Modellvorhaben zum Drug Checking sollen in allen Bundesländern ermöglicht werden

Berlin – Drug Checking kann dazu beitragen, Leben zu retten, auf gesundheitliche Gefahren der analysierten Drogen hinzuweisen und Konsumenten zu informieren. „Es ist eine wichtige Maßnahme auf dem Weg eines neuen Umgangs mit Drogen in Deutschland und ein Paradigmenwechsel. Deshalb haben wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir Drug Checking bundesweit ermöglichen wollen“, sagte Burkhard Blienert, Bundesbeauftragter für Sucht- und Drogenfragen, gestern beim Besuch des Zentrums für integrative Suchthilfe vista-Misfit in Berlin-Kreuzberg.
Eine entsprechende gesetzliche Änderung soll Blienert zufolge im Rahmen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) Ende der Woche im Bundestag verabschiedet werden.
Konsumenten können im Rahmen eines Modellvorhabens seit dem 6. Juni in Berlin Drogen, die sie testen lassen wollen, anonym und kostenlos bei den Beratungsstellen vista, Fixpunkt und bei der Schwulenberatung abgeben. Im Labor des Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (GerMed) werden diese dann auf ihre Inhaltsstoffe analysiert. Die Konsumenten erhalten das Ergebnis in der Regel drei Tage später.
„Das Angebot wird in einem Ausmaß in Anspruch genommen, wie wir es gar nicht erwartet haben. Wir bekommen doppelt so viele Anfragen, wie wir Menschen zurzeit versorgen können“, berichtete Nina Pritszens, Geschäftsführerin der vista GmbH. Sie hoffe, dass das Angebot, Drogen testen zu lassen auch Menschen in anderen Bundesländern zugänglich gemacht werden kann. Neben dem stationärem Drug Checking hält sie die Implementierung eines mobilen Angebots für erforderlich.
„Ein großer Anteil der bisher 150 Proben wurde als auffällig eingestuft, das heißt 30 Prozent der Proben hatten Beimischungen unbekannter Stoffe, Verunreinigungen oder zu hohe Dosierungen“, berichtete Tibor Harrach, pharmazeutischer Koordinator bei vista. Beispielsweise habe eine als MDMA (Methylendioxymethamphetamin) ausgewiesene Probe stattdessen das Narkosemittel Ketamin enthalten; einer Kokainprobe war das Lokalanästhetikum Procain beigemischt worden, das Herzrhythmusstörungen verursachen könne. „Wir warnen alle Konsumenten vor auffälligen Drogen mit Fotos und Risikoeinschätzung auf unserer Homepage“, betonte Harrach.
„Drug Checking ist eine wichtige und notwendige Maßnahme zur Schadensminimierung. Wir finden verunreinigte Substanzen heraus und erhalten einen Überblick über den Markt“, betonte der Drogenbeauftragte Blienert. Er verspreche sich von dem Angebot einen Perspektivwechsel im Umgang mit Drogenkonsumierenden und einen Beitrag zu Entstigmatisierung.
„Wir wissen aus anderen Ländern, die schon lange Drug Checking anbieten, dass Konsumentinnen und Konsumenten, wenn sie Warnungen über bestimmte Drogen erhalten, sie damit sehr verantwortungsvoll umgehen und den Konsum reduzieren oder ganz einschränken“, betonte vista-Geschäftsführerin Pritszens.
Die bisherigen Erfahrungen mit Drug Checking aus der Schwulenberatung in Berlin-Neukölln teilte der dortige Bereichsleiter Connor Toomey mit: „In den wenigen Wochen konnten wir viele Personen auf ihren Drogenkonsum ansprechen, die nicht in eine reguläre Suchtberatung gehen würden.“ Schwule Männer seien in Bezug auf Substanzkonsum „early adopter und sehr experimentierfreudig“, so Toomey. Das Testen der Stoffe könne das damit einhergehende Gesundheitsrisiko reduzieren.
Die dritte Anlaufstelle für Drug Checking in Berlin ist Fixpunkt gGmbH, die drei Drogenkonsumräume unterhält. „Unsere Zielgruppe konsumiert grundsätzlich sehr risikoreich und hat auch noch andere soziale Probleme wie etwa Obdachlosigkeit. Wir freuen uns, dass Drug Checking auch in Drogenkonsumräumen ermöglicht wird. Dort kann wirklich Leben gerettet werden“, erklärte Raphael Schubert, Geschäftsführer von Fixpunkt. Die Drogenabhängigen, die normalerweise nicht sehr termintreu seien, hätten pünktlich zum ersten Termin Proben abgegeben.
Der Bundesdrogenbeauftragte hofft, dass der Bundestag die Änderungen im Rahmen des Arzneimittelgesetzes verabschieden wird. Damit würden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Modellvorhaben zum Drug Checking im Betäubungsmittelgesetz festgeschrieben. Die Länder werden damit ermächtigt, „weitere Voraussetzungen für die Durchführung der Modellvorhaben festzulegen und das Erlaubnisverfahren durch Landesbehörden zu regeln“.
„Damit haben wir Anschluss an andere europäische Länder, die seit vielen Jahren positive Erfahrungen mit Drug Checking gesammelt haben. Es ist höchste Zeit für Deutschland“, betonte Blienert.
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