Suizidpräventionsgesetz passiert Bundeskabinett mit monatelanger Verspätung

Berlin – Mit monatelanger Verspätung, aber noch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, hat heute das Bundeskabinett den Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz beschlossen. Dieses soll Menschen in Krisensituationen durch niedrigschwellige Unterstützung, Information, Aufklärung und Forschung helfen und dazu beitragen, Suizidversuche und Suizide von Menschen aller Altersgruppen möglichst zu verhindern.
Entsprechend des fast einstimmigen Beschlusses des Parlaments vom Juli 2023 sollte der Gesetzentwurf eigentlich schon Ende Juni 2024 stehen, verzögerte sich aber aufgrund schwieriger Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern. Ob er jetzt noch vor den Neuwahlen durch das Parlament beschlossen werden kann, ist aber fraglich.
„Dieses Gesetz wäre das erste Gesetz zur Suizidprävention in ganz Europa“, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute. Er könne sich trotz eines sehr engen Zeitplans vor den Neuwahlen „gut vorstellen“, dass es noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werde.
„10.000 Menschen nehmen sich jedes Jahr bei uns das Leben. Das können wir nicht weiter hinnehmen“, erklärte er. In der Suizidprävention brauche es gut erreichbare Hilfen und eine Bundesfachstelle, die Beratungsangebote vernetze. Viele Suizide seien vermeidbar, betonte Lauterbach. „Unser Ziel muss sein, so viele Leben zu retten wie möglich.“
Kernstück des geplanten Gesetzes sei der Aufbau einer Bundesfachstelle für Suizidprävention im Bundesgesundheitsministerium und die Konzeptionierung einer bundesweiten Rufnummer für Betroffene, so Lauterbach.
Unter der Nummer 113 sollen Suizidgefährdete und Angehörige kostenfrei anrufen können. Darüber hinaus sollen allgemeine und zielgruppenspezifische Informationen entwickelt und die Beratungs- und Kooperationsangebote bekannter gemacht werden.
Geplant ist auch ein digitales Verzeichnis aller bundesweiten und überregionalen Informations-, Hilfs- und Beratungsangebote. Zudem soll es künftig ein Monitoring von Suizidversuchen und sowie eine Bedarfsanalyse für ein Suizidregister geben.
Nachdem Lauterbach im Frühjahr die Nationale Suizidpräventionsstrategie vorgelegt hatte, drängten Ärzteschaft und die Institutionen der Suizidprävention mehrfach auf eine gesetzliche Regelung beziehungsweise zunächst die Vorlage eines Entwurfs.
Die Suizidpräventionsstrategie sei kein Ersatz für ein solches Suizidpräventionsgesetz, betonten sie. Denn ohne gesetzliche Grundlage sei keine verbindliche Umsetzung der Strategie möglich. Gleichzeitig forderten sie mehr Einbeziehung ihrer professionellen Expertise.
„Es ist gut, dass sich die Bundesregierung mit der Suizidprävention beschäftigt. Das muss auch in Zukunft der Fall sein“, sagte Reinhard Lindner, Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, heute dem Deutschen Ärzteblatt.
Mit dem jetzt erfolgten Beschluss des Kabinettsentwurfs eines Suizidpräventionsgesetzes sei es nicht getan. „Es bedarf weiterer Anstrengungen sowie der Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Fachpersonen für Suizidprävention in Deutschland. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein künftiges Gesetz nicht wirklich auf das Problem der Suizidalität fokussiert ist“, betonte er.
Die in der Suizidprävention Tätigen stünden für den Austausch zur Verfügung und hätten praktikable Vorschläge, sagte Lindner. „So brauchen suizidale Menschen beispielsweise schnell persönliche Gesprächspartner, die auch ambivalente Kontaktaufnahmen zugewandt handhaben können. Der Entwurf sieht jedoch bislang kein Hilfetelefon mit professioneller Besetzung vor.“
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