Referentenentwurf zur Suizidprävention vorlegt
Berlin – Mit monatelanger Verspätung, aber noch kurz vor dem Ende der Legislatur hat die Bundesregierung jetzt einen Referentenentwurf für ein Suizidpräventionsgesetz vorlegt. Dieses soll Menschen in Krisensituationen verstärkt Hilfestellung bieten.
Der Gesetzentwurf hat eine Hängepartie durchlaufen: Entsprechend des fast einstimmigen Beschlusses des Parlaments vom Juli 2023 sollte er eigentlich schon Ende Juni 2024 stehen. Zuletzt war der Entwurf auf Basis der im Mai von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veröffentlichten Suizidpräventionsstrategie dann für den „Sommer“ durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) angekündigt gewesen. Mehrfach hatten zwischenzeitlich Ärzteschaft und Fachverbände eine solche gesetzliche Verankerung der Suizidprävention angemahnt.
Gestern nun endlich wurde der Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz (SuizidPrävG-E), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, an die Fachkreise zur Stellungnahme verschickt. Er greift verschiedene Impulse zur Stärkung der Suizidprävention auf. Durch Information, Aufklärung, Forschung und niedrigschwellige Unterstützung will er grundsätzlich dazu beitragen, Suizidversuche und Suizide von Menschen aller Altersgruppen möglichst zu verhindern.
Auf seiner Grundlage soll die Suizidprävention gemeinsam mit Ländern und Kommunen ab 2025 weiterentwickelt werden. Die nach Landesrecht zuständigen Behörden und Stellen sollen die Aufgabe erhalten, die Bevölkerung über Suizidalität und die Möglichkeiten zu deren Verhütung aufzuklären.
Ärztinnen und Ärzte sowie andere bestimmte Geheimnisträger sollen bei Kenntnis gewichtiger Anhaltspunkte einer Suizidgefahr weitere Maßnahmen einleiten. Zudem sind die Länder aufgefordert, Netzwerkstrukturen in der Suizidprävention zur Zusammenarbeit aufzubauen und weiterzuentwickeln.
Zentral ist dem Entwurf zufolge dabei die Errichtung einer Nationalen Koordinierungsstelle zur Suizidprävention im BMG. Zu ihren Kernaufgaben soll die Entwicklung und Veröffentlichung qualitätsgesicherter Informationen über Suizidalität und Hilfsangebote gehören, die sich sowohl an die allgemeine Öffentlichkeit als auch an Fachkreise richten.
Ergänzend dazu soll ein digitales Verzeichnis aufgebaut werden, das bundesweite und überregionale Informations-, Hilfs- und Beratungsangebote bündelt und zugänglich macht.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt dem Entwurf zufolge in der Qualitätssicherung bestehender Maßnahmen zur Suizidprävention, wofür die Koordinierungsstelle künftig fachliche Unterstützung bereitstellen und die Zusammenarbeit und Vernetzung der Akteure in diesem Bereich fördern soll. Zusätzlich soll sie gemeinsam mit den Ländern neue Präventionsmaßnahmen entwickeln, beispielsweise im Bereich der Methodenrestriktion.
Ein wesentlicher Punkt soll die Erarbeitung eines Konzepts für eine bundesweit einheitliche Krisendienstrufnummer gemeinsam mit den Ländern sein. Auch die Weiterentwicklung und Vernetzung bestehender Online- und Telefonberatungsangebote gehört zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle. Sie soll hierfür ein fachliches Konzept in Abstimmung mit den Ländern entwickeln.
Darüber hinaus soll sie die Weiterbildung von Fachkräften durch die Erarbeitung von Rahmenempfehlungen unterstützen und die Förderung deren Umsetzung in die Praxis.
Ferner soll Forschung im Bereich Suizidprävention, Suizidalität und assistierter Suizid aktiv durch die Koordinierungsstelle vorangetrieben werden. Hierzu gehört dem Entwurf zufolge auch die Einrichtung eines Systems zur systematischen Beobachtung, Analyse und Berichterstattung über Suizidalität (Surveillance). Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in eine Bedarfsanalyse für ein mögliches Suizidregister einfließen, das bei Bedarf konzipiert und umgesetzt werden kann.
Zur Unterstützung ihrer Arbeit wird die Koordinierungsstelle von einem Fachbeirat beraten sowie von einer Behörde im nachgeordneten Geschäftsbereich des BMG und den Ländern organisatorisch unterstützt, heißt es im Entwurf.
Das BMG soll regelmäßig an den Deutschen Bundestag über die Fortschritte der Koordinierungsstelle berichten. Die Wirksamkeit der Maßnahmen soll evaluiert werden. Zusätzlich sieht das Gesetz Modellvorhaben vor, die Maßnahmen der Suizidprävention als Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen erproben.
Den Schätzungen des BMG zufolge sollen dem Bund infolge des Gesetzentwurfes jährliche Mehrkosten in Höhe von 3,6 Millionen Euro und einmalige Mehrkosten in Höhe von geschätzt 1,5 Millionen Euro entstehen, davon 1,3 Millionen für die nationale Koordinierungsstelle. Die jährlichen Mehrausgaben des Bundes sollen sich sukzessive ab dem Jahr 2026 aufbauen und ab dem Jahr 2027 vollständig zum Tragen kommen.
Den Ländern und Gemeinden sollen jährliche Mehrkosten in Höhe von geschätzt 2,3 Millionen Euro und einmalige Mehrkosten in Höhe von etwa 3,3 Millionen Euro entstehen und vollständig ab dem Jahr 2027 zum Tragen kommen. Durch diese gestufte Kostenentwicklung soll ein dämpfender Effekt auf die Kostenentwicklung in den ersten Jahren nach Inkrafttreten erzielt werden.
Die Gesetzliche Krankenversicherung muss mit einmaligen Mehrkosten in Höhe von 4,1 Millionen Euro in den Jahren 2025 bis 2027 rechnen. Dann sollen Modellvorhaben zu Maßnahmen der Suizidprävention durchgeführt werden. Ob und wann der Entwurf durch das Parlament noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, ist noch unklar.
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