Wachsende Kritik an der Impfterminvergabe in Brandenburg

Potsdam – Die Kritik an Problemen bei der Terminvergabe für Coronaimpfungen in Brandenburg nimmt auch innerhalb der rot-schwarz-grünen Koalition in Brandenburg zu. SPD-Landtagsfraktionschef Erik Stohn nannte gestern Schwachstellen. „Vielleicht ist es überlegenswert, hier auch in eine Online-Terminvergabe zu gehen“, sagte er. „Andere Bundesländer bekommen das auch hin.“ Ebenfalls deutliche Kritik kam von der oppositionellen Linksfraktion im Landtag.
Stohn monierte, dass rund 9.000 Impftermine wegen Lieferverzögerungen beim Impfstoff von Biontech und Pfizer verschoben werden mussten. „Was mich allerdings wirklich ärgert ist, dass Terminabsagen da erfolgt sind.“ Bei der Vereinbarung neuer Termine hätten Menschen aus Niedergörsdorf (Kreis Teltow-Fläming) Terminangebote in Prenzlau (Uckermark) bekommen – beide Orte sind mehr als 200 Kilometer voneinander entfernt.
Linksfraktionschef Sebastian Walter rief Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zum Handeln auf. „Die Ministerin ist nicht schuld daran, dass es zu wenig Impfdosen gibt“, sagte er. „Aber sie hat die Verantwortung bei der Organisation und der Kommunikation.“
Der Linke-Politiker forderte, dass nun zunächst die Risikogruppen nach dem Vorbild von Berlin schriftlich zu Impfterminen eingeladen werden sollten – damit sich die Betroffenen nicht „in einem Windhundrennen“ selbst um Termine bemühen müssten. Zudem sei der Transport in die Impfzentren zu organisieren und zu finanzieren. Schließlich sollte geprüft werden, wie die Impfungen möglichst bald auch in Hausarztpraxen vorgenommen werden können.
Unterdessen teilte die Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) gestern mit, dass vorübergehend keine neuen Impftermine vergeben werden könnten. „Alle Termine sind derzeit ausgebucht“, hieß es in der Mitteilung.
Die Termine können in Brandenburg nur über die Hotline 116117 gebucht werden, die häufig überlastet war. In der vergangenen Woche gab es Verwirrung bei den Betroffenen, weil vereinbarte Termine für die erste Impfung in den Impfzentren Potsdam, Cottbus und Schönefeld wegen der Lieferverzögerungen bei den Impfstoffen ohne telefonische Information per E-Mail abgesagt wurden.
Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Petra Budke, schlug vor, die Impfberechtigten persönlich anzuschreiben. „Ich denke sicherlich, dass das gerade für viele ältere Menschen auch eine Erleichterung sein könnte.“ Sie zeigte sich skeptisch gegenüber Onlineterminbuchungen. Einige Länder hätten die Erfahrung gemacht, dass Onlinetermine gebucht wurden und Leute dann nicht zum Impftermin erschienen. Budke nahm ihre Parteikollegin Nonnenmacher in Schutz: Das Grundproblem sei mangelnder Impfstoff.
Auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann erklärte, Vorschläge wie die Vergabe von Impfterminen per Brief oder die Beteiligung von Hausarztpraxen beim Impfen führten derzeit am Ziel vorbei. „Wir brauchen mehr Impfstoff, dann können die Kapazitäten in den Zentren schnell hochgefahren werden.“ Erst wenn genügend Impfstoff geliefert würde, könnte auch eine Beteiligung der Hausarztpraxen geprüft werden.
Nonnemacher bat unterdessen um Verständnis: „Wir können nur den Impfstoff verimpfen, der uns tatsächlich angeliefert wurde“, sagte sie laut Mitteilung bei der Eröffnung des siebten Impfzentrums im Land in Brandenburg/Havel. „Deshalb können wir im Augenblick in den Impfzentren leider nicht so viel impfen wie organisatorisch eigentlich möglich wäre.“
Am Abend wurde bekannt, dass Nonnemacher die Einrichtung einer Clearingstelle vorsieht. Die Stelle soll künftig über die Priorisierung von Einzelfällen entscheiden, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte. Zuerst hatte der rbb berichtet.
Grundlage für die Neuerung sei eine aktualisierte Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Danach sind Einzelfallentscheidungen möglich, etwa wenn Menschen aufgrund einer Vorerkrankung vermutlich ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.
In Brandenburg sind bisher 63.024 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden, ein Plus im Vergleich zum Vortag von 3.479. Darunter sind 1.145 Menschen, die schon eine zweite Impfung erhalten haben. Bis Anfang Februar sollen elf Impfzentren entstehen; die nächsten eröffnen in Eberswalde, Prenzlau, Luckenwalde und Kyritz.
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