Ruf nach effizienterer Nutzung der Arztzeit

Berlin – Die Arztzeit muss im deutschen Gesundheitswesen effizienter genutzt werden. Das forderte Yüksel König, Mitglied im Vorstand der Berliner Ärztekammer (ÄKB), gestern auf dem Hauptstadtkongress (HSK) in Berlin.
„Wenn wir es schaffen, die Nutzung der Arztzeit zu optimieren, beeinflusst das nicht nur die Qualität der Behandlung, sondern auch die Zufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte“, sagte König. Dabei könnten mehr Teamwork, mehr Interdisziplinarität und mehr sektorenübergreifende Zusammenarbeit helfen.
Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte im deutschen Gesundheitswesen steigt seit Jahren an. „Die bloße Anzahl sagt aber nichts darüber aus, ob wir eine gute Versorgung haben oder nicht“, betonte König, die als Chefärztin in der Klinik für Endokrine Chirurgie am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin tätig ist. „Entscheidend ist, wie viele Ärzte in der direkten Patientenversorgung arbeiten.“ Die effiziente Nutzung der Arztzeit sei ein entscheidender Hebel für Veränderungen im Gesundheitswesen.
Mehr Zeit für die Weiterbildung
Auch der sinnvolle Einsatz von IT und Technik könne dabei helfen, die Arztzeit effizienter zu nutzen, erklärte König: „Heute verbringen wir viel zu viel Zeit mit nervenaufreibendem Datenmatching. Digitalisierung soll die Arbeitslast reduzieren, nicht verschieben.“
Sie forderte eine gesetzliche Verpflichtung dafür, dass IT-Systeme im Gesundheitswesen realisiert werden. „Und wir brauchen mehr Zeit für die Weiterbildung“, so König. „Wir können den ärztlichen Nachwuchs nur begeistern, wenn wir ausreichend Zeit für die Weiterbildung bereitstellen.“ Dafür müsse die Weiterbildung in die Kosten der Versorgung eingepreist werden.
Zudem kritisierte sie, dass der Patientenkontakt in Deutschland nur fünf Minuten dauere. „In dieser Zeit kann der Arzt keine richtige Anamnese machen, keinen Therapieplan“, kritisierte König. „In der Folge hat der Patient Zweifel und geht vielleicht zu einem anderen Arzt, um mehr Informationen zu erhalten.“
Arbeitsorganisatorische Schwächen
Julian Dilling vom GKV-Spitzenverband zitierte aus dem aktuellen Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit (SVR), das vor kurzem zum Thema Fachkräfte veröffentlicht wurde. „Der internationale Vergleich der einzelnen Berufsgruppen liefert Hinweise darauf, dass im deutschen Gesundheitssystem relativ viele Beschäftigte pro Einwohner zur Verfügung stehen“, heißt es darin.
„Dennoch kommt es zu einer vergleichsweise hohen Arbeitsbelastung der Beschäftigten, da es in Deutschland eine größere Zahl an Fällen beziehungsweise Patientinnen und Patienten pro Einwohner gibt.“
Dies deute unter anderem auf arbeitsorganisatorische und strukturelle Schwächen im deutschen Gesundheitssystem hin. „Die Behebung dieser Schwächen sollte im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Bemühungen stehen, weil die bloße weitere Erhöhung der Anzahl der Beschäftigten teuer ist, aufgrund der demografischen Entwicklung nicht realistisch erscheint und den Erhalt ineffizienter Strukturen fördert“, heißt es in dem Gutachten.
Quartalsbezug der Chronikerpauschale aufheben
Michael Weller, Leiter der Abteilung „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG), kündigte gesetzliche Änderungen an, um die Zahl unnötiger Arztkontakte zu reduzieren.
Mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), das heute in erster Lesung im Bundestag diskutiert wurde, solle zum Beispiel der Quartalsbezug der Chronikerpauschale aufgehoben und eine Versorgungspauschale eingeführt werden, die jährlich abgerechnet wird.
Weller kritisierte zudem, dass der Rettungsdienst heute besser vergütet werde, wenn er die Patienten ins Krankenhaus bringe – selbst, wenn diese aus medizinischer Sicht gar nicht ins Krankenhaus gebracht werden müssten. Diese Regelung solle mit dem Notfallgesetz geändert werden.
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