ÖGD-Gipfel: Hilfen für Gesundheitsämter schnell umsetzen

Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei einer nicht-öffentlichen Web-Konferenz erneut den Gesundheitsämtern für ihre zentrale Rolle in der Coronapandemie ihren Dank ausgesprochen.
Sie hätten „einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass wir das Infektionsgeschehen bislang in Deutschland doch weitgehend unter Kontrolle halten konnten“, sagte sie zu Beginn der Videokonferenz mit Vertretern von Ämtern, Kommunen und Ländern.
Für die Ämter bedeuteten das Verfolgen von Infektionsketten oder das Anordnen von Tests und Quarantäne gerade einen „unfassbaren Mehraufwand“. Der Bund wolle nun für die kommenden sechs Jahre viel Geld für Verbesserungen in die Hand nehmen.
„Die Gesundheitsämter wissen selbst am besten, wo geeignete Ansatzpunkte für Veränderungen sind.“ Bei der Konferenz wollte Merkel mit Vertretern von fünf Gesundheitsämtern über neue Organisationskonzepte beraten. Diese Beratungen fanden allerdings ohne Öffentlichkeit statt.
Nach einem Konzept von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seinen Länderkollegen sollen bis Ende 2022 mindestens 5.000 unbefristete Vollzeitstellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst neu entstehen. Davon mindestens 1.500 bis Ende kommenden Jahres. Dies sind allerdings neben Ärzten auch Hygienefachkräfte sowie Verwaltungsangestellte. Geplant ist außerdem eine breit angelegte Unterstützung bei digitalen Lösungen etwa für Meldesysteme.
Kommen sollen zudem Anreize über die Besoldung, „tarifvertragliche Regelungen“ und attraktivere Arbeitsbedingungen. Der Bund will für die Umsetzung vier Milliarden Euro bis 2026 bereitstellen. Die etwa 400 Gesundheitsämter haben nach Verbandsangaben rund 17.000 Beschäftigte.
Spahn erläuterte heute, 90 Prozent der zusätzlichen Stellen sollten in den Landkreisen und Städten entstehen. Je nach Größe des Gesundheitsamts könnten es zehn, 20 oder 30 Stellen mehr sein. Er räumte ein, dass es „eine Kraftanstrengung“ werde, die Stellen dann auch zu besetzen. Man müsse sie aber überhaupt erst einmal schaffen und finanzieren.
In der Videokonferenz, die in ausgewählten Teilen im Internet übertragen wurde, unterstrichen auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in eingespielten Grußworten die Bedeutung der Gesundheitsämter.
Söder mahnte, dass man sich in den Ämtern nicht zurücklehnen dürfe, „auch wenn alle eine Erholung bräuchten“. Gerade in der beginnenden Herbstsaison müsse man wachsam bleiben. Auch Tschentscher betonte, dass „noch viel zu tun sei“. Er kündigte für Hamburg ein neues digitales System an, mit dem die Datenverwaltung einfacher werde.
Ärzte und Kommunen dringen unterdessen weiter auf rasche und dauerhafte Verbesserungen für die Arbeit der fast 400 Gesundheitsämter über die Coronakrise hinaus. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sagte mit Blick auf ein von Bund und Ländern vereinbartes Milliarden-Programm: „Die Gesundheitsämter brauchen die Hilfen schnell.“
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, begrüßte das „bisher beispiellose Hilfspaket“ für mehr Personal und bessere digitale Ausstattung. „Aber niemand sollte glauben, dass sich die Besetzung von 5.000 neuen Stellen einfach beschließen lässt.“ Die eigentliche Arbeit fange jetzt erst an.
Reinhardt warb für einen eigenständigen Tarifvertrag für Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Für eine dauerhaft bessere Personalausstattung sei eine gesicherte, arztspezifische Vergütung notwendig. „Nur so können Gesundheitsämter mit anderen medizinischen Einrichtungen um hochmotivierte Ärztinnen und Ärzte konkurrieren“, sagte Reinhardt. Auch die Forderungen des Marburger Bundes gehen seit Jahren in diese Richtung.
Neben dem personellen Ausbau müsse die digitale Vernetzung absolute Priorität haben. Nötig seien „einheitliche und vor allem schnelle Meldeketten“ zwischen Gesundheitsämtern, Landes- und Bundesbehörden, sagte Reinhardt. Städtetagspräsident Jung betonte: „Die Hilfen dürfen kein Strohfeuer sein.“ Nötig seien Finanzmittel über 2026 hinaus, um in den Ämtern langfristig planen zu können.
Kritik von der Opposition
Die Opposition im Bundestag kritisierte die späte Aufrüstung des ÖGD: „Der ÖGD wurde über Jahre kaputtgespart, Personalmangel und schlechte Ausstattung waren die Folge. Das rächt sich nun“, erklärte Harald Weinberg, Gesundheitsexperte der Linken-Bundestagsfraktion. Der Hilfspakt sei ein „längst überfälliger Schritt“.
Weinberg weiter: „Ein ‚Danke‘ der Bundeskanzlerin reicht nicht. Die Finanzierung und Schaffung von 5.000 neuen Stellen muss zügig umgesetzt werden. Von den 50 Millionen Euro für den Ausbau elektronischer Meldewege, die die Bundesregierung beschlossen hat, ist bislang noch nichts bei den Gesundheitsämtern angekommen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.“
Auch die Grünen-Politikerin Kirstin Kappert-Gonther forderte eine dauerhafte Perspektive weit über 2026 hinaus für den ÖGD ein. „Dazu müssen Bund und Länder die Ausgaben für den Öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft auf mindestens ein Prozent der Gesamtausgaben für Gesundheit festschreiben“, so die Gesundheitsexpertin der Grünen Bundestagsfraktion.
Merkel sagte, dass Deutschland so gut durch die Pandemie gekommen sei, habe auch mit den Entscheidungsmöglichkeiten vor Ort zu tun. „Dieser Staatsaufbau zeichnet unser Land aus.“ Laut einer Umfrage ist die Mehrheit der Bundesbürger zufrieden damit, dass vor allem lokal über Schritte zur Corona-Eindämmung entschieden wird.
Rund 60 Prozent sagten in der Umfrage im Auftrag des Deutschen Landkreistags, dies habe sich „auf jeden Fall“ oder „eher“ bewährt. Präsident Reinhard Sager betonte: „Wenn wir im vergangenen halben Jahr eines lernen konnten, dann dies: Die Pandemie kann dezentral gut beherrscht werden.“
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