Auswirkungsanalyse sei erst möglich, wenn der Grouper, der die Leistungsgruppensystematik mit dem System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) verknüpft, fertig sei, erklärte Lauterbach. Dies sei im September der Fall und deshalb sei eine solche Analyse auch immer schon für den September angekün­digt worden.

Allerdings setze eine solche Analyse auch voraus, dass die Länder die Leistungsgruppen den Standorten zu­teilen würden. In Nordrhein-Westfalen könnte man etwa deshalb eine Analyse vornehmen, weil das Land vor wenigen Wochen 60 von den 65 geplanten Leistungsgruppen nach einem mehrjährigen Reformprozess den Krankenhäusern zugeteilt haben. Lauterbach forderte die Länder auf, entsprechende Prüfungen durchzu­führen.

Weil kritisierte zudem die geplante Regelung hinsichtlich des Transformationsfonds, dass Länder nur frisches Geld für die Umstrukturierung von Krankenhäusern im Rahmen der Reform nehmen könnten. Damit bestrafe man aber die Länder, die sich jetzt oder in den vergangenen Monaten bereits auf den Weg gemacht haben, Strukturen anzupassen, bemängelte Weil. „Das kann nicht gewollt sein.“

Lauterbach stimmte Weil in diesem Punkt zu und erklärte, dass entsprechende Regelungen gefunden werden sollten, die berücksichtigten, wenn Länder ihre Investitionskosten dauerhaft erhöht hätten. „Wir dürfen die Länder nicht bestrafen, die jetzt ihre Zusagen erhöht haben“, erklärte Lauterbach.

Auch dass die Fachkliniken künftig Leistungsgruppen der Inneren Medizin, Chirurgie und Intensivmedizin vorhalten müssten, kritisierten unter anderem Weil und auch die bayerische Gesundheitsministerin Gerlach deutlich.

Lauterbach erklärte, dass entsprechende Ausnahmen bei den Fachkliniken bereits zugesagt worden seien. Diese Änderung sei noch nicht im KHVVG enthalten, da dies nur mit der Zustimmung der Fraktionen gehen würde. Diese würden diese Ausnahmenregelung aber auch als notwendig erachten. Damit ist davon auszu­gehen, dass ein entsprechender Änderungsantrag im Bundestag eingebracht wird.

Bürokratieabbau statt -aufbau gefordert

Für die Gesundheitsministerin aus Schleswig-Holstein und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Kerstin von der Decken (CDU), benötige es eine Überbrückungsfinanzierung für die Krankenhäuser bis zum Wirken der Reform. Es brauche Bürokratieabbau, statt -aufbau. „Der Entwurf besteht zu einem Drittel aus Prüf- und Meldepflichten“, kritisierte sie. Zudem pochte sie auf eine fallzahlunabhängige Vorhaltevergütung.

Sollten die Änderungen, wie von den Ländern gefordert, nicht kommen, dann begegne man sich im Vermitt­lungsausschuss, warnte der Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg. Auch die Ge­sundheitsministerin aus Thüringen, Heike Werner (Die Linke), sagte: „Es muss keinen Vermittlungsausschuss geben, aber wenn die Interessen der Länder nicht berücksichtigt werden, dann werden wir darüber auch reden müssen.“ Ähnliches hatte die GMK-Vorsitzende von der Decken vor einigen Wochen bereits angekündigt.

Außerdem einigten sich die Länder heute auf einige konkrete Vorschläge zur Nachbesserung des KHVVG. So lehnt der Bundesrat etwa ab, die Finanzierung des Transformationsfonds aus Beiträgen der gesetzlich Versi­cherten zu ermöglichen. Stattdessen solle der Bundeszuschuss an den Gesundheitsausschuss um entspre­chende Mittel erhöht werden, um eine Benachteiligung der gesetzlich Versicherten zu verhindern, heißt es in einer Empfehlung.

Hinsichtlich des Transformationsfonds sei zudem der Katalog an förderfähigen Maßnahmen zu eng gefasst. Alle Vorhaben zur standortübergreifenden Konzentration akutstationärer Versorgungskapazitäten sollten aber in den Katalog aufgenommen werden, lautet die Forderung der Länder.

„Dies betrifft den Gesamtkomplex der Vorsorge für kommende Herausforderungen und drohender Krisen etwa der Extremwetter, der Hitze oder der knapper werdenden Personalkapazität, aber auch etwaiger Pandemien, dies betrifft die ökologische Transformation hin zu geringeren Ressourcenverbräuchen und reduzierten Emis­sionen, dies betrifft aber auch die Zukunftsfähigkeit (und dauerhafte Modernisierbarkeit) der Infrastruktur“, schreiben die Länder. Fehlen diese förderfähigen Aspekte, werde der Transformationsfonds kaum seine volle Wirkung entfalten können.

In einem weiteren Vorschlag heißt es, dass die Krankenkassen und Ersatzkassen bei der Zuweisung von Leis­tungsgruppen unter Abweichung von Qualitätskriterien zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung nicht beteiligt werden sollen. Diese Entscheidung soll lediglich die entsprechenden Landesbehörden treffen. „Ansonsten würde der Selbstverwaltung eine für die Krankenhausplanung unangemessene Einflussnahme zukommen“, heißt es in der Begründung.

Hinsichtlich der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (Level-1i-Kliniken) fordern die Länder zudem, dass diese nicht nur aus bestehenden Krankenhäusern umgewandelt werden können, wie es auch Lauterbach beschrieben hatte.

Sie sollen auch als neu errichtete Gebäude oder als Gebäude, die vorher nicht zur Patientenversorgung ge­dacht worden sind, ermöglicht werden. „Falls ein Bedarf für eine sektorenübergreifende Versorgungsein­richtung besteht, darf es nicht darauf ankommen, ob in der entsprechenden Region (zufälligerweise) ein umwandlungsfähiges Krankenhaus bereits vorhanden ist oder nicht.“

cmk

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