Streit um mögliche Vermittlung von Arztterminen durch Krankenkassen

Berlin – Der Bundesrat spricht sich dafür aus, eine Befähigung der Krankenkassen zur Vermittlung von Arztterminen zu prüfen und diese gegebenenfalls an die Terminservicestelle 116117 anzubinden. Am vergangenen Freitag stimmte die Länderkammer für eine entsprechende Stellungnahme zum Entwurf des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes (GDAG).
Demnach begrüßen die Länder den im Gesetzentwurf vorgesehenen Auftrag an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und den GKV-Spitzenverband, Anforderungen an digitale Terminbuchungsplattformen zu normieren.
Die Verpflichtung zur Vereinbarung von Anforderungen, die beim Einsatz digitaler Terminbuchungsplattformen berücksichtigt werden müssen, könne helfen, unter anderem die Interoperabilität der Systeme sowie den bedarfsgerechten und gleichmäßigen Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere für vulnerable Gruppen von Versicherten, sicherzustellen.
In diesem Rahmen solle die Bundesregierung aber auch prüfen, ob die Kassen selbst ihren Versicherten auf telefonische Anfrage Angebote zur digitalen Terminbuchung unterbreiten sollen. Weiter bitte man um Prüfung, ob dies durch die Einbeziehung der Kassen in die Schnittstelle zum elektronischen System nach Paragraf 370a SGB V geschehen kann.
Besagter Paragraf regelt, dass der Terminservice 116117 der KBV eine Schnittstelle für Dritte – also Terminvermittler außerhalb des KV-Systems – bereitstellen muss, damit diese auch die von ihnen eingestellten Termine buchen können.
Der Bundesrat sehe „das Bedürfnis, dass die Krankenkassen befähigt werden, freie Arztkontingente zu sichten und auf telefonische Anfrage von gesetzlich Versicherten Arzttermine zu vergeben“. Dies könne eine Benachteiligung von gesetzlich Versicherten, die keinen Zugang zu digitalen Terminbuchungsplattformen haben, weiter reduzieren und die Patientenversorgung verbessern.
Außerdem soll das vorgesehene Mandat der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Digitalberatung ihrer Mitglieder ausgeweitet werden. Bisher sieht der Gesetzentwurf dies nur für „Leistungserbringer“ vor, jedoch bestehe das Bedürfnis, auch künftige Mitglieder einzubeziehen, heißt es in der Bundesratsstellungnahme.
Es sei insbesondere mit Blick auf den Nachwuchsbereich sinnvoll, hinsichtlich einer künftigen Niederlassung frühzeitig in diesem Bereich beratend tätig zu werden. Zudem werde das Erfordernis auch generell zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gesehen, um niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte beraten zu können.
Kritik vom Hartmannbund
Die Ansicht bleibt nicht ohne Widerspruch. Die Vergabe von Terminen sollte in der Hand der Praxen bleiben und nicht von Seiten der Krankenkassen erfolgen, betonte der Hartmannbund (HB) in der Diskussion um die Verabschiedung des GDAG.
„Wir kämpfen ohnehin schon mit einer sinkenden wirtschaftlichen Attraktivität der selbständigen Berufsausübung in der Niederlassung“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des HB, Anke Lesinski-Schiedat. Wenn nun auch noch die Reste an Selbstbestimmung und Selbstorganisation infrage gestellt würden, indem man am Ende des Tages mehr oder weniger fremdgesteuert Patienten in die Praxen schicke, werde die Lust zur Niederlassung weiterhin massiv sinken.
Laut dem HB spricht grundsätzlich nichts dagegen, die Vergabe von Terminen mithilfe von Digitalisierung und gegebenenfalls von künstlicher Intelligenz noch effizienter und transparenter zu machen. „Dies kann und dies muss allerdings im Kern in den Händen der ärztlichen Selbstverwaltung stattfinden“, so Lesinski-Schiedat.
Mehr Mitspracherecht fordert die Länderkammer bei der Festlegung der Fristen für Projekte der künftig Digitalagentur genannten Gematik. Hier sieht das GDAG die Einführung einer Roadmap vor, die von der Gesellschafterversammlung der Digitalagentur genehmigt wird.
Dies bedeute jedoch nichts anderes, als dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit seiner Mehrheitsbeteiligung im Alleingang über die Fristen entscheiden kann.
Ein solches Verfahren dürfe den bisherigen gesetzgeberischen Prozess zur Festlegung der Aufgaben und Fristen der Digitalagentur jedoch nicht ersetzen, fordert der Bundesrat. Ein Anhören des Beirats der Digitalagentur, dem auch die Länder angehören, könne eine Befassung durch den Bundesrat dabei nicht ersetzen.
„Die Festlegung der Aufgaben und Fristen der Digitalagentur bedarf auch künftig der Befassung durch den Bundesrat, in welchem die Länder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der Leistungserbringer, Gesundheitsindustrie und weiterer Akteure der Digitalisierung im Gesetzgebungsverfahren agieren“, heißt es in der Stellungnahme.
Weniger Verpflichtung wollen die Länder wiederum beim Sofortnachrichtendienst TI-Messenger (TIM). Zwar könne nachvollzogen werden, dass der mit einer verpflichtenden Einführung einhergehende hohe Ausstattungsgrad auch eine verbesserte Inanspruchnahme des Dienstes erwarten lässt.
Allerdings sei TIM derzeit noch in der Erprobung in den Modellregionen, weshalb noch keine abschließenden Erkenntnisse zu gewinnbringenden Anwendungsfällen vorliegen würden. Während zum Übermittlungsverfahren KIM gesetzliche Anwendungsfälle wie der Versand der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und des eArztbriefes definiert sind, adressiere der Gesetzesentwurf aber keine verpflichtenden Anwendungsfälle für TIM.
Die Erkenntnisse der Modellregionen würden aber bereits jetzt nahelegen, dass im Nutzungspotenzial des TI-Messengers deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Leistungserbringern und Berufsgruppen bestehen. Deshalb erscheine es nicht sinnvoll, die Verpflichtung pauschal über alle Leistungserbringer zu erstrecken.
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