World Health Summit: Vorschläge für bessere Pandemiebewältigung

Berlin – Um die Welt besser auf mögliche weitere Pandemie vorzubereiten und Ausbrüche frühzeitiger eindämmen zu können, braucht es den Ausbau von Labor- und Produktionskapazitäten, weitere Forschung sowie eine bessere internationale Zusammenarbeit.
Entsprechende Lösungsmöglichkeiten für eine wirksamere Pandemiebewältigung diskutierten Fachleute und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SDP) gestern auf dem World Health Summit (WHS).
Die COVID-19-Pandemie hatte einen zerstörerischen Einfluss auf die Welt, sagte Lauterbach. Noch immer würden viele Menschen unter den Auswirkungen der Pandemie leiden, so der Minister. Viele seien zudem nach wie vor an Long COVID erkrankt. Diese Krankheit sei allerdings immer noch nicht ausreichend erforscht. Für viele Symptome gebe zudem noch keine Heilungsmöglichkeit, monierte Lauterbach.
Deshalb sei es für die Zukunft wichtig, jede mögliche weitere Pandemie zu verhindern. „Wir müssen mehr über das kurze Zeitfenster zwischen Ausbruch, dem Anwachsen zur Epidemie und die Ausbreitung zur Pandemie lernen“, so Lauterbach.
Die Pandemieprävention sei aber deutlich unterfinanziert. „Wir geben weniger als ein Prozent für Pandemieprävention aus im Vergleich zu der Summe, die die Coronaviruspandemie insgesamt gekostet hat“, kritisierte Lauterbach.
Deshalb müsse der globale Pandemievorsorgefonds sowie bestehende Institutionen zur Bewältigung künftiger Pandemien von allen Beteiligten besser finanziert werden, forderte er. Der Fonds besteht seit Ende Juni 2022.
Zudem brauche es bald einen internationalen Pandemievertrag, um die Welt auf künftige Pandemien besser vorzubereiten. Bereits bei der Eröffnung des Weltgesundheitsgipfels am Sonntag hatte Lauterbach darauf gepocht, möglichst zügig einen Pandemievertrag zu vereinbaren.
Pandemiefonds stärken und gerechte Verteilung von Medikamenten
Joy Phumaphi vom Global Preparedness Monitoring Board (GPMB) schlug vor, dass jeder existierende Fonds in den Pandemiefonds eingespeist werden sollte. Denn die Pandemie lähme jeden Bereich, so dass eine gute Pandemievorsorge essenziell sei. Sie forderte zudem, dass jedes Land Teil der rechtlich bindenden Pandemievereinbarung werden sollte. Dieser Vertrag soll bis Mai 2024 verabschiedet werden.
Phumaphi regte darüber hinaus an, künftig verstärkt durch Mechanismen wie die vorgezogene Marktverpflichtung (Advance Market Commitment), Zeiten zu verkürzen, bis Impfstoffe oder Medikamente auch an Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen gelangen. Sie pocht darauf, einen entsprechenden Weg im Rahmen des Pandemievertrags zu finden, um Verteilungsschwierigkeiten bei einer künftigen Pandemie besser zu lösen als in der Vergangenheit.
Für Jayasree Iyer, Geschäftsführerin der Stiftung „Access to Medicine“, liegt der Schlüssel in einer besseren Pandemiebewältigung in einem fairen und gleichberechtigten Zugang zu Medikamenten, Medizinprodukten und Behandlungsmöglichkeiten für alle Menschen. „Weniger als zehn Prozent der Menschen in Ländern mit hohem Einkommen haben Zugang zu neuen medizinischen Produkten, wenn sie auf den Markt kommen“, so Iyer. In Ländern mit niedrigem Einkommen sind es weniger als ein Prozent.
Der Pandemiefonds sollte sich deshalb vor allem auf einen gerechten Zugang konzentrieren. Problematisch sei zudem, dass viele Pharmaunternehmen die Forschung und Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten von respiratorischen Erkrankungen verlassen haben. Dieses Feld werde nun vor allem kleineren Unternehmen und Start-ups überlassen, so Iyer.
Das führe allerdings dazu, dass die Research Pipeline bezüglich der 16 Krankheitserreger mit dem derzeit größten epidemischen Potenzial ziemlich leer sei, so Iyer. „Wir brauchen hier mehr Forschung“, forderte sie. Auch diese könnte mit einem Ausbau des Fonds besser finanziert und vorangetrieben werden.
Iyer betonte zudem, dass künftige Produktionskapazitäten in verschiedenen Ländern gegeben sein müssen, um eine schnellere und fairere Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten sicherzustellen. Um einen Impfstoff zu produzieren, seien mehr als 200 Komponenten aus vielen verschiedenen Ländern nötig. Auch diese Herausforderung müsse insbesondere bei Maßnahmen wie Grenzschließungen berücksichtigt werden.
Forschung und Überwachung im Bereich Nutztiere
Besonders wichtig hinsichtlich erfolgreicher Pandemieprävention sei die Betrachtung von Nutztieren, erklärte Christian Drosten, Virologe und Institutsdirektor für Virologie an der Berliner Charité. Allerdings sei jeder respiratorische Virus über Vieh auf den Menschen übergesprungen, so Drosten. Dies werde häufig ignoriert, bemängelte er.
Viele Forscherinnen und Forscher seien aber überzeugt, dass wilde Tiere die Hauptwirte von Zoonosen seien. Allerdings würden Viren im letzten Schritt vom Tier auf den Menschen fast immer durch landwirtschaftlich genutzte Tiere übertragen. Deshalb müsse es in diesem Bereich mehr Forschung und vor allem mehr Überwachungsmöglichkeiten geben, sagte er.
Zudem forderte Drosten bessere Untersuchungsmöglichkeiten in Laboren auf breiter Ebene an allen Krankenhäusern. „Die mikrobiologischen Laborsysteme sind oft enttäuschend“, so Drosten. Statt einzelner hochwertig ausgestatteter Labore zur Sequenzierung der Viren braucht es deshalb besser ausgestattete Labore in der breiten Fläche. Damit können viele Viren besser und frühzeitiger erkannt werden, so der Virologe.
Er fürchtet zudem die weitere Zunahme an Desinformationen insbesondere im Internet, die bereits während der Pandemie in den vergangenen Jahren anwuchsen. Diesbezüglich appellierte er auch an die Medien sowie an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entsprechende falschen Infos richtig zu stellen. Insbesondere die Wissenschaft sollte weniger opportunistisch agieren, sondern mehr der Gesellschaft dienen, so Drosten.
Für Drosten ist zudem der Bereich Bildung ein weiterer wichtiger Fokus bezüglich der Pandemiebewältigung. „Auch wenn Budgets für Pandemiebewältigungsmaßnahmen niedrig sind, verfügen Länder über Universitäten.“ Bildung könne oft für unerwartete Möglichkeiten sorgen, so Drosten. Insbesondere auch in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen würden qualifizierte Fachkräfte einen deutlichen Unterschied machen und für Innovation und Fortschritt sorgen.
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