Politik

Offenbar mehr Checks zur Prävention von Herzerkrankungen geplant

  • Montag, 17. Juni 2024
/Crystal light, stock.adobe.com
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Berlin – Die Schlagzahl ist hoch: Kaum eine Woche vergeht, in der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keine neue Initiative oder ein neues Gesetz auf die Rampe bringt. Scheinbar unbelastet von allem Koalitionsstreit, kündigte der Minister am Wochenende erneut in der Bild-Zeitung sein „Gesundes-Herz-Gesetz“ an.

„Wir wollen deutschlandweit Kinder und Jugendliche, 25-Jährige, 35-Jährige und 50-Jährige mit einem Gutscheinsystem auffordern, Werte messen zu lassen: den Blutdruck, auch den Risikofaktor Zuckerkrankheit“, erläuterte der Minister. Das Vorhaben erntete schon gestern viel Kritik unter Expertinnen und Experten. Den üblich gut informierten Kreisen lag das Gesetz bis heute Abend nicht vor.

Die Menschen in Deutschland sollen verstärkt an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, heißt es in der Berichterstattung. Gutscheine für Herz-Check-ups werden in Apotheken und Arztpraxen einlösbar sein. „Das werden wir später über die elektronische Patientenakte abwickeln“, so der Minister in der Bild. Lauterbach zufolge soll das „Herzgesetz“ noch vor der Sommerpause vorgelegt werden und schon im nächsten Jahr in Kraft treten. Ob das angesichts der politischen Großwetterlage und der Bundestagswahlen im kommenden Jahr realistisch ist, sei dahingestellt.

Der Gesetzentwurf sieht offenbar Herzchecks für Erwachsene im Alter von 25, 35 und 50 Jahren vor. Untersuchungen soll es auch bereits im Kindes- und Jugendalter geben, etwa um herauszufinden, ob erbliche Gründe für Fettstoffwechselstörungen vorliegen. Auch Medikamente zur Rauchentwöhnung und zum Senken des Cholesterinspiegels (Statine) sollen öfter verschrieben werden können.

Fest steht aber: Ein Umbau des Gesundheitswesens hin zu mehr Prävention ist nach Einschätzung fast aller Gesundheitsexperten dringend erforderlich. Weil es Krankheiten und Leid verhindert und weil es in einer immer älter werdenden Gesellschaft auch Kosten spart. Allerdings ist solch ein Umbau kostenintensiv. Und es gibt viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.

Vergangene Woche hatte Lauterbach einen Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit vorgelegt. Ein Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) soll ab Januar bundesweit Gesundheitskompetenz vermitteln und sich um die Vermeidung nicht übertragbarer Erkrankungen wie Krebs, Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen kümmern. „Deutschland gibt so viel wie kein anderes EU-Land für Gesundheit aus, ist bei der Lebenserwartung aber trotzdem nur Durchschnitt“, so der Minister. „Es fehlt an wirksamer Vorbeugung, unser System ist zu stark auf Behandlung schon bestehender Krankheit ausgerichtet.“

Auch der Wissenschaftsrat, der Bund und Länder berät, hatte sich im Mai für eine Trendwende ausgesprochen. Hunderttausende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes- und Krebserkrankungen wären durch Prävention vermeidbar. Vorbeugung sei ein Schlüssel, um die Gesellschaft leistungsfähig zu halten und die Versorgung zu sichern. „Die alternde Gesellschaft und der Mangel an Fachkräften überfordern unser Gesundheitssystem schon heute“, betonte der Vorsitzende Wolfgang Wick. Gefordert sei ein Schulterschluss zwischen Politik, Wissenschaft, Ärzten, Krankenkassen und Medien.

Der Wissenschaftsrat war sich einig: Es fehlt in der Gesundheitsprävention nicht an Einzelerkenntnissen. Vielmehr mangele es an ihrer Umsetzung und der Vernetzung der Akteure. Notwendig sei eine andere Verteilung der vorhandenen Mittel im Gesundheitssystem. Krankenkassen, die stark in Prävention investierten, müssen mit finanziellen Nachteilen rechnen. 2023 gaben die Gesetzlichen Kassen rund 584 Millionen Euro für Gesundheitsförderung aus. Das waren neun Prozent mehr als im Vorjahr und ein Plus das zweite Jahr in Folge. Medizin, Krankenkassen und Politik müssten stärker umsteuern, um Prävention attraktiver zu machen, forderte der Wissenschaftsrat. Zudem müssten mehr Gesundheitsdaten, auch von Gesunden, erhoben, vernetzt und genutzt werden.

Auch sind nach Meinung des Wissenschaftsrats wirtschaftliche Anreize notwendig – etwa durch die Förderung gesunder Lebensmittel. Gefordert ist allerdings auch jeder Bürger selber: „Sogar im Fünften Sozialgesetzbuch steht, dass Menschen mitverantwortlich sind für ihre Gesundheit, über Lebensführung und Teilnahme an Prävention“, sagte die scheidende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx. Jeder einzelne müsse sich fragen: Was kann ich vorbeugend tun, damit ich möglichst lange nicht pflegebedürftig werde? Auch finanzielle Vorsorge könnte wohl künftig wichtiger werden, jedenfalls für diejenigen, die sich das leisten können.

Doch davon geht der Gesetzentwurf nicht aus. Das kritisierte auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Die medial bekannt gewordenen Pläne von Bundes­gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach für ein Herzgesetz enthalten durchaus positive Ansätze wie regelmäßige zusätzliche Check-ups. Jedoch fehlt eine wirklich konsequente Umsetzung des Präventionsgedankens“, so Andras Gassen in einer ersten Stellungnahme. So müsse es schon in den Schulen mehr Informationen über ein herzgesundes Leben geben. „Durch weitere Vorsorgeuntersuchungen – wie sie offenbar vom Minister geplant sind – könnten wir im Übrigen auch Patienten erreichen, die nicht unmittelbar in die Risikogruppe fallen, aber trotzdem erhöhte Cholesterin- oder Blutzuckerwerte haben.“

Die unterschwellige Kritik des Ministers an den Krankenkassen, ihre bisherigen Präventionsprogramme seien nicht qualitätsgeprüft, konterte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) Ulrike Elsner: „Die GKV bietet ihren Versicherten einen einfachen Zugang zu 110.000 verschiedenen Präventionskursen. Die Qualität und Wirksamkeit jedes einzelnen Kurses wurde bundesweit einheitlich durch eine eigene Institution der GKV geprüft, der Zentralen Prüfstelle Prävention“, so Elsner in einer Mitteilung.

Diese Prüfstelle stelle sicher, dass die angebotenen Kurse durch geprüfte Fachkräfte angeboten werden. „Die Versicherten können Angebote aus den vier Handlungsfeldern Bewegung, Ernährung, Stress- und Ressourcenmanagement sowie Suchtmittelkonsum auswählen. Auf Wunsch des Gesetzgebers wurden die Präventionsaktivitäten 2015 deutlich ausgebaut“, betonte Elsner.

kna/bee/dpa

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