RSV-Prophylaxe: G-BA kann STIKO-Beschluss nicht umsetzen

Berlin – Der monoklonale Antikörper Nirsevimab, den die Ständige Impfkommission (STIKO) zur Prophylaxe von Erkrankungen mit respiratorischen Syntzialviren (RSV) bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer ersten RSV-Saison empfohlen hat, kann nicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Regelversorgung für gesetzlich Krankenversicherte gelangen.
Das Gremium stellte heute in einem formalen Beschluss fest, dass die Immunisierung nicht in die Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA aufgenommen werden kann. Für die Aufnahme in den Leisungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ist demnach vielmehr eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) erforderlich.
„Wir stellen uns hier nicht gegen die STIKO-Empfehlung“, sagte der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken. Man sage damit auch nicht, dass es „keine möglicherweise zielführende und probate Intervention“ sei, um eine Immunisierung der Neugeborenen und Säuglinge in ihrer 1. RSV-Saison zu errreichen.
Der Regelungskontext ordne das Ganze nur gesetzlich der Rechtsordnung des BMG zu. Hecken betonte, der G-BA könne die Immunisierung „schlicht und ergreifend“ nicht in die Schutzimpfungsrichtlinie aufnehmen. Man gehe aber davon aus, dass es „zufriedenstellend im Interesse der Betroffenen gelöst wird“.
Ministerium bestätigt G-BA-Ansicht
Hanno Kautz, Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), teilte dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage mit, das Ministerium prüfe derzeit den Erlass einer solchen Rechtsverordnung.
„Wenn eine solche erlassen wird, haben gesetzlich Versicherte unmittelbar nach Inkrafttreten einen Anspruch gegen die Krankenkassen auf Versorgung mit Nirsevimab“, sagte er. Der konkrete Anspruchsumfang sei von der Ausgestaltung der Rechtsverordnung abhängig.
Das BMG bestätigt damit die Rechtsauffassung des G-BA. Bei Nirsevimab handele es sich um einen monoklonalen Antikörper und damit nicht um eine Schutzimpfung, sondern eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe. Daher erfolge die Erstattung von Nirsevimab in der GKV auch nicht über die Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA.
„Soweit sich eine Erstattungsfähigkeit nicht auf Grundlage von Paragrafen 23, 27 Sozialgesetzbuch (SGB V) ergibt – Kinder mit Risikofaktoren für schwere RSV-Infektionen –, ist für die Erstattungsfähigkeit in der GKV eine Rechtsverordnung des BMG auf Grundlage von Paragraf 20i Abs. 3 S. 1 SGB V notwendig“, so das BMG.
Kautz wies zudem darauf hin, dass die Rechtsverordnung nicht für Privatversicherte greife. Ob die Kosten für die Gabe von Nirsevimab von dem jeweiligen privaten Krankenversicherungsunternehmen übernommen werde, sei von den Vertragsbedingungen des jeweiligen Unternehmens abhängig. Das hatte auch der Verband der Privaten Krankenversicherung erklärt.
Vergütung komplex
Die Vergütung für die Leistung in der GKV ist Kautz zufolge in der ambulanten Versorgung bereits abgedeckt. Vertragsärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Verordnung und Anwendung von Nirsevimab zur allgemeinen Prophylaxe wären wie schon bei der risikoindizierten Prophylaxe durch die Versicherten- und Grundpauschalen abgebildet, sagte er.
Die Vergütung im Krankenhaus erfolgt dem Ministerium zufolge über pauschalierte Entgelte. Für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB), die mit den pauschalierten Entgelten noch nicht sachgerecht vergütet werden könnten, bestehe, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die Möglichkeit separate Entgelte, sogenannte NUB-Entgelte, zu vereinbaren.
Die erste Voraussetzung dafür ist laut BMG, dass Krankenhäuser eine Information beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) dazu einholen, ob die neue Methode mit den bestehenden pauschalierten Entgelten sachgerecht abgerechnet werden kann.
„Für das Jahr 2024 haben 430 Krankenhäuser eine Information für den monoklonalen Antikörper Nirsevimab eingeholt“, erläuterte Kautz. Das InEK habe für Nirsevimab bestätigt, dass die Kriterien für die Vereinbarung eines NUB-Entgelts erfüllt seien. Somit könnten die 430 Krankenhäuser, die eine Information eingeholt hätten, mit den Kostenträgern ein NUB-Entgelt für Nirsevimab vereinbaren.
Der BMG-Sprecher wies darauf hin, dass das Ministerium zusammen mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Einführung des monoklonalen Antikörpers Nirsevimab zur Prophylaxe vor RSV-Infektionen im ersten Lebensjahr von Säuglingen kommunikativ begleiten werde.
„Vor Beginn der RSV-Saison werden der Fachöffentlichkeit, sorgeberechtigten und schwangeren Personen Informationen zur Nirsevimabgabe bei Säuglingen über unterschiedlichen Medien zur Verfügung gestellt“, kündigte Kautz an. Damit solle den Betroffenen eine informierte Entscheidung zu dieser Prophylaxemaßnahme ermöglicht werden.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) hat in der vergangenen Woche erstmals eine Empfehlung für eine passive Immunisierung ausgesprochen. Sie rät zur einmaligen Gabe des monoklonalen Antikörpers Nirsevimab (Beyfortus) für Neugeborene und Säuglinge in ihrer ersten Saison, in der sie Infektionen mit respiratorischen Syntzialviren (RSV) ausgesetzt sind.
Die Empfehlung gilt für alle Neugeborenen und Säuglinge – unabhängig davon, ob mögliche Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von RSV-Infektionen bestehen. Durch den Schutz der Babys vor schweren Infektionen während ihrer ersten RSV-Saison sollen RSV-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sowie ambulante und stationäre Versorgungsengpässe vermieden werden.
Der Zeitpunkt der RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab richtet sich nach dem Geburtstag der Kinder: Liegt er zwischen April und September, sollte die Injektion im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erfolgen. Fällt der Geburtstag in die Monate zwischen Oktober und März, das heißt während der RSV-Saison, sollte die Nirsevimab-Gabe möglichst schnell nach der Geburt durchgeführt werden.
Im Idealfall geschieht sie der STIKO zufolge bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung – etwa im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2, die am dritten bis zehnten Lebenstag durchgeführt wird. Während der RSV-Saison auf die Welt gekommene Neugeborene, die nach der Geburt länger im Krankenhaus bleiben müssen, sollten die intramuskuläre Injektion rechtzeitig vor der Entlassung erhalten, rät die STIKO. Sie könne auch bereits während des Klinikaufenthalts erwogen werden, um so unter Umständen nosokomiale Infektionen zu vermeiden.
Für gesunde Kinder von Müttern, die sich während der Schwangerschaft gegen RSV haben impfen lassen, ist eine Nirsevimab-Gabe in der Regel nicht erforderlich. Bestünden Risikofaktoren beim Neugeborenen oder sei die Schwangere erst in den zwei Wochen vor der Geburt geimpft worden, empfehle es sich, zusätzlich den Antikörper zu verabreichen. Auch Säuglinge, die bereits eine im Labor bestätigte RSV-Infektion durchgemacht haben, benötigen im Allgemeinen keine Prophylaxe.
Nirsevimab wird intramuskulär in den Oberschenkel injiziert. Die Dosierung hängt vom Körpergewicht der Babys ab. Beträgt es unter fünf Kilogramm, liegt die Dosierung bei 50 Milligramm. Sie verdoppelt sich auf 100 Milligramm, wenn die Säuglinge fünf Kilogramm und mehr wiegen. Eine versäumte Nirsevimab-Injektion sollte innerhalb der ersten RSV-Saison schnellstmöglich nachgeholt werden.
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