Projekte für Telemedizin und Delegation überzeugen Gesundheitspolitiker

Berlin – Um den Herausforderungen der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung in den unterschiedlichen Landesteilen in Deutschland künftig zu begegnen, benötigt es eine bessere Verknüpfung von digitalen und ambulanten Strukturen. Modellprojekte, die mehrere Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) in einigen Regionen testen und die bereits zu guten Ergebnissen führen, zeigen mögliche Pfade dazu auf.
Bei einer Veranstaltung des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung (Zi) vergangene Woche in Berlin präsentierten die jeweiligen KV-Vorstände ihre Erkenntnisse und diskutierten diese mit Vertreterinnen und Vertretern von Landesgesundheitsministerien. Diese zeigten sich offen, bei guten Projekten bei der Umsetzung zu helfen.
Damit die 116117, die derzeit von den KVen finanziert wird, auch noch deutlich ausgebaut werden kann, brauche es eine entsprechende Finanzierung, sagte beispielsweise die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD). Zur Verbesserung der Steuerung in den Bundesländern brauche es neben der einheitlichen Finanzierung auch „zwingend“ Bundesgesetze. Mit dieser telefonischen und digitalen Erweiterung könnte man aber wichtige Schritte für eine Patientensteuerung gehen.
Matthias Heidmeier, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und Soziales in Nordrhein-Westfalen (NRW), setzte sich bei dem Thema Steuerung von Patienten eher für das Wort „Patientennavigation“ ein. Im komplexen Gesundheitssytem benötige es mehr Navigation. Werde der Rettungsdienst in einem Notfall alarmiert, benötige es eine bessere Analyse, was dort passiere. „Wir sind sehr blind, wenn zum Patienten gefahren wird“, so Heidmeier. Für NRW werde daher gerade an einem Rettungsdienstgesetz gearbeitet.
Der stellvertretende Vorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Thomas Ballast, forderte in der Debatte um eine bessere Steuerung von Patientinnen und Patienten in die notwendigen Versorgungsebenen von der Selbstverwaltung eine gemeinsame Idee und „nicht so eine Kakophonie, die derzeit überall zu hören ist.“
Für die Patientensteuerung haben beispielsweise die KV Baden-Württemberg aber auch die KV Hessen mehrere Projekte initiiert. „Wir stellen fest, dass in Baden-Württemberg am Samstagvormittag mit 5.000 Anrufen der größte Ansturm auf unsere Systeme ist“, erklärte KV-Vize Doris Reinhardt. Daher brauche es eine bessere Ersteinschätzung und Telemedizin als Ergänzung.
„Arztzeit ist Versorgungszeit. Und mit der müssen wir sehr sehr sehr sorgsam umgehen“, sagte Reinhardt. Zudem sei es aber wichtig, dass die Plattformen, mit denen Patienten gesteuert werden, gut miteinander verbunden und vernetzt seien, so dass keine Datenbrüche entstünden. Diese Forderungen kommen auch aus der KV Hessen, die bereits mehrere Projekte zur Steuerung von Versorgung außerhalb von Praxissprechstunden organsiert hat.
Dabei seien die digitale Schaltung zu den Rettungsleitstellen, die Zusammenarbeit mit Rettungsdiensten auf Augenhöhe sowie auch der Datenschutz wichtig, der bei der Übergabe von Patienten in die nächste Versorgungsform nicht im Weg stehen dürfe, führte Armin Beck, stellvertretender Vorsitzender der KV Hessen aus.
Neben der besseren Verteilung von Arztzeit außerhalb von Sprechstundenzeiten müsse es auch Schritte zu mehr Delegation geben. Auch hier gibt es Projekte in den KVen, wie beispielsweise Niedersachsen (KVN) und Westfalen-Lippe zeigen (KVWL): In Westfalen-Lippe gibt es unter Federführung von Volker Schrage, bis Ende März KV-Vize in Westfalen-Lippe, mehrere Projekte zur Integration von Physician Assistants in Praxen, sowie Konzepte zur Team-Praxis.
„Die Delegation von ärztlichen Leistungen können auch neue Karrieremöglichkeiten für Medizinische Fachangestellte ergeben“, erklärt Schrage. Die Gesamtverantwortung bleibe beim Arzt, aber es gebe einen Kompetenzgewinn im Team. Für solche Lösungen benötige es ein Abrechnungssystem, dass auf den Kontakt mit einer Praxis setze, nicht auf den Kontakt zu einem einzelnen Arzt.
Eine institutionelle Entlastung im Bereitschaftsdienst schreibt sich auch ein Pilotprojekt aus Niedersachsen auf die Fahne, welches im Sommer 2025 in Niedersachsen starten soll. Im Bereitschaftsdienst soll zunächst obligatorisch ein Arztkontakt per Telefon oder per Video hergestellt werden und je nach Fall auch nicht ärztliches Personal zum Patienten geschickt werden können. Für diese Personen, die von der Ausbildung her dafür infrage kommen, soll es gesonderte Schulungen geben, die rund acht Wochen dauern sollen.
Gesundheitspolitik reagiere auf diese Veränderungen von Telemedizin sowie Delegationsprojekten in der Versorgung, betonte der Staatssekretär im Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein, Oliver Grundei. So seien in den Papieren der möglichen schwarz-roten Koalition, die an dem Tag der Zi-Veranstaltung gerade bekannt wurden, bereits Ansätze für Vergütungen nach „Praxis-Kontakt“ enthalten, mehr Freiraum für Delegation solle ermöglicht werden.
Für mehr regionale Versorgungsmöglichkeiten und Projekte setzte sich die Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, Daniela Teichert, ein. „Es ist gut, dass es mehr Offenheit in der Ärzteschaft für die erweiterte Delegation gibt.“ Sie betonte aber auch, dass man die vielen guten Projekte nicht in jeder Region neu erfinden müsse, sondern auch kopieren könne, wenn es gut laufe. „Wir müssen viel mehr über die interdisziplinierte Versorgung kommunizieren und dafür Akzeptanz bei den Patientinnen und Patienten finden.“
Für die Akzeptanz von digitalen Projekten in der Versorgung und die damit einhergehenden Veränderungen machte sich auch die Gesundheitsministerin von Thüringen, Katharina Schenk (SPD), stark. Die diesjährige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz erklärte, für sie stelle sich die Frage, wie die vielen Pilotprojekte nun auch in die Versorgung kämen. Die Länder könnten zwar unterstützen, aber auch nicht über alle Maßen.
Auf eine gute Akzeptanz hoffen auch die Initiatoren der telemedizinischen Projekte aus der KV Bayerns sowie der KV Sachsen-Anhalt: So werden in Bayern nun das Projekt „DocOnline“ in Pflegeeinrichtungen getestet, so dass Videosprechstunden in Notfällen möglich sind und somit weniger Einsätze des Rettungsdienstes oder auch eines fahrenden Dienstes nötig werden sollen.
Auch soll das Pflegeheim einen Medikamentenkoffer für gängige Medikamente bekommen, damit nicht für jede Verordnung ein Arzt vorbei kommen müsse, betonte Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der KV Bayerns.
Um dem Ärztemangel speziell bei Augenärzten in Sachsen-Anhalt zu begegnen, hat die KV das Projekt „TEAS“ aufgesetzt. Augenärzte sind im Landkreis Altmark kaum vorhanden. Bei dem Projekt werden Diagnostik, Screening sowie Vorsorgeuntersuchung per Telemedizin durchgeführt.
„Wir können aber keine Akutversorgung mit dem Projekt leisten“, so Jörg Böhme, Vorsitzender der KV Sachsen-Anhalt. Die dortige Gesundheitsministerin, Petra Grimm-Benne (SPD), lobte das Projekt. Sie gehe davon aus, dass diese Art der Versorgung in einigen Regionen künftig Standard sein werde.
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