Politik will Pflegebedarfsbemessung im Krankenhaus auf den Weg bringen

Berlin – Im Gesundheitswesen soll ein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in der unmittelbaren Patientenversorgung im Krankenhaus eingeführt werden.
Dafür sollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der GKV-Spitzenverband und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) verpflichtet werden, im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Entwicklung und Erprobung eines entsprechenden Verfahrens bis spätestens Ende 2024 vorzunehmen.
Die derzeit geltenden Pflegepersonaluntergrenzen sollen dabei ihre Gültigkeit behalten. Das geht aus einem Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) hervor, den das BMG den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen als sogenannte Formulierungshilfe vorgelegt hat.
„Eine angemessene Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus ist für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten unabdingbar“, heißt es darin zur Begründung. „Zu den Rahmenbedingungen einer guten und motivierten Pflege gehört eine qualitativ und quantitativ am Bedarf ausgerichtete Pflegepersonalausstattung der Krankenhäuser.“
Fachliche angemessene pflegerische Versorgung
Das Verfahren soll bedarfsgerecht, standardisiert, aufwandsarm, transparent, digital anwendbar und zukunftsfähig sein. „Zur Sicherstellung der Wissenschaftlichkeit des Verfahrens“ sollen die Vertragspartner „fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen oder Sachverständige“ mit der Ausarbeitung des Verfahrens beauftragen.
„Das Pflegepersonalbemessungsverfahren ist für die unmittelbare Patientenversorgung in allen bettenführenden, somatischen Bereichen der Krankenhäuser unter Berücksichtigung des Qualifikationsmixes zu entwickeln“, heißt es weiter.
Dazu sei ein strukturiertes, empirisch abgesichertes und valides Verfahren zu erstellen, durch das auf Basis der Erfassung des individuellen Pflegebedarfs der Patienten der für eine fachlich angemessene pflegerische Versorgung erforderliche Pflegepersonalbedarf ermittelt werden solle. Die Entwicklung erfolge auf der Grundlage vorhandener valider und reliabler Assessmentinstrumente und werde empirisch überprüft.
Bürokratiearme Ausgestaltung
Das Personalbemessungsverfahren müsse eine standardisierte, bundesweit einheitliche Anwendung sicherstellen, die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten, zum Beispiel hinsichtlich der Einordnung des Pflegebedarfes, keinen Raum lasse. „Zudem ist es bürokratiearm auszugestalten, indem es bereits bestehende Datenflüsse und Dokumentationsaufwände in den Krankenhäusern einbezieht“, heißt es in dem Änderungsantrag.
„Ergänzend sollen systematisch auch solche Tätigkeiten erfasst werden, die nicht bereits aus der Pflegedokumentation ersichtlich sind (wie zum Beispiel die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern, Ausbildung, Dokumentation, Beratung von Angehörigen, Koordination und so weiter) und durch die die direkte Pflege ‚am Bett‘ unterstützt oder ermöglicht wird.“
Der Änderungsantrag enthält auch einen Zeitplan für die Ausgestaltung des Verfahrens. So sollen die Vertragsparteien dem BMG spätestens bis zum 15. Dezember 2021 eine Beschreibung des Inhalts der Beauftragung sowie einen Zeitplan mit konkreten Zeitzielen vorlegen. Die Gutachter sollen bis spätestens 30. Juni 2022 beauftragt werden.
Sollten die Vertragspartner die entsprechenden Fristen nicht einhalten, soll das BMG einzelne Verfahrensschritte selbst durchführen können. Die Vertragspartner sollen zudem dazu verpflichtet werden, das BMG im gesamten Entwicklungs- und Erprobungszeitraum über den aktuellen Stand der Entwicklung und Erprobung zu informieren.
Mit diesem Vorhaben würde einem seit längerem von Krankenhäusern und Pflege vorgetragenen Wunsch nachgekommen werden. Die DKG, der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaft Verdi haben Anfang des vergangenen Jahres den Einsatz der sogenannten Pflege-Personalregelung (PPR) 2.0 als vorübergehendes Instrument zur Bemessung des Pflegebedarfs im Krankenhaus vorgeschlagen. Die PPR 2.0 fußt aus einem entsprechenden Verfahren aus den 1990er-Jahren.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte allerdings die Einführung einer Übergangsregelung abgelehnt, da bereits eine Übergangsregelung existiere. So gebe es die mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz eingeführte Regelung, dass den Krankenhäusern sämtliches Pflegepersonal, das am Krankenbett tätigt ist, von den Krankenkassen finanziert werden müsse.
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