Stärkung der Patientenbeteiligung gefordert

Berlin – Patientenvertreterinnen und -vertreter fordern eine systematische und nachhaltige Förderung und Stärkung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit. Anlässlich des Festakts zum 20-jährigen Jubiläum der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) betonten sie heute in Berlin, dass die Patientenvertretung in Deutschland mittlerweile eine zentrale Rolle in der Gesundheitspolitik eingenommen habe. Eine echte Partnerschaft zwischen Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitssystem könne aber nur durch eine personelle und strukturelle Stärkung der Patientenorganisationen erreicht werden.
Im deutschen Gesundheitswesen engagierten sich etwa 300 Patientenvertreterinnen und -vertreter ehrenamtlich in neun Unterausschüssen des G-BA, betonte Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. „Ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet.“ Sie seien die Expertinnen und Experten für die tatsächlich erlebte Gesundheitsversorgung, müssten aber mehr unterstützt werden. „Es braucht weitere Stabsstellen und eine adäquate Entschädigung des Arbeitsaufwands, forderte er. „Almosen brauchen sie nicht.“
Gesetzgeber und Gesellschaft schätzten die Betroffenenkompetenz für die Entscheidungsfindung, so Schwartze. Die Betroffenen – zum Teil chronisch kranke Menschen – arbeiteten ehrenamtlich und benötigen einen gut zuarbeitenden Apparat, um ihr einmaliges Fachwissen optimal einbringen zu können. Hier bedürfe es noch großer Anstrengungen. „Wir haben als Politik und Gesellschaft die Pflicht, den Patientenvertretern Strukturen zu geben und sie nicht zu verheizen“, erklärte er.
Patientenbeteiligung sei ein Ehrenamt, aber die Strukturen müssten so sein, dass zumindest die Chance bestehe, auf Augenhöhe mit den anderen Akteuren verhandeln zu können. Schwartze: „Im Koalitionsvertrag ist eine Stärkung der Patientenvertretung vorgesehen. Sie muss jetzt auch umgesetzt werden.“
Die Patientenvertretung sei das Fundament für ein patientenfokussiertes Gesundheitssystem, betonte auch Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE und Sprecher des Koordinierungsausschusses der maßgeblichen Patientenorganisationen im G-BA. Wie bei jeder erfolgreichen Kooperation brauchten alle Beteiligten –und somit auch das Ehrenamt – eine gute Organisationsstruktur sowie ausreichende Rechte, um sich wirkungsvoll einbringen zu können.
Florian Innig, Sprecher der Patientenvertretung im Unterausschuss Arzneimittel des G-BA, verdeutlichte den hohen Arbeitsaufwand und die teilweise hohe Sitzungsfrequenz für die Patientenvertreter. Von den Patientenorganisationen würden diese zeitintensiven Aufgaben derzeit ohne zusätzliche Förderung wahrgenommen. Im G-BA würden sie lediglich von einer Stabsstelle Patientenbeteiligung mit derzeit zehn hauptamtlichen Vollzeitstellen unterstützt. Im Vergleich zu den anderen Organisationen im Gesundheitswesen bestünde hier ein großes Missverhältnis der Kräfte zum Nachteil der Patientenvertretung. Dieses Missverhältnis gelte es durch neue gesetzliche Vorgaben zu beseitigen.
Von einem ehrenamtlichen Engagement ohne ausreichende Unterstützungsstruktur auf der Landesebene berichtete auch Sonja Arens als Patientenvertretung im Zulassungsausschuss. Noch immer gebe es in Bundesländern unterschiedliche Strukturen und Modelle, oft auch nur „Gnadenleistungen“ für Patientenvertreter. Ein Austausch auf Augenhöhe finde in Realität oft nicht statt.
„Stattdessen werden uns viele Steine in den Weg gelegt“, kritisierte Arens. „Wir leisten einen großen Beitrag für eine bessere Gesundheitsversorgung, doch Unterstützung – Fehlanzeige.“ In den einzelnen Bundesländern sei eine Infrastruktur notwendig, die mit der Bundesebene vergleichbar sei. Momentan fehlten jedoch angesichts stetig wachsender Aufgaben in den Bundesländern vielerorts relevante strukturelle Grundlagen zur Gewinnung und Benennung neuer Patientenvertreter. Einige Bundesländer würden sich auch aus der dringend notwendigen öffentlichen Förderung zurückziehen, ohne Unterstützungsstrukturen ausgebaut zu haben.
Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des G-BA, unterstützte heute die Patientenorganisationen bei ihren Forderungen nach mehr Infrastruktur und Wissenstransfer. Man könne Institutionen auch kaputt machen durch zu viele Aufgaben, wenn es keinen institutionellen Unterbau gebe, warnte er. „Entscheidend für die Patientenvertretung ist eine zentrale Overheadstruktur auf Bundesebene, finanziert aus allgemeinen Finanzmitteln des SGB V“, schlug er vor.
Dass die Ausstattung der Selbsthilfe verbessert werden müsse, betonten in der politischen Diskussion auch Linda Heitmann von den Grünen, Hubert Hüppe (CDU) sowie die Patientenbeauftragte für Berlin, Ursula Gaedigk. Patienten und Menschen mit Behinderungen müssten immer noch zu stark für ihre Rechte kämpfen, vieles sei noch nicht selbstverständlich, kritisierte Hüppe. Insbesondere Mitwirkungsrecht und die Anbindung vor Ort müsse verbessert werden, so Heitmann. Gaedigk forderte zudem mehr Öffentlichkeit für dieses Ehrenamt. Man müsse plausibel machen, wie wesentlich Patientenvertretung sei.
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