Ärzteschaft

Potenzial der Früherkennung von Herzerkrankungen wird nicht genutzt

  • Freitag, 23. Juni 2023
/ipopba, stock.adobe.com
/ipopba, stock.adobe.com

Berlin – Für die Früherkennung struktureller Herzerkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollte es eine Strategie geben, die auch gesetzlich verankert wird. Dafür setzt sich auf europäischer Ebene ein Netzwerk aus Meinungsführern, Politikern, Patienten und Industrievertretern ein, an dem auch deutsche Expertinnen und Experten beteiligt sind – die Structural Heart Disease Coalition (SHD Coalition).

Trotz der Rückläufigkeit beim akuten Herzinfarkt bleiben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinsuffizienz und chronische koronare Herzkrankheiten (KHK) mit 338.000 Verstorbenen im Jahr 2020 weiterhin mit Abstand die häufigste Todesursache – deutlich vor Krebs. Das zeigt der aktuelle Deutsche Herzbericht.

„Den größten Nachholbedarf gibt es bei der Vorsorge und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagte Martina Stamm-Fibich (SPD), Schirmfrau der SHD Coalition gestern bei einem Roundtable des Netzwerks. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sei Deutschland bei der Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestenfalls Mittelmaß, gab die Vorsitzende des Petitionsausschusses zu Bedenken. Denn diese hätten im Gegensatz zu Deutschland eine nationale Strategie, die Maßnahmen übersichtlich darstellt, koordiniert und Verantwortliche benennt.

Zwar wurden in den vergangenen Jahren einige Früherkennungsmaßnahmen angestoßen, die auch der Vertreter der Krankenkassen, Christian Graf, Abteilungsleiter für Versorgungsprogramme der BARMER GEK, aufführte. Es gibt den Check-up ab 35 alle 3 Jahre, den bei der Barmer etwa 50 Prozent aller Versicherten ab 40 Jahren in Anspruch nehmen. Im Jahr 2003 wurde das Disease Management Programm (DMP) KHK eingeführt, ein eigenes Modul zu Herzinsuffizienz soll ebenfalls kommen. Eine einheitliche Strategie etwa wie bei der Dekade gegen Krebs oder dem Prostatakrebsscreening gibt es für Herzkrankheiten jedoch nicht.

Die SHD Coalition fordere daher für Deutschland eine gezielte Verbesserung der Früherkennung von strukturellen Herzerkrankungen durch medizinische Maßnahmen, sagte Mohammed Sherif vom Deutschen Herzzentrum Charité - Universitätsmedizin Berlin. „Dazu zählen die Untersuchung mit dem Stethoskop, einige Blutmarker, wie etwa BNP (B-natriuretisches Peptid) und auch ein Herzultraschall.“

Eine Umfrage zur Herzgesundheit in Deutschland im Rahmen des European Heart Health Surveys 2019 ergab, dass nur 17 Prozent der Befragten im Alter von 60 bis 64 bei ihren Hausärzten regelmäßig am Herzen abgehört werden. Zehn Prozent derselben Altersgruppe gaben an, dass ihr Herz noch nie abgehört wurde.

„Deutschland braucht eine Strategie auf politischer Ebene, die diese Früherkennung politisch verankert“, erklärte Sherif, der im Lenkungsgremium der SHD Coalition tätig ist. Ein erster Schritt sei laut Sherif, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Schirmherrschaft für die Nationale Herz-Allianz (NHA) übernommen habe. Unter dem Dach der NHA sollen unter anderem zwei Pilotprogramme zur Früherkennung der familiären Hypercholesterinä­mie sowie der chronischen Herzinsuffizienz mit dem Ziel auf den Weg gebracht werden, die entsprechenden Untersuchungen in die Regelversorgung zu überführen. Über die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und vieler weiterer Fachgesellschaften hat das Deutsche Ärzteblatt bereits berichtet.

Bereits 2021 hatte die SHD Coalition einen Call for Action für die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erstellt, um diese in Deutschland langfristig und nachhaltig zu verbessern. Es werden fünf Handlungsempfehlungen an politische Entscheidungsträger formuliert, vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag geplanten Nationalen Präventionsplans und der Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes.

Hier empfiehlt das Netzwerk die Einrichtung einer separaten Herzuntersuchungsrichtlinie, die Sensibilisierung der Bevölkerung und der Ärzteschaft für die Notwendigkeit der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Stärkung des intersektoralen Austauschs und der Kommunikation zwischen Hausärzten und Fachärzten, sowie zwischen Ärzten in Niederlassungen und in Kliniken. Zudem sollten Krankenkassen zur Verbesserung der Infrastruktur von Früherkennungsverfahren stärker eingebunden werden und digitale Gesundheitsanwendungen gezielt genutzt werden.

gie

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung