Sozialhilfequote in Pflegeheimen steigt wieder an

Hamburg – Trotz gesetzlicher Gegenmaßnahmen sowie einer Erhöhung der Alterseinkünfte der Deutschen um mehr als sechs Prozent ist der Anteil der Pflegeheimbewohner angestiegen, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. Grund dafür sind die stark gestiegenen Kosten in der stationären Pflege.
Das geht aus einem Gutachten des Bremer Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang hervor, das er im Auftrag der DAK-Gesundheit verfasst hat. Demnach wird im Laufe dieses Jahres wieder ein Drittel der Heimbewohner Sozialhilfe beantragen müssen. Bis 2026 werden es voraussichtlich 36 Prozent sein.
Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) hatte die letzte schwarz-rote Bundesregierung Zuschüsse für den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) im Pflegeheim beschlossen: fünf Prozent im ersten Jahr, 25 Prozent im zweiten Jahr, 45 Prozent im dritten Jahr und 70 Prozent für die Zeit danach.
Der EEE ist ein Teil der Gesamtkosten, zu dem noch die Kosten für Unterkunft und Pflege und die Investitionskosten kommen.
Reformschritte sind schnell verpufft
Vor der Umsetzung der Reformregelungen erreichte die Sozialhilfequote mit 36,8 Prozent ihren höchsten Wert seit der Einführung der Pflegeversicherung, wie Rothgang erklärte. Dieser Wert konnte im vergangenen Jahr durch die Einführung der Leistungszuschläge auf circa 30,5 Prozent reduziert werden.
Aber bereits in diesem Jahr wird die Sozialhilfequote wieder auf 32,5 Prozent ansteigen. 2026 werden wieder 36 Prozent erreicht. „Die Entlastungen der jüngsten Reformschritte sind bei den Eigenanteilen schon in diesem Jahr verpufft,“ erklärte Rothgang.
Ohne die ergriffenen Maßnahmen lägen die Kosten für die Heimbewohner allerdings noch weit höher. Bis 2026 hätten sich die Eigenanteile dann nicht nur verdoppelt, sondern verdreifacht. Die Sozialhilfequote läge dann bei 46,4 Prozent.
Sozialhilfequote auf 30 Prozent begrenzen
Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, bezeichnete die bisherigen Reformschritte deshalb als „wichtig“.
Allerdings reichten sie nicht aus, um die Kosten durch die enormen Preissteigerungen sowie das Tariftreuegesetz wirksam zu begrenzen. Durch das Tariftreuegesetz dürfen nur noch Pflegeeinrichtungen Leistungen mit den Pflegekassen abrechnen, die nach Tarif – oder eine gleichwertige Summe – bezahlen.
„Es wird höchste Zeit, dass wir den durch die Reformschritte gewonnenen Spielraum nutzen, um eine tragfähige und solidarische Reform der Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen“, sagte Storm. „Ziel muss es sein, dass weniger als 30 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind.“
Ambulante Pflege stärken
Der DAK-Vorsitzende schlug vor, die Zuschläge zu den Eigenanteilen weiter anzuheben. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Herausnahme der Ausbildungskostenumlage aus den einrichtungsbezogenen Pflegekosten wäre ein dringend notwendiger Schritt zur Entlastung.
Darüber hinaus müsse die ambulante Versorgung gestärkt werden. „Damit Menschen gar nicht erst ins Pflegeheim kommen, müssen wir die Pflege in den eigenen vier Wänden viel stärker fördern“, meinte Storm.
„Das Pflegegeld sollte noch in diesem Jahr um mindestens zehn Prozent erhöht werden.“ Zudem müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen umgesetzt werden.
Storm forderte, Teile der Ausgaben künftig nicht mehr von der Pflegeversicherung, sondern aus Steuermitteln zu bezahlen. „Kindererziehung, Angehörigenpflege und die Bekämpfung des Pflegenotstandes sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die ähnlich wie die Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung aus Steuermitteln finanziert werden müssen“, betonte er.
„Eine faire, ordnungspolitisch gebotene Finanzierung setzt voraus, dass sowohl die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger, die Beitragsentlastung der Familien bei der Kinderzahl als auch die Finanzierung der Ausbildungskostenumlage aus Steuermitteln finanziert werden. Zusammen sind das 7,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln.“
Nach Berechnungen der DAK würde danach noch eine Finanzierungslücke in der Pflegeversicherung von 6,5 Milliarden Euro bestehen bleiben. Diese könnte über eine Beitragssatzerhebung um 0,4 Prozentpunkte erreicht werden, so Storm.
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