Politik

Spahn sieht keine Versorgungsengpässe beim Grippeimpfstoff

  • Mittwoch, 14. Oktober 2020

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Befürchtungen vor Engpässen beim Grippeimpfstoff zurückgewiesen. Es könne momentan lokal und zeitlich zu Liefer­eng­pässen kommen, sagte er heute in Berlin. Das heiße aber nicht, dass es Versorgungs­engpässe gebe.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat nach eigenen Angaben für diese Saison 26 Millionen Dosen bestellt. „So viele Impfdosen standen noch nie zuvor in Deutschland für die Grippeimpfung zur Verfügung“, betonte Spahn.

Der Impfstoff werde nicht an einem Tag ausgeliefert, sondern stehe nach und nach zur Verfügung. Es sei sinnvoll, sich auch noch im November oder Dezember impfen zu lassen.

In den vergangenen Jahren sind nach Spahns Angaben jeweils vier bis sechs Millionen Impfdosen vernichtet worden, weil sie nicht eingesetzt wurden. Er appellierte an diejeni­gen, sich impfen zu lassen, „für die die Ständige Impfkommission eine Impfung em­pfiehlt“.

Je weniger Menschen an Grippe erkrankten, desto mehr Versorgungskapazitäten stünden für andere Patienten, vor allem für COVID-19-Erkrankte, zur Verfügung. Spahn mahnte in diesem Zusammenhang, das Gesundheitssystem stehe angesichts steigender Coronain­fek­tionszahlen und der bevorstehenden Grippesaison vor „besonderen Herausforde­run­gen“.

Der Vorsitzende der Stän­digen Impf­kom­mis­sion (STIKO), Thomas Mertens, verwies dies­bezüglich ebenfalls nachdrücklich darauf, dass man die Grippeschutzdurchimpfung auf ein möglichst hohes Niveau bringen müsse. Hierbei könnten auch Impfungen in Apothe­ken sinnvoll sein. Dem stimmte Spahn mit Verweis auf entsprechende Modellprojekte zu. Weite Teile der Ärzteschaft sehen dies aus Gründen der Patientensicherheit allerdings kritisch.

Kinder- und Jugendärzte warnten bereits vor einem Mangel an Grippeimpfstoffen in Deutschland. Die von der Bundesregierung vorgesehene Menge von 26 Millionen Impf­do­sen reiche offenbar nicht einmal für alle Risikopatienten aus, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, der Augsburger Allgemeinen.

Bei dieser geplanten Menge werde von einer „nach wie vor niedrigen Impf­rate“ ausge­gan­gen. Derzeit reiche die Impfstoffmenge offenbar nur für rund zwei Drittel der Risiko­patienten aus. Fischbach plädierte jedoch dafür, über die Risikogruppen hinaus generell auch Kinder und Jugendliche zu impfen.

Der Deutsche Hausärzteverband forderte, der Grippeimpfstoff müsse jetzt überall verfüg­bar sein. „Die Nachfrage ist in vielen Regionen, sicherlich auch aufgrund der medienwirk­sa­men Aufrufe aus der Politik, sehr früh in diesem Jahr sehr hoch“, erklärte der Verbands­vorsitzende Ulrich Weigeldt.

„Das gibt eigentlich Anlass zur Freude. Allerdings sind in einigen Hausarztpraxen die ersten Impfdosen bereits verimpft und die Kolleginnen und Kollegen suchen händerin­gend Nachschub.“ Es dürfe nicht zu längeren Verzögerungen kommt, erklärte Weigeldt. „Es darf nicht sein, dass einerseits zum Impfen aufgerufen wird, dann aber die Impfstoffe nicht nachkommen.“

Bestehende regionale Lieferschwierigkeiten beim Grippeimpfstoff können nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) bald ausgeglichen werden. Der­zeit sei die Nachfrage nach der Grippeimpfung hoch, sagte KVN-Sprecher Detlef Haffke.

„Die Engpässe werden aber durch Nachlieferungen in den kommenden Tagen und Wo­chen kompensiert.“ Die Lage sei regional unterschiedlich, Lieferschwierigkeiten gebe es derzeit eher im städtischen Bereich.

Einen generellen Engpass bei der Versorgung mit Grippeimpfstoff in Deutschland wollte auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) nicht bestätigen. Die 26 Millionen zur Verfügung stehenden Impfdosen seien „bei Weitem noch nicht ver­braucht.“

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, erinnerte daran, dass die saisonale Grippe eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt sei. Die Dauer der jährlichen Grippewelle betrage drei bis vier Monate, ihr Höhepunkt werde meist Ende Februar und Anfang März registriert.

Dabei sei die Stärke der Grippewelle nicht vorhersagbar. So sei die Influenzawelle 2013/ 2014 sehr mild verlaufen, während 2017/18 die schwerste Grippewelle seit 20 Jahren registriert worden sei.

Damals seien rund 60.000 Menschen mit Grippe in Kliniken behandelt worden, rund 25.000 Influenzapatienten seien seinerzeit gestorben. Wie Spahn rief Wieler dazu auf, die auch gegen Grippe wirksamen Coronavorkehrungen wie Abstand, Hygiene, Maskentragen und Lüften zu beachten.

afp/dpa/aha

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