Politik

„Persönliches Ärzteteam“: Kassenverband legt Modell für Patientensteuerung vor

  • Freitag, 21. März 2025
/kazoka303030, stock.adobe.com
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Berlin – Ein „persönliches Ärzteteam“ könnte künftig Versicherte durch das Gesundheitssystem steuern. Diesem Ärzteteam, das sich jeder gesetzlich Versicherte zusammenstellen kann, gehören neben einem Hausarzt bis zu drei Ärztinnen und Ärzte verschiedener anderer Fachgruppen an. Zusätzlich soll es für jeden den Zugang zu einem digitalen Tool zur Ersteinschätzung geben, das regelmäßig genutzt werden kann. Dieses Konzept stellte der Verband der Ersatzkassen (vdek) gestern vor Journalisten in Berlin vor. Dem Verband gehören unter anderem die Techniker Krankenkasse, die Barmer, die DAK Gesundheit und die KKH an.

Über die künftige Steuerung von Patientinnen und Patienten wird derzeit intensiv diskutiert: Ansätze dafür waren bereits in den Wahlprogrammen von Union, SPD und den Grünen enthalten und sollen offenbar auch in den jetzigen schwarz-roten Koalitionsverhandlungen auf der Tagesordnung sein.

Auch die Bundesärztekammer hatte vom Deutschen Ärztetag 2024 in Mainz den Auftrag erhalten, ein Steuerungsmodell zu erarbeiten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte Anfang März beschlossen, ein eigenes Konzept bis Ende Mai zum diesjährigen Deutschen Ärztetag in Leipzig vorzulegen.

Ärzteteam wird auf digitaler Plattform zusammengestellt

Den Versorgungsablauf stellt sich der Krankenkassenverband in seinem Modell so vor: Versicherte wählen auf einer – noch zu erstellenden – digitalen Plattform ihr Ärzteteam zusammen. Neben dem Hausarzt können dies bis zu drei weitere Fachärzte sein, die in der Versorgung benötigt werden. Diese Festlegung soll für ein Jahr verbindlich sein, so der Verband. Versicherte sollen zu allen Arztpraxen aus diesem Team direkt gehen können – ohne weitere Überweisungen.

Das Team hat somit eine zentrale Lotsenfunktion. Auf „Vorrat" können Praxen nicht ausgewählt werden, Praxen sollen auch ablehnen können, von ihnen unbekannten Patienten auf die Liste genommen zu werden.

Werden weitere Fachärzte zur Abklärung und Versorgung benötigt, stellt ein Arzt aus dem Team eine Überweisung aus. Auch diese Überweisung soll digital erfolgen und ähnlich wie beim E-Rezept auf einer ebenfalls noch zu errichtenden Plattform abgelegt und von der Arztpraxis abgerufen werden. Wird eine Praxis außerhalb des definierten Ärzteteams aufgesucht und gibt es keine zusätzliche Überweisung dorthin, solle die Behandlung nicht auf Kosten der Krankenkasse abgerechnet werden können.

Das Ärzteteam würde ergänzt durch eine telemedizinische Ersteinschätzung per Telefon oder App. Dort soll es zu einer „konkreten Versorgungsempfehlung“ kommen, je nach Bedarf auch mit einer Videosprechstunde. „Damit haben auch Versicherte ohne Hausärztin oder Hausarzt einen festen Anlaufpunkt“, heißt es in dem Konzept. Neben diesem persönlichen Team soll auch die Rufnummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen in dem Modell eine wichtige Rolle spielen.

Steuerung für Patienten, die mehr als sechs Praxen besuchen

Mit dem Konzept will der Verband der Ersatzkassen vor allem auch das Problem der fehlenden Arzttermine lösen. „Versicherte berichten zunehmend davon, dass sie auf Facharzttermine zu lange warten müssen oder dass sie als Neupatientinnen und -patienten gar nicht erst aufgenommen werden“, so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek bei der Vorstellung.

Daher sei das oberste Ziel einer Patientensteuerung, freie Termine bereitzustellen und zu vermitteln sowie mehr Behandlungszeiten für den Patienten zu schaffen. Dazu könne auch die verstärkte telemedizinische Ersteinschätzung beitragen, mit der Bagatellfälle aus den Praxen rausgehalten werden könnten.

Für eine bessere Steuerung von Arztkontakten hat der Verband besonders die Gruppen an Patienten identifiziert, die sechs oder mehr verschiedene Arztpraxen pro Jahr aufsuchen. Nach Berechnungen für das Jahr 2022 seien dies rund 19,5 Prozent der Versicherten, die sechs oder mehr Praxen besuchen, 12,6 Prozent der Versicherten sind pro Jahr bei sieben und mehr Praxen. Die Steuerung müsse an dieser Stelle ansetzen, um mehr freie Termine zu generieren, so der Verband.

Eine reine hausarztzentrierte Versorgung (HzV) biete „keine hinreichende Lösung“ für die Steuerung, betonte Elsner. „Eine flächendeckende Umsetzung des HzV-Modells als Regelversorgung würde die Hausarztpraxen zudem bei etwa 75 Millionen Versicherte an ihre Kapazitätsgrenzen bringen und damit zu einem neuen Flaschenhals in der Versorgung führen“, so Elsner weiter.

Man biete mit dem Modell nun eine Chance an, in dem auch die Fachärzte einbezogen werden und somit ein „Ausgleich“ zwischen den Arztgruppen stattfinde, erklärte Boris von Maydell, Leiter der Abteilung Ambulante Versorgung beim vdek.

Forderung an Politik: Konzepte der Selbstverwaltung überlassen

Mit dem Konzept will der Verband nun in die Diskussion mit den Ärzteverbänden, speziell der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gehen. Es könne über weitere Details – beispielsweise wie groß dieses Ärzteteam sein müsse oder wie mit einzelnen Fachgruppen wie der gynäkologischen Versorgung umgegangen werden könne – diskutieren.

Dabei ist es Elsner wichtig, dass die Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen ein gemeinsames Konzept erarbeiten. „Wir wollen von der Politik nur den gesetzlichen Rahmen dafür, die Ausgestaltung im Detail soll uns überlassen werden.“ Denn es solle ein System werden, das funktioniere, so Elsner.

bee

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