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Politik will nach Wahlen neue Initiative zur Bekämpfung von Antibiotika­resistenzen starten

  • Dienstag, 19. November 2024
/antibiotikaresistenz, stock.adobe.com
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Berlin – Der CDU-Gesundheitspolitiker Georg Kippels geht davon aus, dass es in der nächsten Legislaturperiode eine Regierungsinitiative zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen geben wird. „Mit Sicherheit wird dieses Thema in ein neues Regierungsprogramm eingeschlossen werden“, sagte Kippels auf einer Veranstaltung des Verbands Pharma Deutschland anlässlich des heutigen Europäischen Antibiotikatags in Berlin.

Im Juni dieses Jahres hat Kippels einen Parlamentskreis gegen Antimikrobielle Resistenzen gegründet. „Wir haben in dem Parlamentskreis parteiübergreifend besprochen, dass wir neue Anreize für die Forschung und Produktion neuer Antibiotika setzen wollen. Da gibt es eine große Übereinstimmung zwischen den Parteien“, sagte Kippels.

Darüber hinaus sei es wichtig, das Thema auf europäischer und internationaler Ebene anzugehen. „Wir dürfen uns vor dieser Aufgabe nicht wegducken“, betonte der Obmann der Union im Gesundheitsausschuss des Bundestages. „Die Zahlen sind bedrohlich und es liegt in unserer Hand, dagegen aktiv zu werden.“

Thomas Heil vom Analyseunternehmen Iqvia erklärte, dass heute weltweit mehr als eine Million Menschen infolge von Antibiotikaresistenzen stürben. „Das sind mehr als bei HIV oder Malaria“, sagte er. „Dadurch kommen Krankheiten zurück, die wir längst für besiegt gehalten haben.“

Zudem gingen Prognosen davon aus, dass es bis 2050 bis zu zehn Millionen Tote sein könnten. „Das ist ein er­hebliches Problem, weil es gleichzeitig keine aktive Forschung zu neuen Antibiotika gibt“, sagte Heil. „Sämtliche Forschungsaktivitäten sind eingestellt worden, weil die Hersteller mit Antibiotika kein Geld verdienen können.“

Seit 2020 seien nur drei neue antibiotische Substanzen auf den Markt gekommen, die alle kommerziell nicht erfolgreich gewesen seien. Seit 2017 hätten sechs Start-ups eine Zulassung von der FDA für neue Antibiotika erhalten. „Sie alle haben die Entwicklung wieder aufgegeben, weil sie sich nicht rentiert hat“, sagte Heil. Der weltweite Umsatz der drei wichtigsten patentgeschützten Antibiotika sei zudem dramatisch eingebrochen. Die kommerziellen Anreizsysteme funktionierten weltweit nicht mehr.

Heil erklärte, dass 80 bis 90 Prozent der weltweiten Produktion von Antibiotika in China und Indien stattfinde. „Vor allem die Grundstoffe für Antibiotika kommen fast ausschließlich aus China“, sagte Heil. „Das hat eine politische Dimension. Wenn China uns schaden will, kann es einfach die Lieferung von Antibiotika einstellen.“

Die Europäische Union diskutiert Heil zufolge unterschiedliche Anreizsysteme, um die Entwicklung neuer Antibio­tika zu fördern: übertragbare Exklusivitätsscheine, Meilensteinzahlungen und Abonnementmodelle. Bei den über­tragbaren Exklusivitätsscheinen, auch Voucher genannt, verlängert sich die Patentlaufzeit eines beliebigen Arznei­mittels um ein Jahr, wenn ein Pharmaunternehmen ein neues Antibiotikum entwickelt, das bestimmte Kriterien erfüllt.

Mengenunabhängige Bezahlung

Meilensteinzahlungen sind finanzielle Belohnungen, die an bestimmte Entwicklungsphasen geknüpft sind, zum Beispiel den Abschluss präklinischer Studien oder den Beginn klinischer Studien. Beim Abonnementmodell erhält die Pharmafirma eine garantierte Zahlung oder eine Ertragsgarantie durch staatliche Stellen oder Versicherungen.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer von Pharma Deutschland, Elmar Kroth, sprach sich für die Einführung von Abonnementmodellen aus. „Dann würde mit dem Hersteller eine mengenunabhängige Gratifikation vereinbart und der Hersteller würde sich im Gegenzug dazu verpflichten, bei Nachfrage zu liefern“, sagte Kroth.

Thomas Weigold von Sandoz/Hexal forderte mehr Finanzierungsmodelle, wie es sie bei dem Sandoz-Werk im österreichischen Kundl gegeben hat. Dabei investierten der Hersteller und der Staat Österreich gemeinsam in den Ausbau des Werks, um die Herstellung von Penicillin an einem Standort zu ermöglichen: von der Fermentation des Ausgangsstoffs bis zu den verschiedenen Darreichungsformen.

„In Kundl können wir Penicillin herstellen, ohne dabei auf Ausgangsstoffe aus China angewiesen zu sein“, sagte Weigold. „Mittlerweile können wir hier 240 Millionen Packungen pro Jahr herstellen und damit ganz Europa mit Penicillin versorgen.“

Der Ausbau der Fabrik habe drei Jahre gedauert. Weigold betonte vor diesem Hintergrund, dass es nicht möglich sei, innerhalb kurzer Zeit eine Fabrik in Europa neu zu bauen, die Antibiotika herstellt. Es müsse jetzt deshalb darum gehen, die Standorte in Deutschland und Europa zu identifizieren, an denen man die Herstellung von Antibiotika ausbauen kann, und dann gezielt dort zu investieren.

Weigold forderte, dass die Hersteller in den Zeiten einer Inflation mit den steigenden Kosten nicht alleingelassen werden. „Für die Fermentierung braucht man viel Wärme und viel Zucker“, sagte er. „Wenn die Preise für Wärme und Zucker im Rahmen einer Inflation steigen, kann der Hersteller die erhöhten Preisen im regulierten System nicht zurückerhalten. Wir brauchen deshalb ein atmendes System, bei dem so etwas möglich wird.“

Zudem warb er dafür, auch Generika wieder den Wert zu geben, den sie für die Gesundheit der Menschen haben. „Wir haben uns daran gewöhnt, dass Generika zu jeder Zeit und zu einem extrem niedrigen Preis verfügbar sind“, sagte er. „In Zeiten von Lieferengpässen sehen wir, dass das jetzt nicht mehr gilt. Wir müssen deshalb neu definieren, was uns diese Arzneimittel wert sind.“

fos

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