Politik

Arzneimittel: Bundesrat winkt Lieferengpassgesetz durch

  • Freitag, 7. Juli 2023
/picture alliance, Flashpic, Jens Krick
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Berlin – Das Arzneimittellieferengpass- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) hat den Bundesrat passiert. Das Plenum hat darauf verzichtet, wie von bayern beantragt, einen Vermittlungsausschuss einzube­rufen. Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger kann es deshalb nun in Kraft treten und soll dann vor allem durch Preisanpassungen und Bevorratungspflichten die Versorgungssituation bei Arzneimitteln verbessern.

Es handele sich bei Arzneimittellieferengpassen zwar um kein Novum. „Wir beklagen sie schon seit Jahren“, er­klärte Sabine Dittmar (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, heute im Bundesrat zur Verteidigung des Gesetzes. „Aber die bisher angestoßenen Maßnahmen haben die Probleme bis­her nur leicht gemindert, ohne ihre Ursachen anzugehen.“

Spätestens seit der COVID-19-Pandemie würden Engpässe zum Alltag in der Versorgung gehören. „Was wir aber bisher nicht kannten, ist die Bandbreite“, sagte Dittmar. Rund 500 seien mittlerweile beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registriert. „Das können wir so nicht hinnehmen.“

Eine wesentliche Ursache für die Engpässe sei die zunehmende Abhängigkeit von Produzenten im außereuro­päischen Ausland. Die Bundesregierung setze deshalb Anreize, um Hersteller wieder nach Deutschland und Europa zu holen. Arzneimittelpreise seien bisher durch zwei Mechanismen festgezurrt, namentlich die Festbe­träge und das Preismoratorium. „Dieses enge Korsett werden wir lockern“, erklärte Dittmar.

So werden mit dem Gesetz Preisbildungsregeln gelockert: So sollen Kinderarzneimittel nicht mehr Rabattver­trägen unterliegen und aus den Festbetragsgruppen fallen. Ihre Hersteller dürfen die Abgabepreise einmalig auf bis zu 150 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrags anheben. Dittmar kündigte an, diese Lockerungen künftig auszuweiten, zunächst auf Onkologika.

Auch eine Diversifizierung der Anbieter und der Lieferketten soll die Versorgungssicherheit stärken. Bei Rabatt­vertragsausschreibungen gibt es deshalb künftig mit Produktionsstätten in der EU oder dem Europäischen Wirt­schaftsraum ein neues Zuschlagskriterium. „Das schafft Anbietervielfalt“, erklärte Dittmar.

Neben höheren Preisen sollen vor allem Bevorratungspflichten für Hersteller und Großhändler dafür sorgen, dass Arzneimittel nicht zu schnell vergriffen sind. Hersteller müssen künftig bei rabattierten Arzneimitteln eine sechsmonatige Lagerhaltung sicherstellen und Großhändler die Bevorratung von Kinderarzneimitteln auf vier Wochen erhöhen.

Auch erhält das BfArM mehr Informationsrechte gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken. Bei der Behörde soll außerdem ein Frühwarnsystem eingerichtet werden. Das Gesetz werde zu einer spürbaren Verbesserung der Versorgungssituation führen, kündigte Dittmar an.

Neben der Reform der Arzneimittelpreisbildung und -bevorratung enthält das Gesetz noch eine Reihe anderer Regeln, die nun in Kraft treten. So wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, die Sonderrege­lung aus der COVID-19-Pandemie zu verstetigen, dass Krankschreibungen auch telefonisch möglich sind. Wenn der oder die Versicherte bekannt ist und es sich nicht um eine schwere Symptomatik handelt, sollen auch künftig telefonische Krankschreibungen möglich sein.

Außerdem sollen die Befugnisse von Notfallsanitäter erweitert werden: Sie können künftig rechtssicher und auf Grundlage standardisierter ärztlicher Vorgaben Betäubungsmittel verabreichen, wenn es in akuten Not­fällen beispielsweise der Schmerzbehandlung nach einem Unfall dient und keine Ärztin oder kein Arzt zur Verfügung steht.

Ein besonderes Anliegen war Dittmar, dass mit dem Gesetz der Weg für das Drugchecking frei wird. Erst kürz­lich waren Todesfälle aufgrund zu hoch dosierter Ecstasypillen durch die Medien gegangen. „Es ist erschre­ckend und alarmierend, was alles an Stoffen in Umlauf ist“, sagte Dittmar.

Das Drugchecking, also freiwillige Angebote zur Kontrolle der Inhaltsstoffe von Drogen, soll nun in Modellpro­jek­ten erprobt werden können. Die Länder können dazu die Erlaubnis erteilen unter der Maßgabe, dass das Angebot mit einer Risikobewertung und gesundheitlicher Aufklärung verbunden ist.

Die für die breite Bevölkerung wahrnehmbarste Änderung ist ein weiteres Detail: Der bekannte Warntext in der Arzneimittelwerbung soll künftig geschlechtersensibler sein. Er lautet nun: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.“

lau

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