Regierungsberater: Finanzierbarkeit der Sozialkassen in Gefahr

Berlin – Steigende Kosten für die Altenpflege und ein wachsender Anteil pflegebedürftiger Menschen könnten die Sozialversicherung in wenigen Jahren an die Grenzen ihrer Finanzierbarkeit bringen. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium in einem neuen Gutachten zur „Nachhaltigen Finanzierung von Pflegeleistungen“, das heute in Berlin vorgestellt wurde.
Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung müsste dem Gutachten zufolge bis zum Jahr 2040 allein durch die steigende Zahl an Leistungsbeziehern in der Generation der sogenannten Babyboomer von derzeit 3,05 Prozent auf rund fünf Prozent des Bruttolohns steigen. Pläne der Ampelkoalition, die finanzielle Last für Pflegebedürftige über höhere Sozialkassenleistungen zu verringern, sind darin noch nicht berücksichtigt.
Durch den zugleich absehbaren Anstieg der Renten- und Krankenkassenbeiträge sei schon auf dieser Grundlage mit einem Gesamtbeitragssatz von 49 bis 53 Prozent des Bruttolohns zu rechnen, schreibt der Beirat und warnt: „Es ist zu bezweifeln, dass die Beitragszahlenden des Jahres 2040 bereit sein werden, einen so großen Anteil ihres Arbeitseinkommens abzutreten.“
Dies bringe die Finanzierbarkeit der Sozialversicherung „insgesamt in Gefahr“, heißt es. Bisher liegt der Gesamtbeitragssatz bei 40 Prozent. Ein Anstieg auf 49 Prozent würde die Beitragszahler um mindestens 140 Milliarden Euro mehr im Jahr belasten. Der Beirat, dem derzeit 41 Ökonomen und Juristen angehören, rät klar von einem Ausbau beitragsfinanzierter Pflegeleistungen ab.
Zugleich übte der Konstanzer Wirtschaftswissenschaftler, Friedrich Breyer, der beim Gutachten federführend war, deutliche Kritik an Reformplänen der Ampelkoalition, die Leistungen auszuweiten. Stattdessen empfiehlt der Rat, eine Pflicht zum Abschluss ergänzender Privatversicherungen gegen das Pflegerisiko einzuführen.
Für eine solche kapitalgedeckte Vorsorge spreche, dass damit auch noch die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge 1957 bis 1969 an der Finanzierung der hohen Pflegeausgaben für ihre Generation beteiligt werden könnten.
„Die Kohorte der Babyboomer hat noch zwei Jahrzehnte Zeit, zusätzliche Pflegeleistungen durch eigene Vorsorge abzusichern“, betonte der Vorsitzende des Beirats, Klaus Schmidt, der Ökonomieprofessor der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist.
Mit einem weiteren Ausbau der Sozialversicherung hingegen würden diese Mehrausgaben erst später über höhere Beitragssätze spürbar, was dann die nachfolgende Zahlergeneration umso stärker belaste, so das Gutachten.
Ein Ausbau beitragsfinanzierter Leistungen in der Pflege „würde zu einer erheblichen Umverteilung von den jüngeren zu den älteren Generationen führen und innerhalb der älteren vor allem die Vermögenden begünstigen“, warnte Schmidt.
Er empfahl zudem, den zu erwartende Beitragssatzanstieg ab 2030 durch einen Ausbau des Pflegevorsorgefonds abzuflachen. Dieser Fonds müsse zudem vor einem vorzeitigen Zugriff für andere Zwecke geschützt werden.
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