Politik

Liquiditätsengpässe: Positionen zwischen Krankenhäusern und Lauterbach verhärten sich

  • Freitag, 14. Oktober 2022
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, links) und Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft /picture alliance, Wolfgang Kumm (Lauterbach), Marcus Brandt (Gaß)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, links) und Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft /picture alliance, Wolfgang Kumm (Lauterbach), Marcus Brandt (Gaß)

Berlin – Die Positionen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) verhärten sich angesichts der akuten Liquiditätsprobleme, in die mehr und mehr deutsche Krankenhäuser infolge der derzeitigen starken Preissteigerungen geraten.

Die DKG bittet den Bund seit Monaten darum, die Krankenhäuser finanziell zu unterstützen, weil diese die Preissteigerungen nicht an ihre Patienten weitergeben können. Der Minister hat den Krankenhäusern wieder­holt Hilfe zugesichert – aber bislang keine Taten folgen lassen.

Gestern zweifelte er in der Fragestunde des Bundestags zudem die Zahlen zum Finanzierungsdefizit der Kran­kenhäuser in den Jahren 2021 bis 2023 an, die die DKG errechnet hat. Weder er noch die DKG könnten vorher­sagen, wie sich die Inflation und die Preise entwickeln würde, meinte Lauterbach.

„Mit großem Erstaunen habe ich gestern erfahren, dass Sie in der Fragestunde des Bundestags zum Ausdruck gebracht haben, dass Sie die Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum Finanzierungsdefizit aufgrund der galoppierenden Inflation und der massiven Energiekostensteigerungen anzweifeln und nicht nachvollziehen können“, schrieb daraufhin der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, gestern in einem an Lauterbach adressierten Brief, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

Schließlich habe er ihm die Berechnungen der DKG in einem persönlichen Gespräch ausführlich dargelegt und dabei den Eindruck gewonnen, „dass Sie diese Daten als valide und nachvollziehbar aufgenommen ha­ben“.

Sehr irritierend

„Wenn es tatsächlich von Ihrer Seite Zweifel an den von uns dargelegten Fakten gibt, hätte ich erwartet, dass diese Zweifel durch entsprechende Nachfragen bei uns adressiert worden wären und wir die Gelegenheit ge­habt hätten, unsere Berechnungen nochmals darzulegen“, schrieb Gaß.

„Derartige Nachfragen oder Rückmeldungen hat es bis zum heutigen Tag nicht gegeben. Wenn nun 14 Tage nach unserem Gespräch derartige Zweifel von Ihnen in einer Bundestagsdebatte öffentlich geäußert werden, ist das für mich sehr irritierend.“

Die Berechnungen der DKG fußen zum einen auf den Daten des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2020. In einer Prognose schreibt die DKG diese Kosten fort, die zum einen auf dem am 30. September 2022 veröf­fentlichten Orientierungswert für die Kostenentwicklung der Krankenhäuser des Statistischen Bundesamts beruhen und zum anderen auf einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erfolgte Prognose von Wirtschaftsforschungsinstituten vom 29. September.

Finanzierungslücke von 15 Milliarden Euro

In der Summe beziffert die DKG die Finanzierungslücke für die Krankenhäuser im Bereich der Sachkosten auf 9,55 Milliarden Euro in den Jahren 2021 bis 2023. 2021 beläuft sich die Finanzierungslücke dabei auf 0,64 Milliarden Euro, im Jahr 2022 voraussichtlich auf 3,24 Milliarden Euro und im Jahr 2023 voraussichtlich auf 5,67 Milliarden Euro.

Im Bereich der Energiekosten liegt die Finanzierungslücke in den Jahren 2021 bis 2023 der DKG zufolge bei insgesamt 5,92 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 liegt sie demnach bei 0,1 Milliarden Euro, im Jahr 2022 voraus­sichtlich bei 1,63 Milliarden Euro und im Jahr 2023 voraussichtlich bei 4,19 Milliarden Euro.

Die Energiekostensteigerungen in den Krankenhäusern seien sehr differenziert, weil diese in hohem Maße von den mittelfristigen Lieferverträgen der Krankenhäuser abhängig seien, heißt es in den Berechnungen. „Im Mittel über alle Krankenhausstandorte liegen die Kostensteigerungen in 2022 bei mindestens 80 Prozent“, heißt es weiter.

„Im Jahr 2023 wird bei weiter auslaufenden Lieferverträgen mit einer weiteren Kostensteigerung von 70 Pro­zent gerechnet.“ Über die Jahre 2020 bis 2023 ergebe dies eine Verdreifachung der Energiekosten, was abso­lut plausibel sei und allen sonstigen Prognosen zur Energiepreisentwicklung entspreche.

Rechnungszuschlag von vier Prozent

Die DKG schlägt vor, „zur teilweisen Refinanzierung der beschriebenen Kostendeckungslücke“ unter anderem einen sofortigen Rechnungszuschlag von mindestens vier Prozent auf die DRG-Rechnungen sowie von zwei Prozent auf alle Rechnungen für psychiatrische Leistungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 vorzunehmen. In der Summe würde dies zu Hilfsleistungen von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2022 führen.

Um die gestiegenen Energiekosten auszugleichen, schlägt die DKG zudem vor, dass die Krankenhäuser kurz­fristig eine Auszahlung über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) erhalten sollen. „Die Auszahlung könnte als eine Summe zum 15. November 2022 erfolgen, um den Krankenhäusern die dringend notwendige Liquidität zu verschaffen“, schreibt die DKG.

„Diese kann dann in einem späteren Abgleich mit den tatsächlichen Energiekostensteigerungen (Spitzaus­gleich) abgerechnet werden.“ Dieses Verfahren vermeide, dass bei dem sehr differenzierten Bild der Energie­kostensteigerungen ungerechtfertigte Überzahlungen entstehen. Des Weiteren schlägt die DKG eine Anhe­bung des Landesbasisfallwerts vor sowie eine Anhebung des Pflege­entgeltwerts, über den die Kosten für die Pflege am Bett errechnet werden.

Weihnachtsgelder können nicht mehr gezahlt werden

In seinem Brief berichtete Gaß auch aus der jüngsten Präsidiumssitzung der DKG: „Die Krankenhausverant­wort­lichen sind entsetzt über die Tatenlosigkeit der Politik. Wir laufen auf einen dramatischen Liquiditätseng­pass in den Krankenhäusern zu, der dazu führen wird, dass schon in diesem Jahr nicht mehr alle Krankenhäu­ser fristgerecht die Weihnachtsgelder bezahlen können.“

Darüber hinaus weise er nochmals darauf hin, dass es durch diese dramatische wirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten unweigerlich zu Standortschließungen und Leistungseinschränkungen in der Patien­ten­ver­sorgung kommen werde. Die Verantwortung dafür trügen weder die Krankenhausträger noch die Krankenhausleitungen, sondern die politisch Verantwortlichen.

Der Verweis auf theoretische Hilfsmaßnahmen im Rahmen des von der Bundesregierung erfolgten Wirt­schafts­stabilisierungsfonds werde der Problemlage Krankenhäuser dabei in keiner Weise gerecht. Gaß: „Wir fordern Sie deshalb nachdrücklich auf, Ihren vielfältigen Ankündigungen, ein Hilfspaket für die Krankenhäuser auf den Weg bringen zu wollen, endlich auch Taten folgen zu lassen.“

fos

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