Warnungen vor Triage und Überlastung des Gesundheitssystems

Berlin/Saarbrücken – Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat sich in einem Expertengespräch mit der Triage befasst. Dabei geht es bei mangelnden Ressourcen in der medizinischen Versorgung um die Entscheidung, welche Patienten mit Vorrang behandelt werden sollen. Die Fachleute warnten in dem nicht-öffentlichen Video-Fachgespräch vor einer Überlastung des Gesundheitssystems, wie die Pressestelle des Bundestags mitteilte.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, sagte, eine Zuspitzung der Lage könnte zu problematischen Triage-Entscheidungen führen. Insbesondere die Ex-post-Triage, bei der eine laufende Behandlung zugunsten eines neuen Patienten mit besserer Prognose abgebrochen wird, sei ethisch eine ungeheuerliche Tragik.
Wiebke Pühler von der Bundesärztekammer (BÄK) wies darauf hin, dass die Prioritätensetzung während der Behandlung von Patienten immer Bestandteil ärztlicher Entscheidungen sei. Ärzte müssten Prioritäten setzen und könnten das auch. Sie mahnte, in der Pandemie sollten wegen einer möglichen Unterversorgung nicht nur die Intensivmedizin und COVID-19-Patienten in den Blick genommen werden, sondern alle medizinischen Bereiche, auch die ambulanten.
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens, sagte, wenn die Infektionszahlen sich weiter so entwickeln würden wie zuletzt, könnten die Intensivstationen in wenigen Wochen überlastet sein. Der Versorgungsmangel betreffe vor allem das Fachpflegepersonal. Ohne Personal könnten Intensivpatienten nicht betreut werden. Mit Blick auf Triage-Entscheidungen fügte er hinzu, die Rechtsunsicherheit für Ärzte sei unerträglich. Als zentrales Kriterium nannte er die klinische Erfolgsaussicht.
Auch der Jurist Stephan Rixen sprach von vielen ungeklärten Fragen bezüglich der Triage und Rechtsunsicherheiten für Mediziner. So müsse die Diskriminierung bestimmter Patientengruppen unbedingt ausgeschlossen werden.
Dass die Triage in Deutschland vor der Tür so mancher Klinik steht, zeigt ein Bericht aus Sachsen. Ein Reporter des Deutschlandfunks hatte getwittert, dass der Ärztliche Direktor Mathias Mengel in einem Bürgerforum gesagt habe, im Klinikum Zittau haben schon mehrfach triagiert werden müssen, weil nicht genug Beatmungsbetten zur Verfügung stünden. Die Klinik will die Aussage nun prüfen.
Saarland warnt
Zum ersten Mal in der Coronapandemie steht das Gesundheitssystem laut Saarlands Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) „ernsthaft kurz vor der Überlastung“. Krankenhäuser hätten „die Grenzen ihrer Belastbarkeit“ erreicht, beim Pflegepersonal gebe es bereits „erhebliche Engpässe“, sagte er heute in einer Regierungserklärung im Landtag in Saarbrücken.
„Wenn wir verhindern wollen, dass zu viele Menschen sterben, wenn wir verhindern wollen, dass unsere Ärztinnen und Ärzte, unsere Pflegekräfte vor der Entscheidung stehen, wen sie noch behandeln können, dann müssen wir jetzt handeln“, so Hans.
Der seit heute geltende coronabedingte Shutdown sei daher unumgänglich gewesen. „Wir müssen jetzt auf die Bremse treten“, unterstrich der Ministerpräsident. Ziel sei eine Sieben-Tagen-Inzidenz von 50 und
weniger: „Erst dann haben wir die Pandemie unter Kontrolle.“
Und erst dann könnten Einschränkungen wieder gelockert werden. Derzeit liegt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen im Saarland bei mehr als 190. „Zwei Landkreise haben sogar mehr als 200.“
Der Regierungschef wehrte sich gegen Kritik, die Politiker hätten den harten Lockdown sehr viel früher beschließen sollen. „Diesen Stimmen entgegne ich: So einfach ist es nun einmal zum Glück nicht in einem Rechtsstaat.“
„Im Unterschied zu autoritären Staaten dürfen und wollen wir nicht präventiv Grundrechte einschränken.“ Auch Vorhaltungen, die Regierungschefs hätten sich nicht hinreichend auf eine zweite Welle vorbereitet, seien nicht gerechtfertigt.
„Ich kann nur sagen – und da schließe ich meine Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern ausdrücklich ein: Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben auf Hochtouren gearbeitet. Wir haben wirklich alles gegeben im Saarland, um uns auf diese Welle vorzubereiten“, vesicherte Hans.
Es sei auch nicht richtig zu behaupten, „wir hätten keine längerfristige Strategie und würden immer nur auf Sicht fahren“. Niemand könne jetzt schon vorhersagen, wie sich die Pandemie in den nächsten Monaten entwickele. „Von daher können wir auch nicht jetzt Maßnahmen ergreifen, die – was auch kommen mag – über Monate in Stein gemeißelt sind.“
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