Lauterbach: Reform der Rettungsdienste soll in Notfallreform integriert werden

Berlin – Die geplante Reform der Rettungsdienste soll im parlamentarischen Verfahren in die Notfallreform integriert werden. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute bei einer Fachveranstaltung zur Notfallversorgung und Rettungsdienste der ADAC Luftrettung an.
Damit wird es zu den Rettungsdiensten wohl keinen eigenen Gesetzentwurf geben. Dies war ursprünglich so geplant. Stattdessen sollen die Inhalte voraussichtlich per Formulierungshilfe in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Die Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste sollen zusammen mit der Krankenhausreform gedacht werden, sagte Lauterbach. Mit dieser Ankündigung überraschte Lauterbach heute die Länder als auch Vertreter der Regierungsfraktionen im Bundestag.
Aufgrund der Bundestagswahlen im kommenden Jahr müssen Gesetzentwürfe nun zügig ins Bundeskabinett, erklärte dazu heute auch Michael Weller, Abteilungsleiter „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Was im September oder Oktober in diesem Jahr nicht in erster Lesung im Bundestag behandelt werden könne, habe kaum Realisierungschancen, sagte Weller. Er räumte zwar ein, die geplante Reform der Rettungsdienste sei „ein dickes Brett“, das BMG bereite aber dafür eine Trennung der medizinischen Leistung und des Transports gut vor. Geplant sei, dass die medizinischen Leistungen der Rettungsdienste künftig über das Sozialgesetzbuch V (SGB V) bundeseinheitlich abgerechnet werden können.
Die Notfallreform sieht eine Verknüpfung der Leitstellen der 112 mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst 116117 vor. Alle Beteiligten sollen digital vernetzt werden, kündigte Lauterbach heute an. Die dafür benötigte „Digitalarchitektur bauen wir gerade in hohem Tempo aus“, sagte er auch im Hinblick auf die elektronische Patientenakte (ePA). Unterstützt werden soll die Notfallreform durch die Einführung der flächendeckenden ePA ab Anfang 2025.
Wichtig sei zudem, Gemeindenotfallsanitäter auszubilden und telemedizinische Leistungen flächendeckend erbringen zu können. Das BMG arbeite außerdem an einer Lösung für Poolärzte, erklärte Lauterbach. Hier sei man mit dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Austausch. Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass die Reform Anfang 2025 in Kraft treten werde.
Notfallreform entlastet Krankenhäuser
Die Notfallreform sei die „Visitenkarte“ für die Krankenhausreform, sagte Minister Lauterbach. Wenn die Notaufnahmen nicht mehr so überfüllt seien und von den 30 Prozent der Menschen entlastet werden, die dort nicht hingehörten, würden sich auch wieder Ärztinnen und Ärzte bei der Arbeit wohler fühlen. Auch der Leiter der Regierungskommission Krankenhäuser, Tom Bschor, betonte, die Notfallversorgung klug aufzustellen und zu strukturieren, sei der Schlüssel für eine effizientere Versorgung durch die Krankenhäuser. Die vorgesehene Vorhaltefinanzierung, die im Zuge der Krankenhausreform eingeführt werden soll, passe zudem besser für die Finanzierung von Strukturen, die für nicht planbare Notfälle ausgerichtet seien.
Auch die telemedizinische Vernetzung, um ärztliches Personal flexibler einsetzen zu können, sei wichtig, ergänzte Bschor. Er sprach sich zudem für eine Kompetenzerweiterung für nicht ärztliches Personal aus. „Notfallsanitäter können viel mehr, wenn man sie lässt.“ Zudem seien die aktuell 240 Leitstellen und 300 Rettungsdienstbereiche in Deutschland nicht optimal verteilt und aufgestellt. Wenn man diese neu planen würde, würden größere Bereiche entstehen und die Zahl der Leitstellen reduzieren, sagte Bschor. Die Regierungskommission hatte sich in ihrer neunten Stellungnahme zur Reformierung der Notfallversorgung für rund eine Leitstelle pro einer Million Einwohner ausgesprochen.
Eine bessere Patientensteuerung sei durch eine digital unterstützte Leitstelle, die die beiden Notfallnummern 112 und 116117 verbinden soll, sowie durch eine bundesweite Akutversorgung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) möglich, versprach Lauterbach. Er wisse, dass die vertragsärztlichen Ärztinnen und Ärzte schon jetzt belastet seien. „Die Notfallversorgung ist aber keine Kür- sondern eine Pflichtaufgabe“, betonte Lauterbach in Richtung des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Deshalb werde der Bund einfordern, dass sich die KVen systematisch und flächendeckend in der Notfallversorgung einbringen werden, bekräftigte Lauterbach.
Ärzteschaft bereits ausgelastet
Die KVen werden sich mit Interesse anhören, was sie künftig leisten sollen, entgegnete Gassen. Der Gesetzgeber könne aber auch 365 Sonntage pro Jahr ins Gesetz schreiben, dies sei trotzdem kaum zu realisieren. Er warnte davor, dass die KVen keine „Reserveärzteschaft im Kühlschrank“ hätten, die die Notfallversorgung übernehmen könnten. Man müsse mit den aktuell tätigen Ärztinnen und Ärzten auskommen. Er plädierte dafür, sich den genauen Bedarf und das vorhandene Angebot anzuschauen und zu überprüfen, welche funktionierenden Lösungen es zwischen KVen und Krankenhäusern bei der Notfallversorgung bereits gebe. Man dürfe die Reformgesetze aber nicht überfrachten, insbesondere auch angesichts der gleichzeitig laufenden Reform der ambulanten Versorgung (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, GVSG), sagte Gassen.
Zudem brauche es zusätzliche Finanzmittel, um den ärztlichen Bereitschaftsdienst 116117 auf eine 24/7-Erreichbarkeit auszuweiten, forderte Gassen weiter. Dies sei nicht mit den Honoraren der vertragsärztlichen Ärztinnen und Ärzte zu stemmen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, wies zudem daraufhin, dass man die vielen Arzt-Patientenkontakte im ambulanten Bereich durch bessere Strukturen effizienter gestalten könnte.
Im Hinblick auf die Bundesländer, die mit dem heute von Lauterbach angekündigten Verfahren zunächst umgangen werden und erst im Bundesrat Stellung zu Änderungen beim Rettungsdienst nehmen könnten, räumte Lauterbach Konfliktlinien ein. Bei der Notfallreform seien die Länder zwar „noch näher bei den Vorschlägen des Bundes“ als bei der Krankenhausreform, erklärte er heute. Er sei sich aber bewusst, dass sich die Reform der Rettungsdienste schwierig gestalten könnte. Die Bundesländer hätten eigene Systeme aufgebaut, die zwar einzeln funktionierten, aber trotzdem nicht fortgeführt werden sollten, so Lauterbach.
Medizinische Leistungen über GKV abrechnen
Die Rettungsdienste müssten eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden und damit in das SGB V überführt werden, so Lauterbach. Es müsse zwischen dem Transport und der erbrachten medizinischen Leistung getrennt werden. Es ergebe etwa keinen Sinn, wenn der Transport überteuert abgerechnet werde. In diesem Punkt rechne er „nicht nur mit der Zustimmung der Länder“. Einfacher werde es zudem nicht, da nicht nur die Gesundheits- sondern auch die Innenressorts der Länder bei der Reform der Rettungsdienste beteiligt werden müssen, sagte auch BMG-Abteilungsleiter Weller.
Ziel sei, die Versorgung vor Ort ohne einen Transport ins Krankenhaus – wenn möglich – abzuschließen, betonte Bschor. Wenn Patientinnen und Patienten in die Klinik eingeliefert werden, würden zahlreiche Untersuchungen gemacht, die in manchen Fällen gar nicht benötigt werden. Auch dies seien Kostenpunkte, die man durch eine Reform einsparen könnte, erklärte Bschor.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Janosch Dahmen, erklärte, dass es eigentlich unerheblich sei, in wie vielen Gesetzen die anstehenden Reformen im Gesundheitswesen umgesetzt werden. Wichtig sei, dass diese noch vor der Wahl 2025 realisiert werden könnten. Zudem sei es sinnvoll, die Krankenhausreform, Notfallreform und Novelle der Rettungsdienste parallel zu beraten. „Alles hängt mit allem zusammen“, sagte Dahmen. Die Reform könne zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen, zeigte sich Dahmen überzeugt.
Ministerinnen überrascht von Lauterbachs angekündigter Verfahrensänderung
Die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) zeigte sich überrascht von Lauterbachs heutiger Ankündigung. Spontan könne sie diese Änderung im Verfahren nicht bewerten, sagte die Ministerin. Sie sprach sich aber für Rahmenvorgaben des Bundes für die Reformierung der Notfallversorgung und Rettungsdienste aus. Detaillierte Anforderungen lehnte sie hingegen ab. Die Länder wüssten besser, wie ihre jeweiligen Bedarfe aussehen, sagte von der Decken. Den Vorteil bei der Übernahme der Rettungsdienste als eigenständigen Leistungsbereich im SGB V einer bundeseinheitlichen Regelung und der damit verbundenen Kostenübernahme sah von der Decken hingegen ein. Allerdings habe man in Schleswig-Holstein bereits eine Regelung mit den Kostenträgern getroffen, so dass dies nicht nötig sei.
Dass die vier großen Gesundheitsreformen (Krankenhausreform, Notfallreform, Rettungsdienste und ambulante Versorgung) gemeinsam beraten werden sollen, bewertete die Innenministerin von Sachsen-Anhalt, Tamara Zieschang (CDU) positiv. Allerdings halte sie nichts von der geplanten Überführung der Rettungsdienste in das SGB V, betonte Zieschang.
Sie verwies auf bereits vorhandene Strukturen vor Ort und auf mögliche Widerstände, die als Reaktion auf Vorgaben aus Berlin auftreten könnten. „Der Landrat wird sich seine Leitstelle nicht nehmen lassen“, sagte Zieschang. Entsprechend lehne sie Bundesvorgaben bezüglich der Rettungsdienste ab. Statt etwa einer festen Zahl an Leitstellen müssten vielmehr Qualitätsanforderungen vorgegeben und Anreize geschaffen werden, so Zieschang. In Sachsen-Anhalt würden die 13 bestehenden Leitstellen derzeit selbst Zusammenschlüsse anstreben.
Für Karsten Schultze, Vorsitzender des Stiftungsrates der ADAC Stiftung und Technikpräsident beim ADAC, sei es wichtig, dass es zügig mit den Reformvorhaben weitergehe. Die Reform der Rettungsdienste und die Notfallreform müssten möglichst parallel laufen. Denn in der gesamten Rettungskette gebe es Ineffizienzen, so Schultze. Die geplanten Reformansätze gingen aber in die richtige Richtung, betonte er. Der ADAC stehe außerdem bereit, seine Expertise in das Reformvorhaben einzubringen, bot Schultze an.
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